Zum Spiel gegen Hertha BSC trägt Borussia Dortmund ein Sondertrikot Ruhrpottfolklore für Reiche
Gegen Hertha läuft der BVB mit einem Sondertrikot auf, dass an die "Kohle und Stahl"-Vergangenheit der Stadt erinnern soll. Bis auf die Optik hat das Trikot dabei allerdings mit der Generation der Bergleute und Stahlarbeiter nichts zu tun.
Nach sieben Siegen in Folge geht es Sonntag auf zum Heimspiel gegen den kriselnden Hauptstadtclub aus Berlin. Egal, wie unsere Mannschaft spielt, eins ist auf jeden Fall neu: das Trikot. Nachdem es zuletzt eine limitierte Sonderedition gab, wird der BVB erneut in einem komplett schwarzen Trikot mit silberner Bedruckung und einer an einen Kohleflöz erinnernden Druckoptik auflaufen. Zwar ist Dortmund eher als Stahl- und Bierstandort bekannt, aber natürlich ist auch die Kohleförderung untrennbar mit der Dortmunder Stadtgeschichte verbunden. Der BVB spielt die Traditionskarte, was sicherlich nicht per se verwerflich ist. Dennoch ist diese ganze Geschichte eigentlich ein Tritt in den Allerwertesten von allem, was man unter „Ruhrpott“ versteht.
Gut ist, dass man
diesmal darauf verzichtet hat, die Stückzahl so streng wie zuletzt zu limitieren und man somit deutlich mehr Fans die Chance gibt, eins dieser Trikots zu erwerben. So gar
nicht ruhrpottlike ist aber der Preis von stolzen 89,99 €. Wir
brauchen erst gar nicht darüber reden, dass es eh der blanke
Wahnsinn ist, was die Vereine dafür aufrufen, dass man für sie und
ihre Sponsoren Reklame läuft, wenn man ein neues Trikot kauft und
dass die Preise in überhaupt keinem Verhältnis mehr zum
Materialwert stehen – aber wenn man sich in der Bewerbung für
dieses Sondertrikot extra darauf beruft, dass „diese Stadt […]
die Menschen dieser Zeit nie vergessen wird“, dann sollte man schon
mehr bieten als pures PR-Geschwafel.
Mein Opa war
Bergmann, wenn auch nicht in Dortmund, aber in Hamm. Meine Großeltern
haben in einer klassischen Zechensiedlung gewohnt und wenn man aus
dem Wohnzimmerfenster geguckt hat, dann sah man den Förderturm von
Schacht Franz. Und ich weiß ziemlich genau, was er dazu gesagt
hätte, wenn ich damals überlegt hätte, mir ein Fußball-T-Shirt
für über 100 DM zu holen. Etwas in der Art von „Sach mal, dir ham
se wohl ne Schüppe übern Kopf gezogen.“ Vielleicht hätte er
etwas andere Worte genutzt, aber der Tenor wäre immer der gleiche
gewesen. Völliges Unverständnis darüber, soviel Geld für ein
Kleidungsstück auszugeben. Meine Großeltern waren nicht arm, aber
reich sicherlich auch nicht. Es war ein gutes, dennoch einfaches
Leben, in dem für größere Anschaffungen lange gespart werden
musste. Bei ihren Nachbarn war es genauso.
Wenn der BVB auf
diese Tradition verweist, dann sollte er das auch authentisch machen.
Mit einem Trikot zu einem Preis, den sich auch die Einkommensgruppen
leisten können, in denen die Kohle- und Stahlarbeiter beheimatet
waren. Da muss man noch nicht einmal die massiven Preiserhöhungen
der letzten beiden Jahre bei Gütern des alltäglichen Bedarfs
hinzuziehen, um festzustellen, dass die nahezu 90 € weit über dem
Möglichen für diese Menschen liegen. So ist es nichts anderes als
sinnentleerter Ausverkauf von Ruhrpottfolklore für die gehobene
Mittelschicht.
Wer das Geld für so
ein Trikot über hat, der ist vielleicht ein gern gesehener Kunde von
Borussia Dortmund, hätte damals aber sicherlich niemals auf einer
Zeche, oder an einem Hochofen gearbeitet. Wenn man sich an die
Menschen dieser Zeit erinnert, dann bitte richtig – und wenn man
sich in ihre Tradition stellen will, dann auch konsequent.