Spielbericht Profis

... keiner weiß warum!

23.01.2022, 13:46 Uhr von:  NeusserJens

Fußball ist ein Ergebnissport. Na klar. Und, das muss man Marco Rose und seinem Team lassen, in der Bundesliga stimmen diese Ergebnisse. Nach dem Aus im Pokal unter der Woche war an diesem Samstag jedoch eine Reaktion gefragt, die vielleicht mehr benötigt hätte als nur 3 Punkte im Gepäck. Diese ist jedoch nur bedingt erfolgt. Doch ganz von vorn.

Die Ausgangslage

Aus Fan-Sicht ist das Auswärtsspiel in Sinsheim seit eh und je eine ziemlich beschissene Reise: Ein Verein, den niemand braucht; in einem Stadion, das so auch in Wolfsburg oder Duisburg steht; mit Fans, die sich voll und ganz ihrem Mäzen verschrieben haben – und seit dem Widerruf der Bewährung in Folge der lächerlichen Kollektivstrafe für mutmaßliche Beleidigungen aus dem Gästeblock auch ohne diese nervige Pandemie für die Spielzeiten 2020/21 und 21/22 ohne Gästefans. Was damals schon nicht als großer Verlust gewertet wurde, tut in Zeiten von Corona-bedingten Zuschauerbeschränkungen noch viel weniger weh. Die anwesenden 500 in der Arena auf dem Sinsheimer Hügel hielten es demnach komplett mit dem künstlich aufgepumpten "Traditionsverein" von 1899. Dietmar Hopp bleibt dabei selbstverständlich auch weiterhin der Sohn einer herzensguten Frau.

Bei der Borussia hatte sich neben dem Pokalaus am Dienstag auch an anderer Stelle eine Veränderung ergeben: Ansgar Knauff wurde auf Leihbasis an den Ligakonkurrenten Eintracht Frankfurt verliehen, wo er laut BVB-Trainer Marco Rose "mehr Spielzeit bekommt als bei uns" und dadurch in Frankfurt den nächsten Schritt seiner Weiterentwicklung machen soll. Der Abgang eines der wenigen wirklichen offensiven Flügelspielers aus dem Kader macht die personelle Situation in der Offensive ein wenig verzwackter, stehen Marco Rose nun überwiegend Spieler zur Verfügung, die sich eher durch die Mitte ihren Weg zum Tor suchen.

Fiel spontan aus: Thomas Meunier

Für das Hoffenheim-Spiel konnte der BVB zumindest bei Spielbeginn beinahe aus dem Vollem schöpfen: Mo Dahoud, der gegen Sankt Pauli noch mit Rückenschmerzen ausgefallen war, stand von Beginn an auf dem Platz. Gefehlt haben dagegen weiterhin Emre Can nach seinem Muskelfaserriss im Spiel gegen Freiburg und Giovanni Reyna, der sich im Aufbautraining befindet. Außerdem konnte Thomas Meunier aufgrund muskulärer Probleme kurzfristig nicht antreten – seinen angestammten Platz rechts in der Viererkette übernahm Marius Wolf und bewies dabei eindrucksvoll, wieso er von euch zum Spieler mit der drittschlechtesten Frisur der Hinrunde gewählt wurde.

Das ergab beim BVB dann – bis auf Meunier – die wahrscheinlich bestmögliche Aufstellung, die dieser Kader hergibt, angeordnet in dem zuletzt üblichen 4-3-3/4-1-4-1: Kobel - Wolf, Akanji, Hummels, Guerreiro - Dahoud, Brandt, Bellingham - Reus, Haaland, Malen

Erste Halbzeit

Die Borussen begannen, wie man es in dieser Saison eigentlich schon gewohnt ist – und wie man es nach dem Pokalaus erwartet hatte: zielstrebig, spielfreudig und offensiv. Haaland presste gemeinsam mit dem aus der Zentrale nachschiebenden Bellingham hoch, während Reus und Malen auf den Flügeln Druck machten. Das sah grundsätzlich engagiert, kontrolliert und dominant aus.

Unauffällig, Torschütze, verletzt: Erling Haaland

Die frühe Führung des BVB fiel jedoch nicht aus einer Umschaltsituation, sondern in Folge einer Kombination zum Zunge schnalzen. Haaland spielte den Ball rechts außen an der Mittellinie ins Zentrum und nahm Fahrt gen Tor auf, während Brandt das Leder via Doppelpass mit Bellingham zu Guerreiro beförderte. Der wiederum passte raus zu Malen, überlief ihn, wurde angespielt und legte den Ball mit der Hacke zurück – doppelter Doppelpass. Malen wiederum spielte mit einem Kontakt zu Bellingham und startete in die Lücke, in der er mit einem weiteren Doppelpass von Jude gefunden wurde und flankte dann scharf flach vors Tor, wo der freistehende Haaland nur noch einschieben musste. In der Entstehung ein absolutes Traumtor zum 0:1 in der 6. Minute, Haaland traf dabei zum 80. mal im 79. Spiel für schwarzgelb.

Traurigerweise sollte dies der einzige Torschuss für den BVB in der ersten Halbzeit bleiben. Nach ein paar weiteren Minuten brotloser Spielkontrolle mit erkennbar weniger Zug zum Tor begannen die Hausherren, das Heft des Handelns von Minute zu Minute eindeutiger an sich zu reißen. Der verletzungsbedingt in der 09. Minute eingewechselte Rutter sollte dabei besonderer Unruheherd für die gewohnt wackelige BVB-Defensive werden, nach einer Ecke von links fand sein Kopfball in der 11. Minute zum Glück nur den Pfosten; nach einem Traumpass von Geiger wollte er in der 40. Minute den mitgelaufenen Kramaric bedienen – der Pass konnte allerdings mit einer Glanztat von Akanji noch ins Toraus abgefälscht werden. Eine wirkliche Weltklasseaktion des Schweizers.

Der zuletzt mit Ladehemmungen kämpfende Kramaric wiederum sollte dann noch gefährlicher für den BVB werden: Zuerst brachte er in der 23. Minute nach einer kurzen Ecke eine gefährliche Flanke vor das Tor, die von Richards an die Latte geköpft wurde – zum zweiten Mal Aluminiumglück für den BVB –, bevor er dann in der 46. Minute selbst eine Bebou-Flanke von rechts freistehend und volley im rechten unteren Eck versenkte. 1:1, Marius Wolf hatte dem Kroaten viel zu viel Platz gelassen und somit den längst überfälligen Ausgleich für den Retortenclub möglich gemacht.

Zweite Halbzeit

Das Bild änderte sich im zweiten Abschnitt zunächst wenig. Die erste Gelegenheit hatte erneut der auffällige Rutter, und auch sonst schien der BVB erhebliche Probleme mit den Gastgebern – oder dem eigenen Spielaufbau – zu haben. Nachdem Malen in der 55. Minute im Strafraum nach Körperkontakt mit Richards zu Fall kam, entschied der gewohnt souveräne Aytekin nicht auf Strafstoß und lag damit wohl zumindest nicht falsch. Der Videoassistent zumindest sah keinen Grund, seine Entscheidung umzukehren.

Marco Rose reagierte personell und taktisch auf die schwache Leistung der Borussen. Hazard und Zagadou kamen für die unauffälligen Brandt und Wolf, der BVB stellte um auf eine Dreierkette. Guerreiro und Hazard fungierten nun als Schienenspieler, während Reus und Malen ein wenig zentraler agierten.

Effizient wie zu besten Zeiten: Marco Reus

Und der Wechsel zeigte sofort Wirkung. Einen scharfen Vertikalpass von Hummels durch die Mitte ließ Haaland kurz auf Malen klatschen, welcher wiederum Reus in die Tiefe schickte und dem Kapitän so die Gelegenheit gab, mit dem zweiten Torschuss des BVB den zweiten Treffer zu erzielen. 1:2, 56. Spielminute und die zweite Vorlage von Malen am gestrigen Tag.

Es sollte nicht die letzte bleiben. Nachdem Haaland in der 63. Minute wegen einer Leistenverletzung vom Platz musste, zog Malen in der 67. Minute einen Sprint aus dem linken Halbfeld in den Strafraum an. Seine flache, scharfe Hereingabe in den Fünf-Meter-Raum sollte eigentlich den einlaufenden Hazard finden, wurde dann jedoch vom Hoffenheimer Raum ins Netz bugsiert. 1:3 für den BVB, ohne überhaupt selbst einen dritten Torschuss abgegeben zu haben. Das nennt man wohl Effizienz.

Musste verletzt vom Platz: Manuel Akanji

Die Führung hatte sich – vor allem in der Höhe – weder angedeutet, noch war sie wirklich gerechtfertigt. Dennoch waren die Hausherren damit zuerst ein wenig bedient. Leider kam auch von der Borussia nicht viel mehr, sodass Hoffenheim langsam wieder ins Spiel fand und durch den bereits mehrfach erwähnten Rutter zum Anschlusstreffer kam. Dabbur hatte den Ball über die Dreierkette gehoben, Guerreiro das Abseits aufgehoben und Zagadou nur noch die Rücklichter von Rutter gesehen: 2:3 in der 77. Spielminute.

In der 83. Minute kam Pongracic für den verletzten Akanji und Moukoko ersetzte den sehr, sehr starken Malen, Akzente konnten beide Einwechselspieler aber nicht mehr setzen. Hoffenheim versuchte noch mal was, blieb an dieser Stelle spielbestimmend, kam aber glücklicherweise nur noch einmal gefährlich vor das Tor der Borussen. Der eingewechselte Rudy setzte seinen verdeckten Flachschuss links neben das Tor.

Was vom Tage übrig blieb

3 Punkte, Auswärtssieg,... und keiner weiß so wirklich warum. Nach einer guten Anfangsviertelstunde verlor der BVB vollkommen Zugriff, Kontrolle und Offensivdrang, erzielte aber dennoch irgendwie 3 Tore mit 2 Torschüssen. Wäre da nicht diese gnadenlose Effizienz gewesen, die durch den beeindruckenden Malen heraufbeschworen wurde, wäre das erneut ein verdienter Punktverlust für die Borussia geworden. Aber – und so schließt sich der Kreis – die Ergebnisse stimmen in der Bundesliga auch bei schlechten Spielen des BVB.

Bester Borusse des Tages: Donyell Malen (r.)

Das Problem ist, dass diese schlechten Spiele zuletzt eine besorgniserregend große Anzahl erreichen. Nicht immer wird man einen Rückstand wie gegen Frankfurt drehen können oder mit jedem Schuss ein Tor erzielen, schön anzusehen ist das erst recht nicht. Dass die Männer auf dem Platz es eigentlich können, beweisen so Geniestreiche wie das grandiose erste Tor gestern.

Trotzdem wird Marco Rose die kommenden zwei Wochen ohne Pflicht- oder Länderspiele nutzen müssen, um mehrere Probleme des BVB konkret anzugehen. Neben der katastrophalen Defensive (mehr Gegentore zum gleichen Zeitpunkt gab es zuletzt in der Saison 2007/08) scheint auch das Aufbauspiel zunehmend ins Stocken zu geraten. Auf Einzelaktionen und Geistesblitze sollte das Offensivspiel eigentlich nicht allein beruhen. Dass der BVB damit bis hierhin durch kommt und bereits 10 Punkte Vorsprung auf Platz 5 hat, ist einzig der Ausgeglichenheit der übrigen Liga zu verdanken. Am 21. Spieltag kommt es im Westfalenstadion zum Topspiel 2. gegen 3., wenn Leverkusen in Dortmund zu Gast ist.

Dann hoffentlich mit Akanji, Haaland und einer gehörigen Portion besserem Fußball.

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