Spielfeld der Herrenmenschen Kolonialismus und Rassismus im Fußball
Es war der Kolonialismus, der mit zur Verbreitung des Fußballs entscheidend beigetragen hat. Gleichzeitig wurden durch Deutsche, Franzosen und Briten mit ihrer Rassenlehre die Einheimischen unterdrückt. Ist der Fußball wirklich in der Lage sich selbst zu reformieren?
Am 16. März 2024 veranstaltete das Borusseum gemeinsam mit der Abteilung Corporate Responsibility von Borussia Dortmund, der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie der Stadt Dortmund und der Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW eine Lesung mit Ronny Blaschke mit anschließendem Podiumsgespräch. Neben dem Autor des Buches "Spielfeld der Herrenmenschen" nahmen noch Rachel Etse und Mirza Demirovic´ an der Diskussion teil.
Rachel Etse arbeitet als Bildungsreferentin im Team von Zusammen1. Zusammen1 ist ein Präventionsprojekt von MAKKABI Deutschland im Rahmen des Förderprogramms „Demokratie Leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Kooperation mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Ziel ist es, gerade im Sport und insbesondere im Fußball auf antisemitische Verhaltensweisen aufmerksam zu machen und ihnen entgegenzutreten.
Mit Mirza Demirović verbinden viele Dortmunder und Fußballfans die Nordstadtliga. Die Straßenfußballiga hat es sich zur Aufgabe gemacht, für Mädchen und Jungs, die aus verschiedenen Gründen nicht an einem normalen Vereinsleben teilnehmen können, ein freies Training anzubieten. Dafür sind Mirza und sein Team sieben Tage die Woche im Einsatz.
Im Rahmen der Vorstellung berichteten Rachel und Mirza zunächst über ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung. Danach zeigte Ronny Blaschke eine einleitende Präsentation, die zunächst der Frage nachging: “Woher kommt eigentlich der Rassismus?“ Sein gerade erschienenes Buch „Spielfeld der Herrenmenschen“ basiert auf Recherchen in neun Ländern und fünf Kontinenten. Zwischen 2020 und 2023 hat der Autor insgesamt 120 Interviews geführt. In den neun Kapiteln seines Buches ist für ihn ein globaler Fokus wichtig, um die Hierarchie zwischen den Erdteilen, die auch nach dem Kolonialismus fortdauert, im Fußball besser zu erfassen.
Das Adjektiv Schwarz wird im Buch durchgängig großgeschrieben. Denn es geht dabei nicht um eine tatsächliche Hautfarbe, sondern um eine politische Kategorie. Gemeint sind Menschen, die aufgrund ihres Aussehens von anderen markiert und abgewertet werden.
Ronny nimmt sich auch der Geschichte des deutschen Fußballs an. Er verweist beispielhaft auf Stereotype, die auch hier an der Tagesordnung sind. Man glaubt, dass Schwarze und weiße Spieler unterschiedliche Veranlagungen haben. Warum gibt es in den Spitzenligen kaum Schwarze Spielmacher? Und wie lässt sich Diversität bis in die Spitzenämter ausweiten? Der Autor verweist in diesem Zusammenhang auf das Buch „Skin Deep“ des südafrikanischen Historikers und Politikwissenschaftlers Gavin Evans. Können Schwarze wirklich nur schnell und lange laufen?
Die physiologischen Unterschiede werden im Sport viel zu stark betont. Bei der Analyse von Spitzenleistungen sollten wir mehr auf soziale und kulturelle Hintergründe schauen. Die Genetik allein ist für den sportlichen Erfolg nie ausschlaggebend. Wir müssen viel mehr Faktoren einbeziehen
Im Kapitel 5 des Buches, „Im Kofferraum ins Exil“, beschäftigt sich Ronny mit Namibia und den deutschen Kolonialherren, die im Fußball strenge Grenzen zogen und Schwarze aus ihren Ligen fernhielten. Er berichtet von dem Gespräch mit Lydia Hatzenberg, die nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 aufgewachsen ist. Die Mutter von Lydia heiratete einen Schwarzen Südafrikaner und wurde von einem Teil der Familie verstoßen. Dies führte zur Aussage der Großmutter:
Bring bloß keinen Schwarzen Mann nach Hause, denk an deine Zukunft.
Hatzenberg klärt inzwischen in Workshops über Mobbing und Diskriminierung in ihrem Heimatland auf. Nach ihrem Studium der Sozialarbeit erhielt sie beim Fußballverband von Namibia eine Festanstellung. Dies sind nur einige Beispiele, die sich beim Lesen der anderen Kapitel vertiefen lassen. Im Ausblick weist Ronny auf die Probleme der Neuzeit hin, in der koloniales Denken in der Struktur des Fußballs immer noch festgeschrieben ist.
Ich fand das Lesen des Buches „Spielfeld der Herrenmenschen“ von Ronny Blaschke unglaublich spannend und manchmal hat es auch mich auf Stereotype in meinem unbewussten Denken aufmerksam gemacht. Damit hat der Autor mich gematcht. Es hat sich gelohnt, die 254 Seiten zu lesen und ich kann das Buch nur empfehlen. Schon in dem Buch „Machtspieler“ von Ronny habe ich mich wiedergefunden. "Spielfeld der Herrenmenschen" ist im Verlag DIE WERKSTATT als Taschenbuch kürzlich erschienen. Es kann beim Verlag, im Buchhandel und bei Amazon* zum Preis von 22,00 € erworben werden.
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