Unsa Senf

Fragezeichen

23.10.2011, 20:54 Uhr von:  Redaktion

Klopp

Was für eine Saison. Was für eine Woche. In Piräus verlierst du mit der schwächsten Leistung unter Jürgen Klopp mit 1:3 und drei Tage später fiedelst du den Kölner FC locker mit 5:0 ab. Perfekter hätte man den bisherigen Saisonverlauf nicht zusammenfassen können. Die Mannschaft setzt Ausrufezeichen und hinterlässt dabei eine Menge Fragezeichen. Verwirrend, die bisherige Saison, aber nicht beängstigend. Zufriedenstellend, aber nicht berauschend. Wie all das einordnen, was ist der BVB in der Saison 2011/2012? Zu schwach für Europa, oder stark genug, um die nationale Titelverteidigung angehen zu können?

Die Unterschiede könnten größer nicht sein. Mit dem 1:3 im Athener Hafengebiet auf den letzten Platz einer zwar ausgeglichenen, aber nicht extrem starken Gruppe abgefallen, mit dem 5:0 gegen Köln den zweiten Tabellenplatz erobert. In der Champions-League holt man den einzigen Punkt mit einer großartigen kämpferischen Leistung gegen den eigentlich favorisierten FC Arsenal, nur um dann letztendlich sang- und klanglos beim zum Punktelieferanten auserkorenen Gegner Olympiakos Piräus fast schon alle Chancen auf die Zwischenrunde zu verspielen. In der Bundesliga geht man genau den umgekehrten Weg. Nach 5 Spieltagen wird schon die für die Interimsmeister (zwischen zwei Titeln der Bayern) der letzten Jahre typische Krise ausgerufen, 5 Spieltage später ist man erster Bayernjäger. Was die ganze Situation noch paradoxer macht: Fast die ganze Bundesliga hat sich auf die Spielweise der Borussen eingestellt und bereitet unserer Mannschaft oft große Probleme. In der Champions-League spielen die Gegner ihr Spiel, was uns eigentlich entgegenkommen sollte. Trotzdem holt man die Punkte dort, wo die meisten Widerstände zu vermuten sind.

jubel koelnWas man im Großen und Ganzen erkennt, findet man auch im Detail wieder. Die Mannschaft gibt in Hannover innerhalb von 10 Minuten eine 1:0 Führung aus der Hand und verliert in letzter Sekunde sogar mit zwei Treffern für Hannover. Das war ein Sonntag. Nur 5 Tage später fährt man nach Mainz – und wandelt mit einem Tor in allerletzter Minute einen 0:1 Rückstand in einen 2:1 Sieg um. Nach durchwachsenem Start wird jede Aufwärmrunde von Lucas Barrios frenetisch bejubelt, weil Ersatzmann Lewandowski den Ball einfach nicht im Tor unterbringen will. Nach dem Spieltag Nummer 10 muss man plötzlich feststellen, dass Lucas seinen Mitbewerber doch nicht wieder so leicht und locker aus dem Sturmzentrum vertreiben wird. Neben seinem eigentlich gewohnt, aber oft leider unterbewerteten, guten Spiel in der Ballbehauptung und -verteidigung trifft Lewandowski auf einmal und bombt sich mit 7 Toren auf Platz 3 der Torjägerliste. Da schlagen Hummels und Subotic gegen Piräus einen sinnfreien langen Diagonalball nach dem anderen aus der Abwehr heraus in die gegnerische Hälfte, ohne dass da auch nur ein Borusse in der Nähe ist und dann bereitet Hummels mit eben diesen Bällen, auch noch per Außenrist gespielt, gegen Köln zwei Tore vor. Überhaupt Köln. Die in dieser Saison souveränste und beste Offensivleistung unserer Mannschaft – und das ausgerechnet mit der defensivsten Variante auf der Doppelsechs mit Kehl und Bender.

Man könnte noch ewig so weitermachen und findet noch mit Sicherheit weitere Dinge, die einen unter dem Strich ziemlich ratlos machen. Erschwerend kommt noch der Kontrast der Meistersaison hinzu. Eine Saison mit Spielen, die fast an den perfekten Fußball grenzten. Eine Saison voller Leichtigkeit und Hackentricks. Vor diesem Hintergrund müssen viele Leistungen einfach blasser und trister wirken. Ist es da wirklich ein Wunder, dass unter den Fans die Bewertung der Mannschaft stark differiert? Während die einen nach manchen Spielen schon wieder die Meisterschale polieren wollen, rufen andere nach schlechten Spielen den fußballerischen Notstand aus. Den Mittelweg zu finden ist schwer. Weil er diese Saison nicht gerade, sondern im Zickzack verläuft. Zwischen wenig rein weißen und rein schwarzen Momenten gibt es viele, viele Grautöne. Man darf Spiele wie z.B. gegen Berlin nicht einfach als Ausrutscher abtun, weil das heißen würde, wichtige und sinnvolle Lehren liegen zu lassen. Sie sind aber auch kein Weltuntergang. Auch ist das 5:0 gegen Köln mit Sicherheit nicht die Rennaissance der Meisterelf, weil sich der Gegner in einer schlicht nicht bundesliagwürdigen Form präsentierte. Einige mögen das Auf und Ab unter den Fans teilweise hysterisch finden, aber letztendlich steckt da einfach viel Ratlosigkeit hinter.

trauer-piraeusVergessen sollte man bei der Beurteilung nicht, dass der BVB eine weitere „Lernsaison" durchläuft. So wie Klopp seiner Mannschaft erst das läuferische, pressingbetonte Spiel einimpfen musste, um daraus das Offensivspektakel der letzten Saison kreieren zu können, so lernt der BVB jetzt mit dem Ballbesitz umzugehen. Die taktische Grundausrichtung mag gleich sein, die spielerische ist eine ganz andere. Gegen Köln konnte die Mannschaft schon einmal andeuten, dass sich ein Übergewicht im Ballbesitz und schneller, direkter Fußball nicht gegenseitig ausschließen müssen. Wir werden das lernen. Wir werden Stück für Stück sicherer im Umgang mit Ballbesitz jenseits der 60 % Marke werden – und in der nächsten Saison beide Spielweisen miteinander verbinden. Unter diesem Aspekt kannt man die bisherige Saison durchaus nachvollziehen. Starke Schwankungen in der Tagesleistung. Manchmal findet das Team die notwendige Balance und dominiert den Gegner und dann wieder werfen schon leichte Veränderungen im Spiel unsere Jungs ziemlich aus der Bahn. Vielleicht, ja sogar wahrscheinlich, reicht das erst einmal noch nicht für die Champions-League, aber wir könnten auch deutlich schlechter dastehen. Mit dem zweiten Platz halten wir uns in der Bundesliga gut, ja sogar hervorragend. Und momentan bewahren wir uns erst einmal alle Chancen, in der nächsten Saison Europa zu zeigen, dass der BVB eine Entwicklung durchlaufen hat. Alles wird gut.

Sascha, 23.10.2011

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