Menschenrechtssituation in den Vereinigten Arabischen Emiraten
Seit dieser Woche befindet sich Borussia Dortmund im neuntägigen Trainingslager in Dubai. Die Entscheidung, ein Trainingslager in den Vereinigten Arabischen Emiraten abzuhalten, einem Land, in dem die Menschenrechtssituation mehr als fragwürdig ist, wurde von schwatzgelb.de bereits vor einigen Tagen stark kritisiert. Während Sportdirektor Michael Zorc die Kritik als eine „scheinheilige Diskussion“ bezeichnet, möchten wir anhand verschiedener Beispiele auf die prekäre Menschenrechtssituation verweisen.
Generell gelten in den VAE strenge islamische Moralvorstellungen, die in der dortigen Rechtsprechung ihren Niederschlag finden. Trotz eines vermeintlich liberaleren Gesellschaftsklimas müssen sich Reisende darüber im Klaren sein, dass sowohl Homosexualität als auch nichtehelicher Geschlechtsverkehr strengstens verboten sind und bei Anzeige straftrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Es findet dort keine „aktive“ Verfolgung von Homosexuellen oder Transsexuellen statt. Straftaten, die in Deutschland gemäß § 177 StGB (Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung) verfolgt werden, werden in den VAE ebenfalls strafrechtlich geahndet. Bei besonderen Konstellationen kann selbst das Opfer einer solchen Straftat mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Nicht-eheliche Schwangerschaften können genauso geahndet werden wie der Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit. Darunter fällt auch das „Händchenhalten“. In Deutschland unbedenkliche Äußerungen über Fragen der Religion können in den VAE als Beleidigung und Verunglimpfung des Islams oder des Propheten verstanden und straftrechtlich verfolgt werden (Geld- oder eventuell sogar Freiheitsstrafen).
VAE Cyber Law von 2012
2012 trat in den VAE ein Internetgesetz in Kraft, welches Haftstrafen von bis zu sechs Monaten für Betreiber von Seiten vorsieht, die nicht nur zur Veröffentlichung, sondern auch zur Bewerbung und Verbreitung von Seiten mit pornografischen oder auch nur „unanständigen“ Inhalten oder Glücksspielen dient. Zusätzlich legitimiert das Gesetz die Verfolgung von Betreibern, deren Webseiten den Ruf des Staates, des Präsidenten, des Vizepräsidenten, etc. verspotten oder bedrohen könnten. Es ist verboten, Informationen, Karikaturen oder Nachrichten zu veröffentlichen, die die „öffentliche Sicherheit gefährden“ oder gar den Sturz der Regierung herbeiführen könnten.
Fallbeispiel: Hussain Ali al-Najjar al-Hammadi und 50 weitere Personen, die der Vereinigung für Reformen und soziale Führung (al-Islah) nahestanden, blieben inhaftiert und müssen Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren verbüßen. Sie waren im Juli 2013 nach einem unfairen Gerichtsverfahren, das unter der Bezeichnung VAE 94 bekannt wurde, von der Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshofs wegen Vergehen gegen die nationale Sicherheit verurteilt worden. Das Gericht ging den Vorwürfen einiger Angeklagter, sie seien während ihrer monatelangen Untersuchungshaft ohne Kontakt zur Außenwelt gefoltert worden, nicht nach und ließ erpresste "Geständnisse" als Beweismittel zu.
https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-149-2014/haft-misshandelt
Diskriminierung von Frauen
Frauen werden nach wie vor durch Gesetze und im alltäglichen Leben diskriminiert. Arbeitsmigranten, speziell weibliche Hausangestellte, werden arbeitsrechtlich kaum geschützt und dementsprechend ausgebeutet und missbraucht.
Fallbeispiel: Eine Britin wäre in den VAE wegen angeblichem außerehelichen Sex fast gesteinigt worden. Die 30-jährige wurde von einem Gericht zu 41 Tagen in Haft verurteilt, letztlich aber erst nach 95 Tagen entlassen, da man sie schlicht „vergessen“ hatte. Zusätzlich wird berichtet, dass sie auf Anraten ihres Anwalts leugnen musste, in einer Ehe zu sein, da sie sonst wegen Ehebruchs hätte gesteinigt werden können. Die Frau wurde beschuldigt, mit ihrem Arbeitskollegen in einem Taxi Sex gehabt zu haben. Beide sagten jedoch aus, dass es in Wahrheit lediglich um einen Streit wegen überhöhter Taxigebühren ging. Auch ein medizinisches Gutachten, welches eindeutig bewies, dass die Britin keinen Sex gehabt hatte, fand bei der rechtsprechenden Instanz keinen Anklang.
http://de.europenews.dk/Britin-in-Dubai-entgeht-nur-knapp-der-Steinigung-83626.html
Fallbeispiel 2: Norwegerin nach Vergewaltigungsanzeige festgenommen. Eine 24-jährige Frau zeigte in Dubai eine Vergewaltigung an und wurde daraufhin wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr inhaftiert. Sie arbeitete im Golf-Emirat Katar als Innenarchitektin. Im März sei sie nach einer Feier angetrunken gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen auf dem Rückweg in ihr Hotel gewesen. Im Hotel habe sie ein männlicher Kollege auf sein Zimmer gezerrt und vergewaltigt. Als die Norwegerin die Tat bei der örtlichen Polizei anzeigte, sei ihr entgegnet worden: „Du weißt, dass dir niemand glauben wird.“ Daraufhin erfolgte die Festnahme und ein Gericht verurteilte sie zu einem Jahr und vier Monaten Gefängnis. Der Vergewaltiger, den die Frau angezeigt hatte, wurde wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr zu 13 Monaten Haft verurteilt. Nach dem Urteil sei es der jungen Frau erlaubt gewesen, sich im norwegischen Seefahrerzentrum in Dubai aufzuhalten. Erst durch diplomatischen Einsatz von höchster norwegischer Stelle ist es gelungen, eine Begnadigung der 24-jährigen zu erreichen.
http://derstandard.at/1373513356473/Arabische-Emirate-lassen-Norwegerin-wieder-frei
Drogenbesitz
Drogenbesitz ist in den VAE strengstens untersagt. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser dem Eigenkonsum dient oder nicht. Auch der Besitz von „weichen Drogen“ in Kleinstmengen von weniger als 0,1g im Reisegepäck, Kleidung oder Körper wird mit drakonischen Strafen bestraft. Für den Drogenhandel kann gar die Todesstrafe verhängt werden.
Fallbeispiel: Ein Ägypter, der seit anderthalb Jahren in Dubai lebte, wurde wegen eines Krümels Haschisch für mehrere Jahre verurteilt. Am Flughafen in Dubai wurde er einer Personenkontrolle unterzogen und gefragt, ob er Haschisch konsumiere. Als Grund für die Kontrolle wurde ihm lediglich genannt, dass er „so aussehe“, als konsumiere er Drogen. Während der Mann sich vollständig entkleiden musste, wurden seine Sachen untersucht. Ein Sicherheitsbeamter fand in seiner Jeanstasche schließlich einen Krümel Haschisch. Einen Monat nach seiner Festnahme wurde er in ein Zentralgefängnis in der Wüste Dubais verlegt. Dort musste er weitere neun Wochen bis zum Prozessbeginn warten. Dieser dauerte nach Angaben des Inhaftierten nur etwa drei Minuten und forderte vier Jahre Haft wegen Drogenbesitzes für den eigenen Gebrauch. Seine Mithäftlinge, zwei Briten, ein Amerikaner, ein Libanese und ein weiterer Ägypter, sitzen ebenfalls wegen des Besitzes von Haschischmengen zwischen 0,01 bis 0,5 Gramm im Gefängnis. Von einem Engländer weiß er zu berichten, dass dieser, weil er am Dubaier Flughafen nach langer Wartezeit Liegestütze machte, wegen „Belästigung des Flughafenbodens“ für drei Monate Haft verurteilt wurde.
Sex in der Öffentlichkeit
Fallbeispiel: Ein 28-jähriger Brite und ein 40-jähriger Seychellois sind in Dubai zu drei Jahren Haft verurteilt worden, da sie beim Sex in der Öffentlichkeit erwischt worden waren. Nach einer Geburtstagsparty seien beide Männer angetrunken gewesen und hätten unter einem Baum nahe der „Al-Garhoud“-Brücke sexuelle Handlungen durchgeführt. Ein mit dem Auto vorbeifahrender Zeuge alarmierte die Polizei. Vor Gericht sagte der Mann aus: „Ich war müde und habe mich entschieden, mein Auto dort zu parken und ein Nickerchen zu machen. Dann habe ich die beiden Männer gesehen.“ Die Männer seien zu einem Baum gelaufen und hätten sich dort ihrer Kleidung entledigt. Als die Polizei eintraf, versuchten diese zu fliehen. Beide Angeklagten gestanden, gleichgeschlechtlichen Sex gehabt und Alkohol konsumiert zu haben. Nach dem Absitzen ihrer Strafen werden sie in ihre Heimatländer abgeschoben.
Haftbedingungen und Folter
Amnesty International, eine nicht-staatliche Organisation, die sich für Menschenrechte einsetzt, fürchtet um die psychische und körperliche Gesundheit von Inhaftierten in den VAE. Die Haftbedingungen in Gefängnissen würden sich zusehends verschlechtern.
Fallbeispiel: Im al Razeen-Gefängnis in Abu Dhabi werden mindestens zehn gewaltlose politische Gefangene misshandelt. Unter den Inhaftierten befinden sich neben Dr. Mahmoud al-Jaidah, einem Arzt aus Katar, auch Menschenrechtsanwälte, Lehrer, Richter und Studenten, die nach dem sogenannten Sammelverfahren „VAE 94“, das gegen Reformer und Regierungskritiker vorgeht, inhaftiert wurden. Sicherheitsbeamte durchsuchen in Gefängnissen häufig die Zellen, schlagen Gefangene und beschlagnahmen deren persönlichen Besitz wie Kleidung, Toilettenartikel und Notizbücher. Mindestens ein Gefangener wurde geschlagen, weil er nach dem Grund der Durchsuchung fragte. Er wurde in Einzelhaft verlegt, in der ihm weder Wasser noch angemessene Nahrung zur Verfügung stand. Besuche von Angehörigen waren ausgeschlossen. Seit Monaten werden den Inhaftierten keine Hygieneartikel zur Verfügung gestellt und die Größe der Mahlzeiten stetig reduziert. Fenster werden in allen Gefängnistrakten zugemauert, damit kein natürliches Tageslicht mehr einfallen kann. Sowohl die Gefängnisbehörden als auch das Innenministerium und der Generalstaatsanwalt von Abu Dhabi ignorieren die Beschwerden der Gefangenen und deren Familien.
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-149-2014/haft-misshandelt?destination=node%2F3039%3Fpage%3D2
In den Jahren 2013 und 2014 kam es außerdem zu Foltervorwürfen, nach denen die örtlichen Behörden jedoch keinen Anlass dazu sahen, unabhängige Untersuchungen der Vorwürfe, die durch Häftlinge in Prozessen vor der Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshof vorgetragen wurden, durchzuführen. Identisch erging es mehreren britischen Staatsbürgern, die wegen mutmaßlicher Drogendelikte inhaftiert wurden. Zu den Foltermethoden zählen in den VAE Schläge, Elektroschocks und Schlafentzug. Zusätzlich berichten Häftlinge darüber, dass sie extremen Temperaturen und ständigem grellen Licht ausgesetzt wurden und man ihnen Vergewaltigung und Tod angedroht habe.
Verschleppung von Gefangenen
Fallbeispiel: Drei Frauen wurden in den Vereinigten Arabischen
Emiraten Opfer des sogenannten „Verschwindenlassens“. Diese Maßnahme,
bei der den Betroffenen der Kontakt zu ihren Familien verwehrt wird, ist
ein Verbrechen nach dem Völkerrecht. Der Bruder der Betroffenen ist ein
gewaltloser politischer Gefangener. Die drei Schwestern wurden
nachmittags von Staatssicherheitsbeamten angerufen und zum Verhör auf
das Polizeirevier von Abu Dhabi geladen. Erst drei Monate später
tauchten die drei Schwester wieder auf. Während dieser Zeit erhielt die
Familie keinerlei gesicherte Informationen über den Verbleib der drei
Schwestern. Lediglich am Abend des nächsten Tages erhielt die Mutter
einen Anruf von einer Person, die angeblich den Sicherheitsbehörden
zugehörig sei. Diese Person teilte der Mutter mit, dass es den Frauen
gut gehe. Eine Überprüfung dieser Angabe war aufgrund mangelnder
Informationen jedoch nicht möglich.
Todesstrafe
In den VAE verhängen Gerichte insbesondere in Mordfällen nach wie vor die Todesstrafe. Im Januar 2014 ließen die Behörden des Emirats Schardscha einen Mann aus Sri Lanka durch den Einsatz eines Erschießungskommandos hinrichten. Presseberichten zufolge verurteilte ein Gericht in Abu Dhabi im Mai eine Frau wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung.
Fallbeispiel: Ein ägyptischer Staatsbürger soll über eingeschränkte geistige Fähigkeiten verfügen. Der Mann wurde des Mordes schuldig befunden und im Herbst 2013 zu einem Berufungsprozess an den Obersten Gerichtshof von Abu Dhabi geladen. Als er in diesem Berufungsprozess darauf wartete, zu einer zweiten Anhörung geladen zu werden, teilten ihm Angehörige der Gefängnisbehörden bereits das Datum seiner Exekution mit.
Umgang mit Arbeitsmigranten
Trotz Schutzklauseln im Arbeitsgesetz von 1980 sowie nachfolgender Beschlüsse werden in den VAE Arbeitsmigranten ausgebeutet und misshandelt. Viele Arbeitskräfte werden bei der Arbeitsvermittlung bezüglich der konkreten Arbeitsbedingungen getäuscht. So müssen Bauarbeiter oft in unzureichenden Unterkünften leben, ebenso wird einem Großteil der Arbeitsmigranten nach der Einreise der Reisepass abgenommen. Zusätzlich ist es keine Seltenheit, dass Arbeiter ihren Lohn verspätet oder gar nicht erhalten. Ausländische Arbeitnehmer, die mit Streiks, Sitzblockladen oder anderen gewerkschaftlichen Aktionen gegen die Umstände protestieren, können verhaftet und ausgewiesen werden. In Einzelfällen ist es zudem vorgekommen, dass deutsche Staatsangehörige an der Ausreise gehindert wurden. Häufiger Grund sind arbeitsrechtliche Meinungsverschiedenheiten, die den Arbeitgeber dazu veranlassen, die zuständigen Behörden darum zu bitten, eine „Ausreisesperre“ zu verhängen. Es wird vom Auswärtigen Amt daher empfohlen, sich vor Beginn einer Geschäftstätigkeit über die geltende Rechtslage zu informieren.
Hausangestellte, bei denen es sich in den VAE hauptsächlich um Frauen aus Asien handelt, waren von den Schutzvorschriften für ausländische Arbeitskräfte ausgenommen. Diese Frauen sind häufig physischer Gewalt ausgesetzt und dürfen das Haus nur in seltenen Fällen allein und ungefragt verlassen. Ein Gesetz zum Schutz von Hausangestellten, das von der Regierung schon mindestens seit 2012 in Angriff genommen werden sollte, wurde auch 2014 noch nicht in Kraft gesetzt.
https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/vereinigte-arabische-emirate
Umgang mit einheimischen Beduinen
Bei der Gründung der VAE im Jahr 1971 haben viele der in der Region einheimischen Beduinen versäumt, sich staatlich registrieren zu lassen. Die Behörden betrachten diese Menschen und deren Kinder als „Staatenlose“ und erschweren ihnen damit den Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung. Die Zahl der in Armut lebenden Beduinen soll sich auf etwa 100.000 Menschen belaufen. Nach Informationen der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ werden diese Menschen dazu gezwungen, die komorische Staatsbürgerschaft anzunehmen, obwohl die meisten dieser Beduinen den Inselstaat im Indischen Ozean niemals besucht haben, noch eine familiäre Bindung dorthin besitzen. Die Regierung der VAE soll den Komoren bereits 200 Millionen US-Dollar für die Vergabe von Staatsbürgerschaften an „staatenlose“ Beduinen gezahlt haben. Diese Summe entspräche etwa 40% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der Komoren.