Entscheidend ist nicht nur auf dem Platz
Cristiano Ronaldo ist der vielleicht größte Star des Weltfußballs. Der viermalige Weltfußballer gewann ebenso häufig die Champions League und erfüllte sich im vergangenen Jahr bei der Europameisterschaft seinen langgehegten Traum eines internationalen Titels mit der portugiesischen Nationalmannschaft. Als er vor etwa zehn Tagen Real Madrid mit zwei Toren zum erneuten Titelgewinn in der Champions League führte, waren die Gazetten mal wieder voll des Lobes ob der überragenden Leistung.
Ronaldo hat in ganz Portugal und halb Spanien den Status eines Fußball-Heiligen erreicht. Dass er diesen auch außerhalb des Platzes verdient, ist seit den Enthüllungen von Football Leaks mehr als fraglich. Der Superstar hat in den vergangenen Jahren nicht nur zahlreiche Tricks genutzt, um sein Millionenvermögen so weit wie möglich vor den Steuerbehörden zu schützen – die Legalität dieser Methoden wird aktuell von der spanischen Staatsanwaltschaft geprüft, die gestern Anzeige gegen ihn erhob –, sondern Ronaldo bezahlte auch 375.000 Dollar für einen Vergleich mit einer Frau, die gegen ihn Vergewaltigungsvorwürfe erhob.
Anstand und Moral gehen immer mehr verloren
Vergleichszahlungen sind kein Schuldspruch, aber dennoch ist der Fall Cristiano Ronaldo sinnbildlich für eine glitzernde Fußballwelt, in der der Schein schon lange trügt. Es braucht keine Enthüllungsplattform, um zu erkennen, wie weit sich die Summen im internationalen Fußballgeschäft von jeder Relation gelöst haben. Immer häufiger erreichen Ablösesummen hohe zweistellige Millionenbeträge, selbst die 100-Millionenmarke ist bereits gefallen. Hinzu kommen Millionengehälter. Das Geschäft ist bizarr, auch wenn in Rechnung gestellt werden muss, dass viele Fußballer nur wenige Jahre Zeit haben, um ein solches Einkommen zu verdienen. Und letztlich ist es nicht ihre Schuld, dass solche Summen im System stecken. Die Verantwortung dafür liegt auch bei uns Verbrauchern, die jedes Spiel konsumieren und Jahr für Jahr im neuesten Trikot herumlaufen. Wenn Spieler hingegen jede Gelegenheit nutzen, um ihr horrendes Einkommen an der Steuer vorbeizuführen – in vielen Fällen illegal –, dann geht die Moral verloren.
Doch nicht nur Anstand und Moral werden immer häufiger verletzt. Wie die Enthüllungen von Football Leaks zeigen, wird immer öfter auch der sportliche Wettbewerb zum Opfer skrupelloser Geschäftemacher. Der Handel mit Transferrechten gefährdet die Unabhängigkeit der Vereine, die in vielen Fällen zwar die vollen Ablösesummen zahlen müssen, aber im Verkaufsfall nur einen Bruchteil davon erhalten. Der Rest wandert in die Taschen von Rechtehändlern und Beratern. Auch hier gehen Grauzone und Illegalität miteinander einher. Geldwäsche oder Wettbetrug inklusive.
Transparenz ist das Gebot der Stunde. Football Leaks fordert daher eine öffentlich zugängliche Datenbank, in der alle Transferdetails wie Ablösesummen, Handgelder, Klauseln und Beteiligungen aufgeführt werden müssten. Transparenz würde Interessenskonflikte, wie sie sich durch Besitzanteile und Vertragsklauseln ergeben können, sichtbar machen. Moderne Complianceregeln, die das Verhindern von Interessensgegensätzen innerhalb eines Unternehmens zu den wichtigsten Grundsätzen zählt, könnten an dieser Stelle anknüpfen. Fragwürdige Deals, wie die spanischen Bankbürgschaften beim Bale-Transfer nach Madrid, würden ungleich schwieriger umzusetzen sein. Die spanischen Banken waren erst kurz zuvor vom europäischen Steuerzahler gerettet worden.
Der Fußball ist es wert, gerettet zu werden.
Der Fußball kann sich nicht mehr selbst retten, sagt Spiegel-Journalist Rafael Buschmann, der Dutzende Dokumente von Football Leaks ausgewertet hat (Das ausführliche Interview mit Rafael Buschmann gibt es hier). Der Sport benötigt deshalb Anstöße von außen und da ist es besonders bedauerlich, dass die Politik den Fußball in der Regel mit Samthandschuhen anpackt. Zu verlockend ist es für Sportpolitiker, die die nur selten im Rampenlicht der politischen Bühne stehen, sich mit Siegern und Funktionären ablichten zu lassen. Zudem wird erfolgreiche Sportpolitik noch immer in erster Linie am sportlichen Erfolg der deutschen Sportler gemessen – vollkommen egal, wie dieser zustande kommt. Angesichts dieser Beharrungskräfte ist ein breites Bündnis derjenigen von Nöten, die eine Reform des Fußballs voranbringen wollen. Und die Chancen sind gar nicht so schlecht, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Seit Jahren liefern seriöse Journalisten Story um Story aus der korrupten Welt des Fußballs und Football Leaks ist sicher nicht die letzte Enthüllungsstory, die hinter die Fassade schaut. Das Vertrauen in Verbände und Wettbewerb wird immer brüchiger, immer lauter werden die Rufe nach tiefgreifenden Veränderungen. Wer einen modernen, fairen, transparenten und sauberen Fußball will, der muss Verantwortliche unter Druck setzen, Forderungen stellen und deutlich machen: Entscheidend ist nicht nur auf dem Platz. Es geht nicht nur darum, Erfolg zu haben, sondern auch darum, wie man Erfolg hat. Nur wenn sich der Fußball wandelt, kann er und die in ihm steckende Faszination für die Zukunft gerettet werden.
Zum Thema Football Leaks sind bei schwatzgelb.de bislang erschienen:
Ein ausführliches Interview mit Spiegel-Journalist Rafael Buschmann
Eine Rezension zum Buch "Football Leaks. Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball"