Fußball ist das beste Marketing - Rezension "Machtspieler"
In seinem neuen Buch „Machtspieler“ beschäftigt sich der Autor Ronny Blaschke mit dem Fußball als politischem und ökonomischem Machtinstrument im 21. Jahrhundert.
Das neueste Werk von Ronny Blaschke ist im Frühjahr dieses Jahres im Verlag Die Werkstatt erschienen. Dafür hat der Autor auf vier Kontinenten recherchiert, unter anderem in China, Russland, Argentinien, Ruanda und Katar. Er beleuchtet den Fußball zwischen Protest und Propaganda und geht in seinem Buch dem Zusammenspiel von Politik und Fußball auf den Grund. Der studierte Sport- und Politikwissenschaftler hat sich schon früher mit politischen Themen im Sport beschäftigt und wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Von ihm sind im Verlag Die Werkstatt bereits erschienen: „Gesellschaftsspielchen“ (2016), „Angriff von Rechtsaußen“ (2011), „Versteckspieler“ (2008) und „Im Schatten des Spiels“ (2007).
Das Buch „Machtspieler“ als Paperback beschreibt den Fußball auf 256 Seiten eindrucksvoll in Propaganda, Krieg und Revolution. Schon das Inhaltsverzeichnis wirkt wie eine Aufzählung der politischen Brennpunkte der Gegenwart. Man fühlt sich an jeden einzelnen erinnert, der, vielleicht durch unsere tagtägliche Wahrnehmung der Berichterstattung, häufig ein Schattendasein führt. Während wir allerdings in Nachrichtensendungen oft nur über die politischen Hintergründe erfahren, zeigt uns der Autor die vielfältigen Interaktionen zwischen Fußball, politischer Führung, Justiz, Militär- und Geheimdienst. Aber gerade auch konfessionelle Streitigkeiten entzünden sich häufig entlang des Fußballes.
In vielen Ländern wie Ruanda, Kosovo oder dem Iran haben Nationalmannschaften eine Symbolkraft. Den Teams gelingt es, dass sich konkurrierende Volksgruppen gleichermaßen identifizieren. Historische, politische und religiöse Unterschiede sind oft sehr komplex und durch Außenstehende kaum zu durchschauen. Gerade auch auf dem Balkan, nach dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien, begleitet der Fußball die ethnische und konfessionelle Identitätssuche. Kriegsverbrechen werden durch die Fanszenen verharmlost. Spätestens nach dem Lesen dieses Buches wird auch der letzte Skeptiker verstanden haben, dass Fußball und Politik untrennbar miteinander verbunden sind.
Fußball gilt in vielen Krisengebieten als ultimative Flucht vor dem oft angeordneten Alltag. Viele jungen Männer erkennen in Stadien ihren wichtigsten und vielleicht letzten öffentlichen Freiraum. Ultras verkörpern eine Protestkultur und stehen häufig für eine Politisierung der Gesellschaft. Sie stehen aber auch für Zusammenhalt und Zuversicht. Während der Krisenstaat oft das Nationalteam als Werkzeug für das Zurück in die internationale Gemeinschaft benutzt, stehen Ultras sehr schnell auf der Schwelle zum Terroristen und Staatsfeind. Als einige Beispiele sind hier lediglich der Iran, Syrien und Ägypten zu nennen. Die Liste ist allerdings lang und beschreibt auch immer wieder Interaktionen von Fußball, Militär und Religionsgemeinschaften.
Gerade China zeigt aktuell, dass der Fußball als Schaufenster für Expansion und Geopolitik gilt. Im Fußball kommen sich private und öffentliche Sektoren näher und die „Fußball-Diplomatie“ schafft eine Plattform dafür, dass sich Politiker leichter annähern können. So wünscht sich die Kommunistische Partei Fußball mit „chinesischen Merkmalen“. Menschenrechte und Umweltschäden werden dabei häufig ausgeklammert. Auch die Pressefreiheit bleibt beim Bau der neuen Seidenstraße auf der Strecke. So liegt China in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 177 von 180. Dabei stellt sich die Frage, ob große Sportereignisse langfristig einen Propagandaeffekt haben, den sich Autokraten und Diktatoren erhoffen.
Der unumstrittene Höhepunkt der nahen Zukunft verbindet sich mit dem
Namen Lusail. Hier findet am nördlichen Rand der katarischen Hauptstadt
Doha das WM-Finale 2022 statt. Auch in diesem Zusammenhang wird wie so
oft die Menschenrechtsfrage gestellt und von Sportfunktionären
ausweichend die Antwort gegeben, dass globale Aufmerksamkeit
Gesellschaften öffnen könnte. Ziel ist es für das kleine
Katar allerdings, Wurzeln in der Weltpolitik zu schlagen und an das Leben nach dem
Öl zu denken. Aber nicht nur Katar hat solche Bestrebungen. Auch die
Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien versuchen durch
Großveranstaltungen, Sponsorenverträge und Vereinsbeteiligungen an Macht
zu gewinnen. Dabei steht man sich durchaus feindselig gegenüber. An
diesem Konstrukt wollen natürlich auch deutsche Firmen mitverdienen und
hochkarätige Fußballclubs haben bereits ihre Visitenkarten abgegeben.
Mit dem FC Barcelona, Paris Saint-Germain und Manchester City sollen
hier nur einige wenige genannt werden. Auch für Karl-Heinz Rummenigge
fällt es immer schwerer, das Engagement des FC Bayern München in Katar
zu rechtfertigen, aber noch dominieren die Ölmillionen. Und nur mit
diesen kann man die Schnelligkeit erklären, mit der ein Staat mit gerade
einmal 2,5 Millionen Einwohnern die Verwurzelung in der Weltpolitik
erreicht hat.
Das Werk von Ronny Blaschke entwickelt sich mit zunehmendem Lesen zu einer Art Kriminalroman. Nach der Einleitung wird man in 13 Kapiteln mit immer neuen Informationen zu Brennpunkten dieser Erde konfrontiert und blickt dabei hinter die sportlichen Kulissen, die sehr akribisch aufgearbeitet werden und durch eine Vielzahl von Interviews mit Zeitzeugen zusätzliche Spannung erfahren. Ein ausführliches Quellenverzeichnis schließt das Buch ab. Langeweile ist beim Lesen von „Machtspieler“ nie aufgetreten. Für 19,90 Euro erhält man vielfältige Eindrücke von Spuren, die der Fußball in Gesellschaft, Kultur und Religion hinterlässt. Das Buch ist über den Verlag Die Werkstatt GmbH oder den Buchhandel zu beziehen.
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