Geschwätz von Gestern
"Pyrotechnik legalisieren" hatte sich die gleichnamige Fankampagne auf die Fahnen geschrieben und dabei einige Achtungserfolge erzielt. So stand man in Gesprächen mit DFB und DFL, hatte sich mit den Verbänden angenähert und sogar gemeinsam einen Modellversuch geplant. Das alles ist nun hinfällig geworden, weil die Verbände nicht zu ihrem Wort stehen und kurzerhand alle Verabredungen über den Haufen geworfen haben. Damit düpieren sie nicht nur die Vertreter der Kampagne, sondern richten auch irreparablen Schaden an an ihrem ohnehin schwierigen Verhältnis zu den Fans.
Der Einsatz von Pyrotechnik ist ein schwieriges Thema. Es stehen sich zwei Extreme gegenüber und dazwischen ist nicht viel Platz für Kompromisse. Auch unsere Redaktion hat keine einheitliche Haltung zur Pyrotechnik, es gibt sowohl Befürworter als auch Gegner, die den Einsatz komplett ablehnen. Fakt ist, dass die Pyrotechnik in Dortmund Anfang der Neunziger Jahre aufkam und das Ganze auch kein isoliertes deutsches Phänomen ist. Immer noch gehört Pyrotechnik in den osteuropäischen und südamerikanischen Ländern zum Ligaalltag. Auch in unseren nördlichen Nachbarländern Dänemark und Norwegen wird Pyrotechnik von einigen Fangruppen regelmäßig eingesetzt, Norwegen dabei sogar reglementiert, aber legal.
In unserem südlichen Nachbarland Österreich scheiterte der Versuch, Pyrotechnik aus den Stadien zu verbannen. Die österreichischen Ultragruppen organisierten einen landesweiten Protest und setzten sich am Ende in vielen Punkten durch. Zwar ist nun der Gebrauch strenger reglementiert als zuvor, das völlige Verbot aber wurde abgewendet und man besitzt dort immer noch erhebliche Freiheiten. Das Vorbild der Österreicher hatte nun wohl die Ultras in Deutschland inspiriert, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Die Kampagne „Pyrotechnik legalisieren! Emotionen respektieren!“ wurde gegründet und man fuhr fortan zweigleisig: Einerseits wurde der Einsatz von Pyrotechnik im Stadion forciert, andererseits wurde das erste Mal auch gezielt und großflächig informiert.
Nachdem der Anfang der Kampagne eher belächelt wurde, mauserte sich die Initiative und es versammelten sich immer mehr Unterstützer dahinter. Ab dem Zeitpunkt, als sich selbst einige Fußballvereine (zu den Unterstützern zählen u.a. Dynamo Dresden, 1. FC Magdeburg, RW Essen, FSV Zwickau und die Würzburger Kickers) hinter die Initiative stellten und die Medien das Thema ausführlicher und unaufgeregter kommentierten, konnten DFB/DFL nicht mehr die Augen verschließen und mussten sich mit den Initiatoren an einen Tisch setzen.
Nach kurzer Zeit stellten sich vermeintliche Erfolge ein. Vor allem in Form von Helmut Spahn, dem damaligen Sicherheitsbeauftragten des DFB, und Thomas Schneider, dem DFL-Fanbeauftragten, wurde nun der Dialog geführt. Spahn hatte im Vorfeld eingeräumt, dass der Einsatz von Pyrotechnik „mit Polizei und Ordnungskräften nicht in den Griff“ zu bekommen ist. Die Ultras Gruppen übergaben daraufhin ein Konzept, dass darstellen sollte, wie Pyrotechnik legalisiert werden könnte. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass schon ein genehmigtes Konzept in Chemnitz vorlag, dass nur an dem Verband gescheitert ist.
Nach einer weiteren Diskussionsrunde näherten sich beide Seiten scheinbar an. Da allen Beteiligten die Gefahren von Pyrotechnik bewusst ist, wurde von Seiten der Verbände ein Verzicht für die ersten drei Bundesligaspieltage gefordert und die Ultragruppen stimmten diesem zu. Durch diesen Verzicht sollte vor allem dokumentiert werden, dass man durchaus in der Lage ist, Kontrolle über den Einsatz von Pyrotechnik auszuüben. Als Gegenleistung erklärte sich der DFB laut Anwalt Hirsch (der die Gespräche zwischen Ultras und DFB begleitet) bereit, Pilotprojekte zu genehmigen, falls die Bedingungen dafür vorliegen.
Die folgenden Spieltage waren aus Fansicht ein voller Erfolg, bis auf eine Ausnahme hielten alle beteiligten Szenen die Füße still – in der zweiten Liga bedeutet der Verzicht übrigens mehr als drei Spiele und die erste Runde des DFB Pokals war auch noch mit drin. Dieser Erfolg hatte wohl die DFB Granden auf dem falschen Fuß erwischt, wie ein Artikel von Spiegel Online am 18.08.2011 andeutet. Hier wurde schon über einen möglichen Wortbruch durch die Hintertür spekuliert, der in Form eines Rechtsgutachten verpackt werden sollte. Nun ist die Katze auch offiziell aus dem Sack, die Fans haben wohl mit einer „lame duck“ verhandelt. DFB und DFL erklärten frei nach dem Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ alle Abmachungen mit dem inzwischen nach Katar abgewanderten Helmut Spahn für nichtig.
Im Kontext mit den Bericht von Spiegel Online Mitte August muss man fast zu dem Schluss kommen, dass es auf Seiten der Verbände nie wirklich einen Einigungswillen gegeben hat. Das ist im Grunde auch nicht weiter verwunderlich, nur hätte man dann von Anfang an mit offenen Karten spielen sollen. So aber hat man nun wohl endgültig das Tischtuch in der Kommunikation mit den Fans zerschnitten und es ist unwahrscheinlich, dass die Verbände bei eigenen Wünschen in nächster Zeit noch einmal Gehör finden in den deutschen Ultraszenen. Schon der Rückzug hinter ein Rechtsgutachten wirkte reichlich peinlich, doch nicht einmal zu den Zusagen der eigenen Vertreter zu stehen, ist ein erbärmliches Zeugnis für den großen Fußballverband und seine Liga.
Die Folgen dieses Arschtritts von Verbandsseite sind jetzt kaum abzuschätzen. Dass nun auf Seiten der Ultras jedes Vertrauen in die Verbände verloren gegangen ist, ist da verständlich. Man hatte sich trotz ausgeprägten Misstrauens ernsthaft bemüht, viel Zeit investiert und wohl tatsächlich Konzepte erstellt, die von Vereinen, Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr abgesegnet waren. Die Verbände haben sich nun in dieser Sache unglaublich stümperhaft verhalten und zeigten erneut, dass man nach wie vor offensichtlich keine Ahnung von Fans hat. Nicht anders ist zu erklären, dass man scheinbar ernsthaft hoffte, die Ultras billig ins offene Messer laufen lassen zu können. Doch die waren offensichtlich in ihrer Entwicklung weiter und fähiger, als es sich manch überheblicher Funktionär in Frankfurt gedacht hat. So steht nun vor allem der DFB als wortbrüchiger Verband dar, der doch ansonsten immer so gerne auf die sportliche Ehre und Fair Play verweist. Davon aber kann hier nun absolut keine Rede mehr sein.
Der DFB hat sich so für viele Fans wohl endgültig als ernstzunehmender Gesprächspartner disqualifiziert.
mrg, Arne, 12.09.2011