Dubai: Verzicht auf Freundschaftsspiele reine Augenwischerei
„Wintertrainingslager 2016 in Dubai“ - unter dieser unscheinbaren Überschrift veröffentlichte der BVB gestern einen Kurztext mit einigen Informationen über den anstehenden Trip in den Nahen Osten. Soweit, so unspektakulär. Bemerkenswert war jedoch der Schlussabsatz, heißt es doch dort:
„Trotz lukrativer Angebote hat der BVB übrigens mehrere Testspiel-Offerten aus Ländern ausgeschlagen, in denen die Menschenrechts-Situation nicht mit den Maßstäben von Borussia Dortmund in Einklang zu bringen bzw. eine offene Diskussion über das Thema Menschenrechte nicht möglich ist.“
Auf den ersten Blick mag dies noch ehrenwert erscheinen. Entsprechend kommentierte „WAZ Sport“ diese Entscheidung auf Facebook auch wenig tiefgründig als „Richtig gute Sache“. Der BVB also als Wohltäter, der im Rahmen eines Trainingslagers sogar noch ein klares Statement für Menschenrechte absetzt? Aber bitte, nicht doch!
Betrachten wir es etwas näher: Dubai ist eines von sieben Emiraten, die als Föderation die „Vereinigten Arabischen Emirate“ (VAE) bilden. Ein Blick in die Länderinfos der Organisation „Human Rights Watch“ offenbart nun, in welches Land sich unsere Borussia in wenigen Tagen begeben wird:
„Es gibt keine Wahlen nach demokratischen Prinzipien, keine Gewaltentrennung und politische Parteien sind nicht zugelassen. [...] Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen gehören willkürliche Verhaftungen sowie weitere Mängel des Justiz- und Haftregimes. Zudem liegen Berichte über Folter und Misshandlung während der Haft vor. [...] Wichtige Grundrechte, welche die persönliche Freiheit betreffen, etwa die Meinungsäusserungs-, die Medien-, die Versammlungs- und die Vereinigungsfreiheit, sind übermässig eingeschränkt. Der Staat greift mitunter stark in die Privatsphäre seiner Bürger/innen ein und die digitale Kommunikation wird strikt kontrolliert. Frauen werden durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert.“
Welche Moralvorstellungen in den VAE herrschen und wie die Staatsorgane diese umsetzen, das zeigt auch ein Blick in die „Reise- und Sicherheitshinweise“ des Auswärtigen Amts:
„Trotz des augenscheinlich liberaleren Gesellschaftsklimas in den VAE sollte Reisenden bewusst sein, dass Homosexualität und nichtehelicher Geschlechtsverkehr verboten sind und bei Anzeige auch strafrechtlich geahndet werden können. Eine ‚aktive‘ Verfolgung Homosexueller oder Transsexueller findet in den VAE nicht statt. [...] Nicht-eheliche Schwangerschaften können bei Bekanntwerden (z. B. einem Arztbesuch) oder Anzeige ebenfalls strafrechtlich verfolgt werden. Ledige Schwangere, auch wenn sie kurz vor einer Eheschließung stehen, sollten sich vor der Reise in die VAE dieser Risiken bewusst sein. Der Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit (auch ‚Händchenhalten‘) ist ebenfalls verboten.“
So sieht also der Alltag aus in jenem Land, in das unser BVB am 7. Januar aufbrechen wird. Vor diesen Hintergründen wirkt es wie Hohn, wenn sich der Verein am Ende seiner Mitteilung damit brüstet, dass man lukrative Testspiele mit Blick auf die Menschenrechtssituationen anderer Länder nicht vereinbart habe. Der Umkehrschluss des Textes besagt ja, dass in Dubai bzw. den VAE eine „offene Diskussion über das Thema Menschenrechte“ möglich ist. Das möchte ich sehen, wie ein Thomas Tuchel oder ein Michael Zorc in Dubai auf einer Pressekonferenz für die Rechte von Homosexuellen eintreten oder die nichteheliche Schwangerschaft - oder die Religions- und Meinungsfreiheit... oder... oder... oder...
Und dann ist da noch ein ganz anderer Aspekt: Man denke zurück an den israelischen Verteidiger Dan Mori, aktuell bei Bnei Yehuda Tel Aviv aktiv. Anfang Januar 2014 wollte Mori, seinerzeit noch für den niederländischen Verein Vitesse Arnheim aktiv, mit seiner Mannschaft ins Trainingslager nach Abu Dhabi, einem anderen Emirat der VAE, fliegen. Da die VAE Israel jedoch nicht als Staat anerkennen, wurde Dan Mori die Einreise verweigert, das Trainingslager fand ohne ihn statt.
Wie rechtfertigt Borussia Dortmund - ein Verein, der jeden Sommer lobenswerterweise(!) Gruppenfahrten in KZ-Gedenkstätten anbietet und damit die Erinnerung an den Holocaust aufrecht erhält - die Reise in ein Land, welches das Existenzrechts Israels nicht anerkennt? Borussia Dortmund tritt nicht einfach nur eine Reise in den Nahen Osten an wie der Kreisligaverein seine jährliche Sauftour nach Malle, Borussia Dortmund ist, ob man es nun will oder nicht, auch nicht nur ein Botschafter der Bundesliga - Borussia Dortmund ist in diesem Fall auch ein Botschafter für Deutschland. Entsprechend wird das Gastspiel sicherlich auch durch die VAE aufgefasst und vermarktet. Ein Besuch in Dubai wertet das Land mit seinem Status Quo auf, es wird das Gefühl vermittelt: Hier ist nicht Katar, hier ist, von einigen Ausnahmen abgesehen, eigentlich alles in Ordnung. Das suggeriert ja schon der eingangs zitierte Absatz, scheint Dubai ja demnach für die Planer am Rheinlanddamm mit den Maßstäben von Borussia Dortmund vereinbar zu sein. Und Bier ist sowieso ungesund, kein Problem. Wen jucken da schon die paar Menschen und ihre fehlenden Rechte?