Penetranter als die Polizei erlaubt
Es gibt Menschen, denen kann man einfach nicht aus dem Weg gehen – weil sie selbst keiner Kamera und keinem Mikrofon ausweichen. Geht es zum Beispiel um historische Themen, kann man sicher sein, dass ein Guido Knopp irgendwo in der Nähe herumlungert. Oder Terrorexperten wie Rainald Becker, die die Attentate von Oslo sofort dem Konto islamischer Terroristen gutschrieben. Kurzum Menschen, die sich nicht scheuen, ohne tiefergehendes Wissen eine fundierte Meinung zu haben – und sie auch jedem auf die Nase binden müssen. Auch die Polizei hat so einen nervtötenden Menschen in ihren Reihen. Oder besser gesagt die Deutsche Polizeigewerkschaft, kurz DPolG. Sein Name dürfte mittlerweile vielen geläufig sein: Rainer Wendt.
Seine gebetsmühlenartige Forderung nach Beteiligung der Fußballvereine an den Kosten von Polizeieinsätzen und der damit verbundenen Herabwürdigung seiner Gewerkschaftsanhänger zum bezahlten Sicherheitsdienst ist mittlerweile altbekannt und könnte als populistischer Nonsens gähnend durchgelassen werden, wenn er da nicht noch ein paar andere interessante Ansichten in Petto hätte.
Ein paar Beispiele aus dem reichhaltigen Wissensschatz von Herrn Wendt gefällig?
„In der derzeitigen Situation müssen wir leider jedem Fußball-Fan sagen: Wer ins Stadion geht, begibt sich in Lebensgefahr.“ Interview Süddeutsche Zeitung
Unserer Redaktion und allen uns bekannten Fans geht es trotz regelmäßiger Stadionbesuche erstaunlich gut.
„Das Stadionverbot hat mit Strafverfolgung nichts zu tun. Es ist im Prinzip nichts anderes als die Ausübung des Hausrechts durch die Vereine und muss von keinem Gericht durch Strafspruch bestätigt werden.“ Interview Stadionwelt
Der Bundesgerichtshof schließt einen willkürlichen Ausschluss aus einem öffentlichen Raum übrigens aus und erlaubt dies nur bei einem sachlichen Grund – wie z.B. einem durch Polizei und Staatsanwaltschaft festgestellten Landfriedensbruch.
„Warum nicht? Wer sich identifiziert hat, neigt erfahrungsgemäß weniger dazu, sich daneben zu benehmen. Ich halte das für einen vernünftigen Weg und im Zeitalter moderner Kommunikationstechnik auch nicht für schwierig.“
Rainer Wendt auf die Frage nach personalisierten Tickets im Interview mit der Stadionwelt.
"Es gibt überhaupt keine Veranlassung, alle Polizistinnen und Polizisten unter Generalverdacht zu stellen, sie könnten Straftäter sein, die man identifizieren muss. Es ist schon grotesk: Während vermummte Gestalten durch die Hauptstadt laufen, Autos und Wohnhäuser anzünden und Polizisten attackieren, müssen die Polizisten ihre Identität jedem Chaoten preisgeben."
Rainer Wendt(ehals) im gleichen Stadionwelt-Interview zum Thema Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte.
Aber auch zu anderen Themen weiß Herr Wendt durchaus Erhellendes beizusteuern. So empfahl er dem Bundesgerichtshof den Schlusssatz „Im Namen des Volkes“ unter dem Freispruch eines Hells Angels wegen tödlicher Schüsse auf einen Polizisten, weil das Gericht dem Angeklagten das Gefühl der Notwehr zubilligte, zu streichen und erklärte, dass sich die Polizei „einmal mehr“ zum Abschuss freigegeben fühle.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hat es in Wendts Augen gar zur „personifizierten Beschädigung des Ansehens des deutschen Parlaments“ geschafft – weil er sich an einer Sitzblockade gegen Rechtsextremisten beteiligte.
Und das vielleicht schönste Zitat, das zeigt, wes Geistes Kind Herr Wendt ist: „Polizeiliche Einsatzmittel müssen Waffen sein, die weh tun, nur dann wirken sie.“
Aber was ist dieser Herr Wendt eigentlich? Jurist? Philosoph? Soziologe? Gar Universalgelehrter? Herr Wendt ist Polizeihauptkommissar und somit im gehobenen Polizeidienst. Als Fußballer wäre er sowas wie Innenverteidiger bei einem Drittligaverein – es gibt gute und es gibt schlechte, aber vor allem ziemlich viele davon. In seiner Position als Vorsitzender der DPolG wird er viele Sorgen und Nöte der Polizeibeamte erfahren und es ist sowohl sein gutes Recht, wie auch seine Pflicht, diesen Stimmen Gehör zu verschaffen. Das befähigt ihn jedoch nicht automatisch zu einer fundierten Einschätzung von Sach- und Rechtslagen in allen möglichen Lebensbereichen.
Dennoch findet Rainer Wendt immer und immer wieder eine Bühne, seine Meinung zu den verschiedensten Themenbereichen zum besten zu geben. Meist knallig populistisch, oft mit mehr als zweifelhafter Rechtsaufassung, häufig ohne das notwendige Fachwissen. Je nach Themengebiet wird auf Grundrechte gepocht, anderen werden sie eiligst abgesprochen. Sehr häufig entsteht der Eindruck, dass Herrn Wendt in seiner Laufbahn ein wesentliches Prinzip des Rechtsstaates verloren gegangen ist: die Teilung der Gewalten. Rechtsprechung ist Sache der Gerichte, nicht die der Polizei. Die Polizei ist dafür da, dem Recht zu seinem Recht zu verhelfen. Anscheinend zu wenig für Herrn Wendt.
Das wäre in geringen Dosen sogar zu ertragen, aber die Frequenz, mit der sein Name in Interviews und Beiträgen auftaucht, sorgt dann doch eher für Fassungslosigkeit und Bauchschmerzen. Vielleicht wären die Gewerkschaftsmitglieder gut beraten, sich zu überlegen, ob ein derartiger Scharfmacher und Brandstifter an der Spitze wirklich imagefördernd ist. Zumindest könnte man ihn öfters mal von den Kameras und Mikrofonen fernhalten. Und wenn er nicht freiwillig will? Was sagte Herr Wendt noch über polizeiliche Einsatzmittel?