Danke für 100 Jahre Echte Liebe, war da was?
Am 25.08.2011 war es soweit, endlich hingen wir Borussen vor dem TV und verfolgten die Auslosung der Champions League. Hatte man diese Veranstaltung sonst immer nur mit mäßigen Interesse verfolgt, ging es nun wirklich um Borussia. Illustre Namen standen zur Auswahl und voller Spannung und mit vielen Wünschen im Kopf verfolgten die Meisten die Auslosung. Was dann mit der letzten Losfee Matthäus auf dem Tisch lag, übertraf wohl die Erwartungen der meisten Fans. Mit Arsenal F.C., Olympique de Marseille und Olympiakos Piräus waren nahezu alle Fans zufrieden.
Eine Stunde später standen die genauen Spieldaten fest und die Internet- und Telefonleitungen liefen heiß und manche Kreditkarte wusste nicht mehr wo vorne und hinten ist. Kurzfristig brach sogar die Webseite einer bekannten irischen Billigfluglinie zusammen und man konnte förmlich zusehen, wie die Preise für Flüge nach Marseille, London und Athen stündlich stiegen. Nicht mal zwei Stunden nach der Terminierung meldeten dann schon die ersten Flieger nach Athen ausgebucht. Schon jetzt kann man sagen, dass Borussia sich auf seine Anhänger verlassen kann. Wer es möglich machen konnte, macht sich auf den Weg nach London, Marseille und Athen.
Schon die vergangene Europa League Saison hatte gezeigt, was möglich ist. Rund 500 Fans begleiteten den magischen BVB bis nach Baku, auch nach Lemberg setzte sich ein Tross aus Bussen in Bewegung, in Sevilla wurde der Block locker voll gemacht und Paris sprengte wohl alle Erwartungen. Tausende BVB Fans bevölkerten Paris und den Eiffelturm und im Stadion waren schlussendlich rund 8000 Schwarzgelbe. Vorbei sind die Zeiten, als man noch bei manchem Auswärtsspiel die Mitfahrer schnell durchzählen konnte. Dass solche Bedingungen in der Champions League eher unwahrscheinlich sind, war den meisten Fans klar. Nicht nur die Spiele sind noch reizvoller für uns Fans, sondern auch die Vereine selber erfreuen sich größerem Zuspruch, als es in der vergangenen Saison teilweise der Fall war.
Kurz nachdem die Reisen und Unterkünfte gebucht waren, gingen denn auch die Kartenspekulationen los. Wie viele Karten bekommen wir wohl? Schnell kursierte die Nachricht, dass in Marseille umgebaut wird und daher nur rund 42000 Plätze zur Verfügung stehen. Nachdem erste Horrormeldungen die Runde machten, dass in der französischen Liga den Gästefans nur knapp über 400 Karten zur Verfügung stehen, gab es Anfang der vergangenen Woche die Entwarnung. Immerhin rund 2000 Karten sollen wohl den BVB Fans zur Verfügung gestellt werden, das zwar zu dem unglaublichen Preis von rund 66 € aber immerhin, das ist mehr als garnichts.
Doch mittlerweile ziehen weitere düstere Wolken auf. Vermutlich droht nicht ein Debakel wie noch 2002 in Lille, dennoch kann einem Übel aufstoßen das schon wieder die üblichen Verdächtigen aus den Löchern gekommen sind und Angebote für Fans geschnürt haben - noch bevor die normalen Fans eine Rückmeldung haben. Neben den Angeboten von Voss + Votava und Vietentours fällt vor allem das Angebot des hauseigenen Reisebüros auf. Mindestens 280 Plätze will man für Marseille verkaufen, das wären deutlich mehr als 10 % des gesamten Kontingents. Zusätzlich gab es noch ein Angebot, in dem man die Mannschaft zu dem Spiel nach Marseille begleitet. Dafür wurden nun vermutlich auch eine nicht bekannte Zahl an Eintrittskarten blockiert.
Auch für das Spiel in London steht zu erwarten, dass ein nicht ganz unerheblicher Teil der Karten wieder für allerlei „Fan“angebote draufgeht, die sich vor allem durch hohe Preise auszeichnen. Allerlei Gerüchte machen bereits die Runde und verunsichern die Fans weiter. Passend in diesem Zusammenhang ist, dass BEST zum Auswärtsspiel in der englischen Hauptstadt scheinbar schon ausverkauft ist - inklusive Karte versteht sich - noch bevor irgendwer anders bescheid weiß, ob er eine Karte bekommt. Darüber, warum dies so ist, kann man natürlich nur spekulieren. Insgesamt ist der BVB gerade dabei, eine riesen Chance zu vergeben, Danke zu sagen. Danke zu sagen für jahrelange „echte Liebe“. An die Leute, die dem BVB die Treue gehalten haben, als es auf Messers Schneide stand. Denen die den BVB auch folgten, als man weit weg war vom Fleischtopf Champions League.
Vor rund sechs Jahren hatte der BVB nicht viel mehr als seine Fans. Der Verein und die KGaA waren überschuldet und standen kurz vor dem Zusammenbruch, das Tafelsilber musste verkauft werden und ein Haufen junger Spieler sollte den Karren aus dem Dreck ziehen. Dennoch konnte der BVB recht erträgliche Sponsoringverträge abschließen. Dafür war sicherlich Glück nötig, aber eben auch durchschnittlich 70000 Besucher im Westfalenstadion und tausende Fans, die sich in noch so hoffnungslosen Zeiten aufrafften und ihre Farben in ganz Deutschland vertraten. Die Mannschaft vom BVB musste nahezu nie vor halbleeren Rängen und Gästeblöcken spielen, im Gegensatz zu anderen Vereinen wie Hannover 96, Wolfsburg, Hertha BSC oder Leverkusen, die in der selben Zeit ungleich erfolgreicher waren.
Die Mannschaft hat den Fans in den letzten drei Jahren eine Menge zurückgegeben und krönte das mit der Meisterschaft im Mai.
Nun hat also der Verein, bzw. der Konzern die Chance Danke zu sagen und die Karten vorrangig an jene zu geben, die eben auch dabei waren, als es nicht lief und die Reiseziele vor allem mit viel Aufwand verbunden waren. Den Leuten, die nach Baku und Lemberg gefahren sind, den Leuten, die den gefühlten Abstieg in Ostwestfalen miterlebten, den Leuten, die sich trotz Trostlosigkeit auf den Weg nach Cottbus machten, um ihre Farben, ihren Verein zu vertreten, während auf den Rasen Rumpelfußball um die goldene Ananas geboten wurde. Diesen Leute könnte man nun Danke sagen und mit ihnen eine geile Champions League Gruppenphase erleben. Die Möglichkeiten dafür sind so gut wie niemals zuvor. Es ist bekannt, welche Fanclubs seit Jahren mit einer Stammfahrerzahl dabei sind, es gibt eine Fanabteilung, die sich bemüht, kostengünstige gemeinschaftliche Anreisen zu organisieren, es gibt eine personell breiter aufgestellte Fanbetreuung, die sich durch wirkliche Fannähe auszeichnet und es gäbe genug Karten. Vermutlich sind sogar noch genug Karten für allerlei andere Interessengruppen da, wenn man nur die kommerziellen Anbieter etwas im Rahmen hält.
Das es keine vollkommene Gerechtigkeit gibt, ist jedem bewusst. Doch das wohl über 10% der Karten an kommerzielle Anbieter gehen, ist dann doch enttäuschend. Für Marseille ist das Kind wohl schon in den Brunnen gefallen. Doch stehen mit dem Spiel in London und Piräus noch zwei nicht minder interessante Spiele auf dem Programm, bei denen man eine Lösung im Interesse der Fans finden kann.
mrg, 06.09.2011