Abteilung Schwachsinn
Er hat es mal wieder getan. Uli Hoeneß hat eins seiner berüchtigten Polterinterviews gegeben, mit denen er meint, der Welt erklären zu müssen, wie sie zu funktionieren habe. Konkret ging es um das weltbewegende und äußerst wichtige Thema Marc-André ter Stegen gegen Manuel Neuer in der Nationalmannschaft. Kann man ter Stegens Frust, als Stammkeeper eines der besten Vereine der Welt in der Länderauswahl dauerhaft zur Nummer 2 degradiert zu sein, zwar noch vollziehen, ist es im Kern ziemlich albern, dass so eine Personalie zu einem großen Medienthema wird. Es geht um Fußball und um die Nationalmannschaft, da wird es schon eine gesellschaftliche Relevanz haben, so die vermutlich gängige Logik.
Nun also auch noch der Hoeneß. Einst die berüchtigte „Abteilung Attacke“ des FC Bayern München, deren Aussagen zwar immer laut polternd daher kamen, aber auch stets irgendwo einen wahren Kern, einen „hard fact“ hatten, über den man diskutieren kann. Es ist allerdings schon ein paar Jährchen her, dass sich Hoeneß und auch Karl-Heinz Rummenigge noch um Banalitäten wie Sinn und Logik scherten und sich auf ins Land des unbegrenzten Schwachsinns begeben haben. Das absolut Erstaunliche daran: es scheint medial niemanden wirklich zu interessieren. Sobald einer der beiden etwas Druckreifes abgesondert hat, landet es ohne weitere Qualitätskontrolle, sprich sachliche Einordnung, 1:1 so in der Tagespresse. Wird schon stimmen, was die sagen.
Dabei offenbart Hoeneß in seinen neuesten Äußerungen ein irritierendes Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit.
und
Hier von der süddeutschen Presse sehe ich gar nichts, überhaupt keine Unterstützung.
Nun, es ist auch zum Teil selbstverschuldet, dass in Herrn Hoeneß‘ Augen die lokalen Berichterstatter nichts weiter als Erfüllungsgehilfen des eigenen Willens sind. Aber es ist mit Sicherheit nicht die Aufgabe einer Presse, Marketingarbeit für eine Fußball-AG und deren millionenschwere Fachkräfte zu übernehmen. Selbstverschuldet, weil die Fußballberichterstattung auf lokaler Ebene eben früher genau auf diese Art und Weise funktionierte. Ein paar Internas aus der Kabine und der Informant konnte sich auch nach einer indiskutablen Leistung einer relativ wohlwollenden Berichterstattung des Reporters sicher sein. Es ist ein schmaler Grat zwischen journalistischer Arbeit und einem notwendigen Geben und Nehmen – und leider wurde dieser Mittelweg viel zu oft verlassen und man verkumpelte sich mit Vereinen und Spielern. Trotzdem ist es bizarr von Hoeneß, daraus eine Verpflichtung abzuleiten, sich regional doch bitte auf die Seite des FC Bayern und seiner Spieler zu stellen. Erst Recht, wenn man seinerseits die Medien immer weiter von Informationen abschneidet und versucht, die Berichterstattung möglichst über eigene Kanäle laufen zu lassen.
Aber nicht nur die Presse bekommt ihr Fett weg, auch ter Stegen direkt wird angegriffen:
Ich finde es unmöglich, dass man so ein Thema in die Öffentlichkeit bringt. Er hat überhaupt keinen Anspruch, dort zu spielen.
Schon eine starke Leistung, Respekt für die eigenen Spieler einzufordern und ihn gleichzeitig anderen Spielern gegenüber völlig vermissen zu lassen. Natürlich kann man die Frage, ob ein fitter Manuel Neuer oder ein Marc-André der bessere Torhüter ist, diskutieren und dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, aber einen Spieler, der es beim FC Barcelona zum Stammtorwart geschafft, dort die Champions-League, sowie vier Meisterschaften und vier Pokalsiege gewonnen hat – und so ganz nebenbei 2017 während des Confed-Cups das Nationalmannschaftstor hütete, jeden Anspruch auf den Platz zwischen den Pfosten abzusprechen, ist schlicht und ergreifend ganz großer Unsinn.
Und wo er sich gerade so schön in Rage geredet hat, fällt auch noch dieser schöne Satz:
Jetzt dasselbe wieder mit Manuel Neuer. Dass man das zulässt, dass ein Mitspieler in die Öffentlichkeit geht, für ein Thema, das er nur mit dem Jogi Löw zu besprechen hat, das ist nicht in Ordnung.
Bitte was? Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Es ist nicht in Ordnung, dass der DFB es „zulässt“, dass ter Stegen seine Meinung öffentlich äußert. Halloooohooo….., da ist wohl jemand ein paar Mal zu oft im Winter in Katar gewesen. Dieser oft angeführte Austausch der Werte scheint in beide Richtungen zu funktionieren und Herr Hoeneß findet die dortige Einstellung zur freien Meinungsäußerung anscheinend ziemlich knorke. Ter Stegen ist ein mündiger Bürger, dem der DFB mit Sicherheit nicht zu sagen hat, was er wann welchem Medium gegenüber erzählen darf und was nicht.
Dabei ist es nicht einmal ein Jahr her, dass Rummenigge und Hoeneß in der ebenso legendären wie grenzdebilen Pressekonferenz groß Artikel 1 des Grundgesetzes zitiert haben. Offensichtlich hat man mit dem Studium dieses großartigen Werkes aber auch direkt nach dem Punkt mit der Menschenwürde aufgehört und ist nicht bis Artikel 5 gekommen.
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Vielleicht sollten sich die beiden Meckerrentner von der Säbener Straße mal Zeit nehmen und sich intensiver einlesen. Es könnte in der Zukunft zumindest die schlimmsten Auswüchse der Abteilung Schwachsinn verhindern.