Fehlfarben

Tedesco - der Schleckermann am Spielfeldrand

11.12.2018, 22:06 Uhr von:  Sascha
Tedesco - der Schleckermann am Spielfeldrand

Domenico Tedesco leistet in Gelsenkirchen vorzügliche Arbeit. Also wenigstens, wenn man es mit unseren Borussen hält. Ansonsten ist das Ergebnis seiner Tätigkeit eher zum Davonlaufen.

Es war 2012 als die Politikerin Ursula von der Leyen, damals noch als Arbeitsministerin, einen ebenso veritablen wie verdienten Shitstorm erntete, weil sie vorschlug, dass die „Schleckerfrauen“ doch fix zu Erzieherinnen umschulen könnten, um dort den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Die Frage, was denn mit den Männern, die vormals beim Drogerie-Discounter arbeiteten, passieren sollte, hat jedoch niemand gestellt. Schaut man sich die Spielweise unserer blauen Nachbarn an, ist jedoch absolut denkbar, dass einige von ihnen in einem Crashkurs zum Fußballleherer umgeschult wurden.

Gut, wir wissen ehrlich gesagt nicht, ob Domenico Tedesco jemals Glasreinigerflaschen in Regale geräumt hat, bevor er über Erzgebirge Aue in Gelsenkirchen landete. Aber dass der dort gezeigte Fußball das Ergebnis einer profunden Übungsleiterausbildung sein soll, mag man kaum glauben. Ja, natürlich kommen jetzt die Verweise auf die beste Halbzeitansprache der Welt im Hinrundenderby der letzten Saison, sowie den ernsthaft überschwänglich gefeierten Titel als Vizemeister der Saison 2017/2018. Aber schon damals hatte man mit gerade einmal 53 Toren die wenigsten Treffer aller Mannschaften auf den ersten sechs Plätzen erzielt. Eine Vielzahl dieser torarmen Ergebnisse kam auch nicht durch ein überlegenes Spielsystem zu Stande, sondern waren die Folge einer enormen Stärke bei Standardsituationen. Natürlich ist auch das das Ergebnis einer gewissen Trainerarbeit, aber Eckbälle und Freistöße von einem fast 2 Meter großen Innenverteidiger ins Tor köpfen zu lassen, ist jetzt auch nicht gerade das Meisterstück für Taktikfüchse.

Apropos Meisterstück: auch Tedescos hervorragenden Noten in der Trainerausbildung und seine taktisch sehr profunden Spielanalysen werden gerne als Beweis für überbordenes Fachwissen für ihn ins Feld geführt. Nun, der Autor dieser Zeilen hat auch sein großes Latinum geschafft – und das zum Großteil durch intensives Vokabelpauken, um dann aus den einzelnen Wörtern einen möglichst sinnvollen Satz zu basteln. Mit Auswendiglernen kann man viel kaschieren. Vermutlich wird man, wenn man seine Interviews mal genau untersucht, eine frappierende Ähnlichkeit zu früheren Taktikanalysen auf spielverlagerung.de feststellen.

In dieser Saison wollte man in Gelsenkirchen dann zeigen, dass man mehr kann als nur Standards und versuchte es mal mit Fußball spielen. Das Ergebnis waren fünf Niederlagen, null Punkte und die erstaunlichen Aussagen: "Die Mannschaft, die mehr Ballbesitz hat, hat immer das größere Risiko, den Ball zu verlieren und Konter zu fressen." und vor allem: „Wir müssen an dem arbeiten, was wir können - was wir nicht können, werden wir lassen." Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Da stellt sich ein Trainer hin und erklärt ernsthaft, dass seine Mannschaft nichts mit dem Ball anfangen kann. Ja, wessen Aufgabe ist es denn, ihr das beizubringen? Im Anschluss durfte man dann Spiele bestaunen wie in Leipzig, mit einer Passquote von jämmerlichen 55 %, weil man jedes Mal, sobald man den Fuß an den Ball brachte, das runde Leder einfach stumpf nach vorne drosch. Begleitet vom frommen Wunsch, dass er doch irgendwie beim eigenen Mitspieler ankommen möge.

Nun, es ist beileibe nicht so, dass wir Dortmunder permanent nur Fußball der taktischen Haute Cuisine erlebt haben – aber jeder Trainer hatte doch zumindest eine Idee, wie er das Spiel gestalten wollte, statt bei seinen Mannen einfach fußballerische Unfähigkeit zu diagnostizieren und sie anzuweisen, dem Gegner besser den Ball zu überlassen. Und so konnte man gleiches auch beim letztendlich verdient und überlegenen Derbysieg am Wochenende feststellen. Während unsere Dortmunder sich im Praktizieren von Spielkontrolle irgendwie selbst einschläferten, aber nach dem Ausgleich sofort wieder in den Angriffsmodus schalten konnte, hatte man bei den Blauen das Gefühl, dass sie schlicht und ergreifend nicht mehr können. Nun mag GE sich mit der Erklärung trösten, dass man nach der Auswechslung von Burgstaller keinen einzigen gelernten Stürmer mehr aufbieten konnte – aber dann lügt man sich grandios selbst in die Tasche. Das Problem ist nicht in erster Linie, dass man vorne keinen hat, der die Buden macht, sondern die völlige Ahnungslosigkeit, wie man den Ball überhaupt in diese Zone kriegen soll, wenn man nicht gerade eine Schießbudenabwehr wie die der Nürnberger vor sich hat. Im Derby reichte der Matchplan gerade einmal dafür aus, den Ball unfallfrei über die Mittellinie zu befördern und dann landete man im Tal der Ahnungslosen. Wirre, sinnfreie Lauf- und Passwege, die der Dortmunder Defensivreihe in der Regel nicht mehr als ein müdes Lächeln abrangen.

Am Ende bleibt dann einfach nur die Feststellung, dass Domenico Tedesco in Gelsenkirchen einen tollen Job macht und die Vereinsführung unbedingt an ihm festhalten sollte. Es gibt schließlich noch einige Aufgaben für den Jahrgangsbesten zu erledigen. So hat man in der Liga diese Saison zum Beispiel 4 von 5 Elfmetern verwandelt. Eine Bilanz, die sich durch gezieltes Anticoaching mit Sicherheit noch Richtung 0 von 5 verbessern lässt.

Go on, Domenico!

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