Mach's gut, Nuri
Jetzt ist es also raus, Nuri. Du verlässt den BVB. Nach elf Jahren, in denen Du es aus den Jugendmannschaften der Borussia in die Bundesliga, in die Nationalmannschaft Deines Landes und schließlich auch auf den Thron des deutschen Fußballs geschafft hast. Und jetzt Real. Das ist logisch, das ist der nächste Schritt. Nach einer Zeit der Stagnation hast Du Dich die letzten Jahre phänomenal entwickelt. Du bist erwachsen geworden – und vielleicht dieser Mannschaft und dem BVB sogar ein Stück weit entwachsen.
Du kannst der erste Türke sein im Trikot von Real. Deine Familie und Deine Landsleute wird das mit Stolz erfüllen. Und auch im Nationalteam hast Du von nun an ein ganz anderes Standing. Auf den besten Mittelfeldspieler der Bundesliga konnte Guus Hidding selbst im Meisterjahr durchaus verzichten. Dass er am Sechser von Real Madrid vorbei kommt, darf jedoch bezweifelt werden.
Für uns Fans ist das bitter, waren wir doch für einen kurzen Moment der Illusion erlegen, diese Mannschaft da unten auf dem Rasen würde eine Weile in dieser Konstellation zusammenspielen können. Würde gemeinsam eine neues Kapitel der BVB-Geschichte schreiben und eine neue schwarzgelbe Ära begründen. Zumindest Du bist nun kein Teil mehr dieser Zukunft.
Doch Du bist eben auch nicht für unsere Träume verantwortlich, sondern nur für Deine eigenen. Es ist Dein Leben und Deine Karriere. Und wenn es eben Dein Wunsch ist, Dich an der großen Aufgabe Real Madrid zu versuchen, können und sollten wir Dir keine Steine in den Weg legen. Du hast über Jahre gezeigt, dass Dir der Verein am Herzen liegt. Du hast Dich hier entwickelt. Man hat Dir das Vertrauen geschenkt und Du hast es uns und dem Verein zurückgezahlt durch Dein Spiel. Wir sind also quitt und Du stehst nicht in unserer Schuld.
Bis hierher alles kein Problem.
Doch da gibt es noch eine andere Seite, eine weniger schöne. Von der Tribüne aus betrachtet, warst Du nicht nur das Gehirn dieser Mannschaft. Du warst ihr Spielführer im besten Sinne, ihr heimlicher Kapitän. Und, Nuri, lass Dir eines sagen: Der Kapitän geht nicht als erster!
Ja, ich weiß. Es ist eine Chance für Dich. Und vielleicht kommt so eine auch nie wieder. Wobei: Glaubst Du das wirklich? Bei Deinem Talent? Bei Deinem Willen? Egal.
Was aber wirklich schmerzt, ist die Enttäuschung. Es ist wenige Wochen her, da hast Du eine Reporterfrage nach Deiner Zukunft sinngemäß quittiert mit den Worten: „Die Fans wissen, wie ich mich entschieden habe.“ Und das war nicht einfach kryptisch in den Raum gestellt, es war Deine Replik auf ein Spruchband von uns Fans: „Mit Nuri in der Champions League.“
Damit hast Du uns Hoffnung gemacht. Hoffnung auf Deinen Verbleib. Hoffnung darauf, dass nach Mats Hummels, nach Marcel Schmelzer nach Sven Bender und Co. auch Nuri Sahin dem BVB erhalten bleiben würde. Du hättest schweigen können. Du hättest ausweichen können und darauf verweisen, dass Du Dir um Deine Zukunft erst nach der Ligaentscheidung Gedanken machen willst. Du hast es nicht getan. Stattdessen hast Du uns ein Signal gegeben, dass wir Deinen Wechsel nicht befürchten müssen. Und nun wechselst Du. Mich enttäuscht das sehr. So etwas, Nuri, tut man nicht!
Und dann dieser Zeitpunkt: Die Gerüchte um Dich und Real ranken seit Wochen. Sie kamen auf in der entscheidenden Phase der Meisterschaft. Hattest Du da echt den Kopf frei für Wechselgedanken? Mein tiefer Respekt, wenn es so war.
Doch nun, wo wir alle diesen Titel feiern wollen, wo sich Stadt und Verein der Euphorie einen Moment lang unbeschwert hingeben wollen. Jetzt, genau in diese Momente der Freude hinein, verkündest Du Deinen Abschied. Nuri, das kann doch nicht Dein Ernst sein!
Ist Deine Entscheidung richtig? Das weißt Du heute wahrscheinlich selbst noch nicht. Doch in einem Jahr, in zwei Jahren, vielleicht in fünf Jahren wirst Du zurückblicken und beurteilen können. Ich wünsche Dir, dass Du dann glücklich und zufrieden zurückschaust. Und ich drücke Dir die Daumen, dass Du den Königlichen, den Galaktischen, dem weißen Ballett einmal zeigst, wie in Dortmund Fußball gespielt wird.
Auf ewige Zeiten wirst Du uns im Gedächtnis bleiben als der Kopf der Meistermannschaft 2010/2011. Du warst ihr Denker und Lenker und auch wenn Du immer nur einer von elf Spielern auf dem Platz warst, so war Dein Anteil doch noch immer etwas größer, ohne dass ich die Verdienste auch nur eines anderen schmälern will.
Das ist es, was Du erreicht hast mit dem BVB. Mit uns. Nicht mehr und nicht weniger.
Doch da ist auch noch das, was Du nicht erreichen wirst. Seit heute steht fest, dass das Team ein etwas anderes Gesicht erhält, einen anderen Kopf. Die Chancen stehen noch immer gut, dass diese Mannschaft ein neues, großartiges Kapitel der Vereinsgeschichte schreibt und eine neue schwarzgelbe Ära begründet. Dann aber ohne Nuri Sahin.
Ich finde das unendlich schade.
Arne, 09.05.2011