Mit dem BVB in Singapur und Malaysia: Das Spiel des Jahres!
Nach Japan führten die weiteren Stationen der Asientour nach Singapur und Malaysia, wo sterile Glaspaläste auf die offene Herzlichkeit der Fußballfans trafen und auch die kulturellen Seiten des malaysischen Nordens begeistern konnten. Teil 2 unseres Stimmungsberichts.
Direkt nach dem Spiel in Kawasaki (Teil 1 des Stimmungsberichts ist hier zu finden) ging es für uns zum nahegelegenen Flughafen Tokio-Haneda, der uns ein letztes japanisches Erlebnis bescherte: Stille allenthalben, man hätte eine Stecknadel fallen hören. Nudeln aus dem Pappbecher, am Flughafenkiosk frisch aufgebrüht mit heißem Wasser. Und die bereits liebgewonnene Freundlichkeit, mit der uns der Weg zum Gate geebnet wurde. Rund zehn Stunden Reisedauer (rund sieben Stunden bis Kuala Lumpur, umsteigen und eine weitere gute Stunde bis Singapur) machten uns wieder einmal klar, wie groß die Strecken eigentlich waren, die wir zurücklegten – in Singapur waren wir fast am Äquator angekommen.
Entsprechend waren die Temperaturen: Nach tagelangem und zum Teil heftigem Regen schüttete es in Singapur hemmungslos weiter, nur um dann in eine extreme Schwüle bei gut über 30° überzugehen. Schnell hatten wir schon in Japan herausgefunden, dass unsere Klamottenplanung ihre Lücken gehabt hatte – jedes schwarze Shirt war innerhalb weniger Stunden weiß geschwitzt, trotz regelmäßigen Waschens (wenn Männer die Vorzüge von Rei in der Tube zu schätzen lernen, muss es sich um besondere Situationen handeln!) war keine Besserung in Sicht. Wir begannen allmählich zu akzeptieren, dass schweißdurchnässte Kleidung zum landestypischen Erlebnis gehörte – jeder zweite Mann im Straßenbild war ähnlich feucht gekleidet, nur die Damenwelt schien weniger Probleme zu haben.
Teil 1 - Land und Leute: Steriles Finanzzentrum Singapur, sehenswertes Malaysia
Richtig viel zu sehen gab es in Singapur ohnehin nicht. Luxuriöse Hochhäuser im Bank- und Finanzzentrum der Stadt hätten austauschbar auch überall sonst stehen können, Malls vollgestopft mit Luxusprodukten waren in Asien nun wahrlich keine Mangelware und Zeit für Vergnügungsparks oder Filmstudios hatte unser Zeitplan nicht hergegeben. Unser Sightseeing erstreckte sich damit auf einen kurzen Aufenthalt in der Skybar des Marina Sands Hotels, einen Rundgang an der Uferpromenade sowie Geylang, das deutlich ungeschliffener daherkam, als das moderne Stadtzentrum. Hier gab es neben Gerichten im typisch asiatischen Stil (Brathähnchen und Ente mit Kopf und Schnabel, frittierte Hühnerfüße, gegrillte Schweinenasen, Fischkopfcurry, Krokodileintopf und Froschporridge) dann auch alle Bilder zu sehen, die man aus anderen Großstädten der Region kannte, gemeinhin aber nicht mit Singapur in Verbindung bringen würde – professionelle Damen und ihre Zuhälter säumten die Straßen, die alte Bausubstanz war noch nicht durch Glaspaläste ersetzt worden und zum ersten Mal konnte Singapur ein gewisses Flair versprühen.
Doch Malaysia hatte da eine ganz andere Kragenweite. Neben dem Spielbesuch in Johor Bahru (leider ohne Möglichkeit der Besichtigung) hatten wir uns für Langkawi, eine beliebte Ferieninsel(gruppe) und Steuerparadies, sowie in meinem Fall für einen Abstecher nach Kuala Lumpur entschieden. „Naturally Langkawi“ prangte über dem Flughafen und gab das Motto aus, unter dem die ganze Insel zu stehen schien – kein Plastik in den Hotels, hoher Stellenwert der Natur und Erhalt des Regenwalds auf der Insel. Dass es sich dabei um mehr als einen Werbegag handelte, wurde uns schnell klar – zur Begrüßung schlängelte sich eine kleine Königskobra über den Weg zu unserem Appartement, auch sonst befanden wir uns inmitten der Natur. Per Taxi ging es zum Cable Car, einer der steilsten Seilbahnen der Welt, die uns innerhalb weniger Minuten in knapp 800 Meter Höhe in den Regenwald beförderte – eine sensationelle Aussicht und schweißtreibendes Treppensteigen durch die Böschung inklusive. Kuala Lumpur war nicht minder sehenswert. Der kulturelle Reichtum schmiegte sich an die hypermoderne Innenstadt, die von den Petronas Towers (zur Jahrtausendwende immerhin die höchsten Wolkenkratzer der Welt) dominiert wurde. Daneben befanden sich zwischen riesigen Malls auch das postkoloniale Stadtzentrum, Chinatown oder der Batu Caves Tempel, ein Wallfahrtsort für Hindus, die im Februar zu tausenden in den Norden der Stadt strömen.
Angesprochen auf Politik und die „Königliche Hoheit“, den Sultan von Johor (die Föderation Malaysia gliedert sich in neun Sultanate), erhielten wir interessante Antworten. Ein Taxifahrer auf Langkawi beschwerte sich bitterlich über die hochgradig korrupte Regierung und Frau des Ministerpräsidenten. Die Vorgängerregierungen hätten den Ölpreis über Jahre stabil gehalten und nur phasenweise erhöht – nun steige der Preis mit den internationalen Ölmärkten, sinke aber nicht wieder bei einem Preisverfall. Auch zusätzliche Steuern hätten das Leben hart gemacht, weil die First Lady viel Geld für private Prestigeprojekte benötige – wo bis vor wenigen Jahren 1500 Ringgit (etwa 375 Euro) für ein gutes Leben reichten, benötige man nun zusätzliche 500 Ringgit alleine für Steuern und steigende Lebensmittelpreise. Eine Altenpflegerin in Kuala Lumpur, die aufgrund des deutlich höheren Gehalts und großzügigerer Urlaubsansprüche vor drei Jahren nach Saudi Arabien gezogen war, teilte die Kritik – als Vertreterin der chinesischen Minderheit werde sie diskriminiert, wenn es bspw. um die Vergabe von Studienplätzen gehe. Obwohl sie als Frau in Riad stark eingeschränkte Rechte habe, fühle sie sich in Malaysia immer weniger wohl und kehre nur gelegentlich zum Familienbesuch zurück.
Ebenfalls einig waren sich beide, was die Rolle des Sultans von Johor anging, den wir (vorsichtig ausgedrückt) als recht schillernde Persönlichkeit wahrgenommen hatten. Zu unserem großen Erstaunen wurde dieser als gutmütiger und freundlicher Herrscher beschrieben, der vor allem damit Pluspunkte sammelte, die Regierung für Korruption, verfehlte Politik und Diskriminierung zu kritisieren – bis zur nächsten Wahl 2018 ruhten einige Hoffnungen unserer Gesprächspartner auf ihm. Nun lässt sich darauf sicher keine fundierte Einschätzung aufbauen und wollten wir auch nicht den Versuch unternehmen, irgendetwas daraus abzuleiten – doch es war einigermaßen spannend zu sehen, wie unterschiedlich Perspektiven sein können und wie vielschichtig das Leben sein kann.
Teil 2 - Fußball und seine Fans: Wenn Herzlichkeit auf starken Support trifft
Einige Stunden nach uns erreichte die Mannschaft des BVB den Flughafen von Singapur. Zum Training musste sie auf einen Platz in Geylang ausweichen, weil der ursprünglich vorgesehene Platz (ein Traum von Rasen mitten im Wasser der Marina Bay) für die Vorbereitungen zum 50. Geburtstag Singapurs benötigt wurde – viele Länder der Region, so auch Malaysia, hatten erst Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs ihre Unabhängigkeit erreicht und feierten die Jahrestage mit großem Pomp. Überraschend erhielten wir (und andere mitgereiste Fans) eine Einladung des BVB, bei der Abendveranstaltung in Singapur teilzunehmen. Ziemlich spontan suchten wir die letzten einigermaßen vorzeigbaren Klamotten heraus (was wie oben beschrieben nicht ganz so einfach war) und beobachteten das Geschehen. Ein abgesperrter Bereich auf dem Dach des 1 Altitude, einer der höchsten Rooftopbars der Welt, sollte Spieler und Betreuer des BVB vor allzu aufdringlichen Autogrammjägern schützen, was mal besser und mal schlechter funktionierte. Die meisten Spieler schienen mit der Situation klarzukommen und freuten sich über die Abwechslung, die Thomas Tuchel jedoch recht bald mit dem Verweis auf die sportlichen Verpflichtungen wieder beendete.
Während wir uns Gedanken machten, was eigentlich in Neven Subotic so vorgehen musste (der in den Tagen zuvor einen Reisemarathon nach Äthiopien, New York, Japan und das luxuriöse Singapur zu bewältigen hatte), stieß ein thailändischer Fan hinzu, der den Weg gemeinsam mit Frau und Tochter angetreten und eine kleine Auswahl seiner umfangreichen BVB-Trikotsammlung mitgebracht hatte. Wieder einmal war es Lars Ricken (und später Nobby Dickel), der frühmorgens noch einige Augenblicke für Erinnerungsfotos und Autogramme fand. Mit den Eindrücken eines bis über beide Ohren strahlenden Fans ging der Abend zu Ende und näherten wir uns dem Tagesausflug nach Johor Bahru. Um den Fans die Anreise nach Malaysia zu erleichtern, hatte der BVB einen kostenlosen Bus (und ebenso wie in Japan Freikarten für das Spiel) zur Verfügung gestellt. Die etwa 75-minütige Fahrt dauerte mal eben doppelt so lange und war selbst schon wieder eindrucksvoll genug, um damit eigene Berichte zu füllen. So verfügte die Grenzanlage zu Malaysia (im Vergleich zu Grenzen bspw. zwischen Vietnam und Kambodscha oder den Grenzübergängen Indiens) über pursten Luxus, mussten jedoch gleich zwei Grenzposten überwunden werden. Dazwischen tummelten sich mehrere tausend Pendler, die in einem unglaublichen Gewusel an irgendwelchen Bussteigen für irgendwelche Busse anstanden. Dass unübersichtlich für diesen Moment eine sehr beschönigende Beschreibung gewesen wäre, mussten dann auch zwei Kanadier herausfinden, die Eintrittskarten für das Spiel in Johor gekauft hatten. Ein wenig hilflos auf der Suche nach dem geeigneten Verkehrsmittel hatten sie unsere schwarzgelbe Besatzung gesehen und sich kurzerhand in unseren Bus gesetzt – ohne irgendeine Ahnung zu haben, mit wem sie nun unterwegs waren und was sie auf dieser Fahrt erwarten würde. (Als uns die beiden „blinden Passagiere“ nach einigen Minuten aufgefallen waren, folgten großes Gelächter und Respekt ob dieser wunderbaren Szene – selbstverständlich waren sie willkommen und durften auch weiter mitfahren.)
Rund um das Tan Sri Dato Haji Hassan Yunos Stadium, einem wahren Schmuckstück, wurde es dann wieder etwas wuselig. Autos und Mopeds parkten bis zum Stadioneingang, die schmalen Zugänge zu den Stadiontoren waren zum Teil abschüssig an einen kleinen Hang gebaut und wir begaben uns auf die Suche nach den großartigen Schals mit dem The Unity Emblem, die im Internet bereits am Tag zuvor für Wirbel gesorgt hatten. Der Shop der heimischen Ultras hatte bereits geschlossen, öffnete für uns jedoch wieder seine Pforten. Kurze und nette Gespräche machten deutlich, dass sich die Fans über den deutschen Besuch gefreut hatten – der gemeinsame Schal mit dem Lenzkopf war als Zeichen der Wertschätzung zu deuten. Gerne hätten sie im Vorfeld des Spiels auch eine Partie Fußball gegen uns gespielt, doch hatten die Anreisewege sowie das schwül-heiße Wetter (im Ramadan waren essen und trinken im Tagesverlauf verboten) eben dies verhindert. Der Respekt vor Borussia Dortmund war sichtlich groß und auch ein gewisses Maß an Dankbarkeit für die Kooperation der beiden Vereine vorhanden.
Auf den Eintrittskarten, den Plakatwänden vor dem Stadion und diversen T-Shirts durfte der wichtigste Ausdruck dann auch nicht fehlen: „The most anticipated match of the year!“ Der Ticketpreis lag im günstigsten Fall beim etwa zehnfachen eines normalen Ligatickets, was leider vielen Fans einen Spielbesuch unmöglich machte und statt einer Kulisse mit 30.000 Zuschauern nur eine von 12.500 zuließ. Die Stimmung war dennoch prächtig, neben einer Choreografie mit Blockfahne und Kassenrollen gab es zahlreiche laute Gesänge, eine ganze Menge kleineres Fahnenmaterial sowie die großartigsten Disco-Moves der 1980er Jahre zu sehen. Bei einem Rundgang durchs Stadion sahen wir kiloweise Pyrotechnik auf den kleinen Wellblechdächern und riefen uns malaysische Fans immer wieder begeistert entgegen, wir sollten doch zu ihnen kommen und einige Fotos machen.
Angekommen in der Heimkurve, ließen sich auch die Ultras bereitwillig filmen und fotografieren – immer wieder posierten sie und winkten uns zu, führten uns bis zu den Trommlern und dem Vorsängerpodest und stellten uns die wichtigsten Leute namentlich vor. Man konnte zeitweise das Gefühl haben, dass sie sich über einen größeren Gästeanhang und einen engeren Kontakt wohl sehr gefreut hätten, was als weitere schöne Erinnerung zur Herzlichkeit vor Ort hängen blieb. Wie wichtig das Spiel tatsächlich in der Wahrnehmung war, zeigte die Siegerehrung nach Spielende. Der Sultan von Johor (seine Ankunft mit Polizei, Militärpolizei, Leibgarde und mehreren Hummer-Fahrzeugen war mehr als eindrucksvoll) ließ es sich nicht nehmen, diese mindestens so opulent wie einen Sieg der Champions League zu gestalten. Schiedsrichter und Spieler beider Mannschaften wurden Medaillen umgehängt, der Konfettiregen dauerte gefühlt ein wenig länger als üblich und die Pyrotechnik auf dem Stadiondach kam vollends zur Geltung. Schon vor Spielbeginn mussten die schwarzgelben Spieler lachen, als nach der malaysischen Hymne "Leuchte auf mein Stern Borussia" als Dortmunder Hymne gespielt worden war, nun wurde die Siegesfeier durch den BVB-Hitmix (inkl. „Deutscher Meister wird nur der BVB“) abgerundet.
Hätten wir es nicht mit eigenen Augen gesehen, wir hätten es wohl nicht geglaubt (ein Stimmungsvideo mit der Siegerehrung ist auf unserem Youtubekanal zu finden oder einfach hier drunter).
Beeindruckt vom Stadion, sehr starkem Support und den vielen anderen Vorkommnissen des Tages, ging es wieder zurück nach Singapur, wo wir den Abend und die BVB-Asienreise gemeinsam ausklingen ließen.
Abschließend gilt es von unserer Seite danke zu sagen: An unseren Fanbeauftragten Jens Volke, der Eintrittskarten zu den Spielen besorgt und diverse andere Dinge vor Ort bestens koordiniert hatte. An den BVB, der den mitgereisten Fans aus Deutschland und Asien mehr Aufmerksamkeit zukommen ließ, als sie es hätten erwarten dürfen. An Lars Ricken und Kalle Riedle, die alle möglichen Fanwünsche erfüllt und sich durchwegs unkompliziert wie nahbar gezeigt hatten. An die Menschen und Fans vor Ort sowie alle anderen, die den sommerlichen Fußballurlaub zu einem so gelungenen Ausflug gemacht haben. Das war cool.