Feine Klinge gegen aggressives Pressing: Borussia teilt die Punkte mit starken Frankfurtern
Und wieder einmal wurden jene Lügen gestraft, die sich – ganz loserlike – schon vor Beginn der Rückrunde sicher waren, dass der BVB in der Tabelle schon bald wieder hinter dem FC Bayern rangieren würde. Die Frankfurter Eintracht entpuppte sich zwar als genau der harte Gegner, der zu erwarten war, doch zeigten auch die Schwarzgelben eine Menge Biss. Beide Mannschaften hätten einen Sieg verdient gehabt, doch blieb es am Ende bei einem gerechten Unentschieden. Ein gutes Resultat für den BVB, der sich in Frankfurt zuletzt immer schwer getan hatte, und ein goldener Punktgewinn obendrein, da die Bayern in Leverkusen untergingen. Sieben Punkte Vorsprung, ein besseres Torverhältnis und 4 Punkte aus zwei schweren Auswärtsspielen – auch 2019 liegt der BVB absolut im Soll.
Die Zuschauer sahen in der ersten Halbzeit ein mitreißendes Spiel, dessen unzählige Chancen sich hier gar nicht wiedergeben lassen. Die großen Linien waren jene: Marco Reus, Axel Witsel und Paco Alcácer wirbelten die Frankfurter Defensive gehörig durcheinander. Abdou Diallo und Achraf Hakimi reihten an einem rabenschwarzen Tag Lapsus an Lapsus und ermöglichten den Frankfurtern immer wieder den Zug aufs Tor. Roman Bürki hielt, was zu halten war. Sebastian Rode, Luka Jovic, Danny da Costa und Ante Rebic waren immer dort zu finden, wo es für den BVB gefährlich wurde.
Das muntere Spiel begann direkt mit dem Spiel: Alcácer presst und bricht durch, Reus marschiert in Richtung Tor, strauchelt in aussichtsreicher Gelegenheit im 1:1 – es waren gerade einmal 10 Sekunden gespielt. Hakimi, der sich alleine in den ersten fünf Minuten drei schwere Patzer leistete, ermöglichte wiederum Frankfurter Großchancen: In der 3. Minute konnte Bürki stark parieren, als Danny Da Costa im Strafraum zum freien Schuss kam. Sekunden später stand Jovic frei und setzte den Ball aus aussichtsreicher Position über das Tor. Für eine Verschnaufpause sorgte Witsel, der sich den Ball schnappte und das Spiel in die Frankfurter Hälfte verlagerte. Doch lange blieb es nicht dabei: In der 9. Minute musste Bürki vor dem Strafraum in höchster Not klären; abermals nur Sekunden später tankte sich Rode durch den schwarzgelben Strafraum, tunnelte Witsel und hatte Borussia Glück, den Ball aus der Gefahrenzone bugsieren zu können.
Wir bleiben in der Anfangsviertelstunde, die nicht nur klar an die Eintracht ging, sondern auch mehr zu bieten hatte, als so mancher Kick über die vollen 90 Minuten. Alcácer brachte eine Ecke Jadon Sanchos aufs Tor, Trapp konnte den Ball jedoch festhalten. Gelson Fernandes Ellenbogen landete in Thomas Delaneys Gesicht. In der 12. Minute erreicht Sanchos Reingabe Alcácer, der den Ball mit der aus kurzer Distanz aufs Tor bringen will – Makoto Hasebe klärt in höchster Not zur Ecke. Kurz darauf fummelte Reus den Ball auf Sancho, der freie Bahn zum Durchmarsch hatte, sich im Strafraum aber festlief – in der Mitte wäre Alcácer frei gewesen.
Wie ernst es die Frankfurter meinten, zeigte eine Szene in der 18. Minute: Abstoß Bürki, 9 Frankfurter stehen in der Dortmunder Hälfte. Und Sechser Rode fünf Meter vor dem Dortmunder Strafraum. Ein vergleichbar aggressives Pressing gegen den BVB habe zumindest ich schon lange nicht mehr in Erinnerung, zumal es sich wie ein roter Faden durch die Anfangsphase zog und gerade Hakimi und Diallo immer wieder in akute Bedrängnis brachte.
Es bedurfte einer schwarzgelben Glanzleistung, sich aus diesem Sturmlauf zu befreien. Und sie kam in der 22. Minute: Witsel setzt Reus in Szene, doppelter Doppelpass mit Rephael Guerreiro, Reus vollendet per Tunnel zum 0:1. Wie fickerig sich Guerreiro und Reus gegen Hasebe, Martin Hinteregger und Evan Ndicka durchsetzten, wie gut alles ineinander griff – es war schon sehr nett anzusehen, was die Borussen in diesem Moment zu bieten hatten.
Die Hausherren wirkten nun etwas von der Rolle, während Borussia Blut geleckt hatte: Nur zwei Minuten nach dem Führungstreffer schoss Hinteregger Rode an, der Ball prallte zurück hinter die Abwehr. Reus marschierte los, rannte alleine auf Trapp zu und hätte zum 0:2 vollstrecken müssen, legte den Ball aber rund zwei Meter links am Tor vorbei. Sekunden später setzte Witsel Sancho in Szene, der frei von rechts auf Reus abgeben konnte – diesmal traf Reus die Latte. Drei Minuten später, Reus vierte Großchance: Nach Foul Rodes an Sancho, schnappte sich Guerreiro den Ball zum Freistoß. Die schwarzgelbe Offensive zog die Abwehr in Richtung Tor, Reus stand abermals mutterseelenallein im Strafraum und konnte abziehen – diesmal landete der Ball aber deutlich über dem Tor. So viel Glück der BVB in der Anfangsphase auch hatte – die Eintracht hätte sich nicht beschweren können, nun bereits mit drei Toren hinten zu liegen.
Doch rund um die 30. Minute endete die Dortmunder Herrlichkeit, während Frankfurt wieder aufzuwachen gedachte. Ein missglückter Befreiungsschlag Delaneys traf Rebic auf Höhe der Weichteile, Chance SGE. Ein folgender Konter der Borussen endete mit Ballverlust, der Ball flog sofort zurück in den Dortmunder Strafraum und dort verlor der beste Defensivmann Julian Weigl den Ball an Rebic – Bürkis nächste Glanztat konnte den Ausgleich verhindern. Vier Minuten später war es dann dennoch so weit: Eine Ecke der SGE streifte die Latte, die Eintracht blieb dran und brachte den Ball hoch vors Tor, wo Jovic den Ball aus kurzer Distanz vorbei an Trapp zum Ausgleich befördern konnte.
Mit einem offenen Schlagabtausch, in dem sich beide Seiten nichts schenkten, ging es in Richtung Halbzeit, die aufgrund eines echten Schockmoments vor Ablauf der Nachspielzeit begann. Wieder einmal hatte Hakimi einen Zweikampf gegen Rode verloren, fiel diesmal aber so unglücklich, dass er Rodes Ellenbogen mit voller Wucht an die Schläfe bekam. Rode, der Hakimis Fall nicht sehen konnte, traf wohl keine Schuld, doch Hakimi blieb auf dem Bauch liegen und bewegte sich rund zwei Minuten kaum vom Fleck. Da Hakimi nach dem Zusammenstoß auch noch seinen Kopf ruckartig nach hinten verrissen hatte, unterbrache Felix Zwayer das Spiel unter lautstarken Pfiffen der Frankfurter und winkte sofort ärztliche Unterstützung herbei. Nach Ansicht der Bilder herrschte einigermaßen Gewissheit, dass Hakimis ungewohnt schwarzer Tag ein vorzeitiges Ende haben würde. Doch wie hätte er ohne großen Umbau adäquat ersetzt werden sollen, wo Marcel Schmelzer, der mit seiner ganzen Routine der schwarzgelben Defensive mehr als gut getan hätte, nicht einmal im Kader stand?
So blieb in der Halbzeit auch Gelegenheit für den Blick auf die Tribünen. Die Hausherren machten einen recht ordentlichen Eindruck. Noch immer weit entfernt von dem, was die Frankfurter Kurve vor einigen Jahren ausmachte, doch gefühlt ein gutes Stück besser, als in den vergangenen Partien. Große Spruchbänder für die Gruppe Aufenthaltsverbot sowie die Forderung nach einem Aufenthaltsverbot für den Innenminister bekannten Farbe, ansonsten ein optisch wie akustisch ansprechender Auftritt. Der sportliche Aufschwung mit Pokalsieg und Punkterekord in der Europa League hat zu Euphorie geführt, nach dem Spielende waren nicht wenige stolze Stimmen der Sorte „wenn wir so gegen Dortmund spielen, wichsen wir Donetsk weg“ zu vernehmen.
Ein gänzlich anderes Bild zeigte sich im Gästeblock, der seinen Höhepunkt bereits vor Spielbeginn erlebte. Eine nett anzusehende Choreo der Jubos mit dem Motto „all the way up“ stimmte auf den Meisterschaftsendspurt sowie die anstehenden Spiele in den Pokalwettbewerben ein. Doch blieb es über die gesamten 90 Minuten einer von drei (!) Momenten, in denen der Gästeblock auf der Haupttribüne überhaupt zu hören war – den Torjubel eingeschlossen. Das war bei vergangenen Auftritten in Frankfurt deutlich anders! Hüpfte der schwargelbe Anhang in der ersten Halbzeit wenigstens noch ein das eine oder andere Mal, war im zweiten Durchgang nicht einmal mehr das zu sehen. Das untere Drittel des Unterrang mühte sich und wirkte lebendig, alles dahinter war spätestens zur Halbzeit regungslos geworden. Das war einfach gar nichts. Und kann durchaus als Beleg gesehen werden, dass die Stimmungskritik der vergangenen Woche sehr wohl einen wunden Punkt getroffen hatte: Die Zahl der Stadiontouristen hat beim BVB scheinbar wieder zugenommen, ebenso wie die Sattheit der alteingesessenen. Machen wir uns nichts vor: Dieser Auftritt des Gästeblocks (den unteren Bereich des Unterrangs ausgenommen), passte nicht zu diesem Spiel und erst recht nicht zur sportlichen Situation.
Die zweite Halbzeit begann indes mit einer Überraschung: Hakimi, vor dem Pausenpfiff noch schwer benommen, kam zurück aufs Feld und spielte die vollen 90 Minuten durch. Das Spiel verlor nun insgesamt an Tempo, die Defensiven wirkten disziplinierter und wesentlich besser geordnet. Ausnahmen wie die 54. Minute, als Witsel nach Foul am Boden lag, in Ruhe aufstehen konnte und nach Zuspiel frei zum Torschuss kam (mit anderen Worten: die Eintracht naiv verteidigte), bestätigten diese Regel.
Beiden Offensiven fehlten nun im Kern die zündenden Ideen. Nach einer Frankfurter Ecke kam Rode ans Leder, lupfte den Ball in Richtung Tor und landete mit seinem Schuss doch recht weit rechts vor Kasten. Zuvor war Rebic steil geschickt worden, hatte den Ball an die Hacke bekommen und unfreiwillig über seinen Kopf nach vorne gelegt – die kurzen Augenblicke, die er benötigte, um den Ball plötzlich vor den eigenen Füßen zu finden, ließen ihn dennoch zum Abschluss und Bürki zu einer weiteren Großtat kommen. Auf der Gegenseite hatte Hakimi eine starke Offensivszene, doch setzte er den Ball in der 65. Minute knapp über den Kasten.
Borussia fehlten mit zunehmender Spieldauer auch die Mittel, um sich gegen die starke Frankfurter Defensive durchzusetzen. Zu einer echten Torchance kam nur noch Alcácer, der einen von Reus herausgeholten Freistoß aus rund 27m so scharf in Richtung Tor brachte, dass ein Teil des Stadions den Ball bereits im Kasten gesehen hatte – leider war die Pille aber nur auf dem Tornetz gelandet. Auf der Gegenseite kam die Eintracht in der 72. Minute zu zwei guten Gelegenheiten und hatte Borussia Glück, nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Bis zum Abpfiff blieb es damit beim Bild, dass die Eintracht Borussia hinten festnagelte und auf Sieg spielte, sich aber nicht mehr nennenswert durchsetzen konnte. Beide Mannschaften waren letztlich mit dem 1:1 zufrieden, haderten aber auch mit ihren zahlreichen vergebenen Chancen – die Eintracht hätte nach einer Viertelstunde gut und gerne mit zwei Toren vorne liegen, Reus binnen sechs Minuten viermal den Ball in die Maschen hämmern können. Die Eintracht hatte dem BVB alles abverlangt und sich als bislang härtester Gegner dieser Bundesligasaison entpuppt. Auch so eine Entwicklung, mit der man vor der Saison nicht notwendigerweise hätte rechnen müssen.
Statistik
SGE: Trapp - Hinteregger, Hasebe, Ndicka - Fernandes - da Costa, Rode, Kostic - Jovic - Haller, Rebic
Wechsel: Gacinovic für Jovic (55.)
BVB: Bürki - Piszczek, Weigl, Diallo, Hakimi - Witsel, Delaney - Sancho, Reus, Guerreiro - Alcacer
Wechsel: Pulisic für Sancho (65.), Bruun Larsen für Guerreiro (77.), Götze für Alcacer (86.)
Tore: 0:1 Reus (22.), 1:1 Jovic (36.)
Gelbe Karten: Fernandes, Rode - Delaney, Weigl