BVB-Sondertrikot Finger weg vom Vorprogramm
Seit Tagen feiert der BVB sein neues Sondertrikot auf allen Kanälen ab. Rund um das Spiel gegen Hertha BSC hat er aber endgültig die Grenze des guten Geschmacks überschritten. Für eine vor dem Anpfiff inszenierte Lightshow erntete der Verein lautstarke Unmutsbekundungen.
Eigentlich hatte mein Redaktionskollege Sascha schon alles zum Sondertrikot gesagt: Es mag an Kohle und Stahl angelehnt sein, ist am Ende aber nicht mehr als teure Ruhrpottfolklore, und erst recht keine ehrliche Hommage an unsere Stadt und ihre Geschichte.
Hierbei hätte man es belassen können – hätte der BVB am Sonntag nicht endgültig die Grenze des guten Geschmacks überschritten. Kurz bevor "You'll never walk alone" begann, schaltete die Stadionregie plötzlich Teile der Lichtanlage aus. Während die Tribünen völlig ohne Beleuchtung dastanden, flimmerten während Lied und Mannschaftsaufstellung die LED-Banden in der Optik des neuen Sondertrikots. Die Scheinwerfer richteten sich auf den Mittelkreis, wo der Werbeslogan der Aktion prangte. Auch die Anzeigetafeln wurden für den Rest des Spiels in grau-orange getaucht und die Wappen beider Vereine dabei verblasst.
Die Minuten vor dem Anpfiff gehören der Mannschaft und den Fans. Die Südtribüne ist weltbekannt für ihr schwarz-gelbes Schal- und Fahnenmeer während "You'll never walk alone". In dieses Ritual, das für die meisten Anhänger*innen im Stadion liebgewonnene Tradition ist, grätscht man nicht so mir nichts, dir nichts rein.
Norbert Dickels Ankündigung, mit der Lightshow habe man sich für die Fans etwas ganz Besonderes überlegt, wirkte absurd angesichts der Tatsache, dass viele von dem Spektakel eher überrumpelt wirkten. Ein gut hörbarer Teil der Südtribüne reagierte gar mit einem "Ihr macht unser'n Sport kaputt". Darauf hätte man beim BVB auch vorher kommen können. Zumal es gute Gründe gibt, warum Borussia Dortmund im Gegensatz zu anderen Vereinen immer auf Lightshows verzichtet hat: Sie lenken den Fokus von den Fans und sind völlig austauschbar.
Machen wir uns nichts vor: Weder ging es dem BVB vorrangig darum, seinen Fans eine Freude zu bereiten, noch wollte er Bergleuten und Stahlarbeitern ein Denkmal setzen. Er wollte damit einzig und allein sein Produkt vermarkten. Das ist grundsätzlich auch nicht verwerflich. Wie alle wissen, dass Fußballunternehmen keine uneigennützigen Samariter sind. Doch während man den Werbesturm bei Instagram, Twitter und Co. zuvor einfach ignorieren konnte, wurde es einem am Sonntag förmlich aufgezwungen.
Es gibt Dinge, die verdienen es, unmittelbar vor einem Spiel exklusiv gewürdigt zu werden: sportliche Leistungen, Menschen, die sich im Hintergrund für den BVB engagieren, oder symbolische Aktionen gegen Diskriminierung. Das Abfeiern eines Sondertrikots gehört aber definitiv nicht in diese Reihe – völlig egal, wie schön es aussieht oder wie erfolgreich es verkauft worden ist. Die Verantwortlichen müssen sich vorwerfen lassen, das Stadion zweckentfremdet und die eigenen Fans benutzt zu haben.