Sponsorenpflege 09: Die Fan- und Förderabteilung des BVB mit neuem Aufgabenbereich
Schon das Einladungsschreiben zur neuen Evonik-Kampagne „Deine Anzeige für den BVB“ versprach bei genauem Studium desselben einiges an Brisanz, was nicht jedem sofort ins Auge stach. „Der von den BVB-Fans als kreativster Hauptsponsor der Bundesliga gesehene Essener Industriekonzern Evonik Industries AG will einmal mehr deutlich machen, dass er diesem Ruf gerecht wird“, heißt es da vollmundig. Man werde „den Spieß nun allerdings umdrehen und mit dem neuesten Projekt an die Kreativität der Fans appellieren.“ Als Gesprächspartner stehen bereit: Evonik-Markenchef Markus Langer und der Leiter der Fan- und Förderabteilung (FA) des amtierenden deutschen Meisters, Marco Blumberg. Wir von schwatzgelb.de ließen uns natürlich nicht lange bitten, es ging schließlich um ein Projekt mit Fans unter gleichzeitiger Beteiligung der FA.
Zu Beginn des Pressegesprächs gab es vom Hauptsponsor kurz die üblichen, aber derzeit ohne Zweifel berechtigten, Lobeshymnen auf den BVB, eine kurze Zusammenfassung der erfolgreichsten Werbeanzeigen von Evonik unter dem Motto „Alltagsspuren“, sowie einen Rückblick auf ebenso erfolgreiche wie lustige TV-Spots, die jedem BVB-Fan bekannt sein dürften. Man bekomme stets kreative Vorschläge für Anzeigen aus dem BVB-Fanlager, so dass man folgerichtig auf die Idee eines Wettbewerbs gekommen sei. Jeder Fan, der an diesem teilnehmen will, soll auf Facebook eine Anzeige entwerfen, die bisher noch nicht veröffentlicht wurde. Eine Jury (u.a. mit Marco Blumberg) entscheide dann über die Gewinner. Preise gebe es auch, u.a. VIP-Tickets zu einem Champions League-Auswärtsspiel (Gruppenphase) inklusive An- und Abreise für den Gewinner. Soweit der Marketing-Experte. Bis hierhin nichts Besonderes. Imagekampagne unter Mithilfe der BVB-Fans für Evonik. Kann man gut oder nicht so gut finden. Als Marco Blumberg, der gewählte Leiter der FA dann das Wort ergriff, wurde es dann leider doch wie Eingangs erwartet - ein Fremdschämen in Reinkultur!
„Als BVB-Fan freut man sich auf jede Werbung mit Evonik.“
„Es gibt keinen anderen Bundesliga-Sponsor, der sich so mit den Fans identifiziert.“
„Sponsoren, die gute Konzepte haben, wollen wir unterstützen.“
„Der Sponsor hat, bis auf die Fahnen-Aktion, beim Rest viel richtig gemacht.“
„Wir wollen bei Aktionen gestaltend mitwirken, die dem Sponsor den gewünschten Werbeeffekt bringen und den Fans nicht zu sehr schaden.“
Er schloss seine Ausführungen mit den Worten: „Wir müssen alle erkennen, dass Sponsoring zum modernen Fußball gehört!" Wohlgemerkt, das war nicht der Direktor für Vertrieb, Marketing und Business Development von Borussia Dortmund, Carsten Cramer, der da sprach, sondern der oberste Fanvertreter des BVB.
Um eines direkt klar zu stellen:
Dass Evonik, wie jeder andere
Sponsor im Sportbereich auch den gesponserten Verein im Gegenzug als
Werbeträger benutzt, um sein Image zu verbessern, liegt in der Natur der Sache. Das
auch Sponsoren stets versuchen Einfluss auf die Vereine zu nehmen, oder deren
Fans für Werbezwecke benutzen wollen, mögen einige verwerflich finden, ist aber
aus Sicht der Unternehmen absolut verständlich.
Als Vertreter des Gesamtvereins ist die FA aus unserer Sicht aber nicht die ‚Abteilung Sponsorenpflege‘ der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, sondern schlicht und einfach ein Vereinsvertreter des Ballspielverein Borussia 09 e. V. und dessen Mitglieder. Wir finden es im höchsten Maße verwerflich, dass gewählte Fanvertreter sich als Imagehelfer für einen Sponsoren hinstellen, was niemals zu dessen Aufgabenbereich gehören sollte. Wieso hat die FA nicht selbst diese Fanaktion ins Leben gerufen? Braucht man die Kreativität eines Unternehmens dafür? Auf Nachfrage wurde übrigens bestätigt, dass die Fanabteilung daraus keinen direkten Nutzen zieht. Weder Geldmittel noch andere Zuwendungen flössen seitens des Essener Unternehmens. Dann fragen wir uns, wieso die FA sich zur Teilnahme entschlossen hat.
Jeder Sponsor ist jederzeit herzlich eingeladen, Fanprojekte zu unterstützen oder ins Leben zu rufen. Wir befürworten und begleiten das gerne, aber stets mit kritischem Blick, wie es auch jeder der sich Fanvertreter nennt tun sollte, um nicht vereinnahmt zu werden. Aber solange nur das Unternehmen sowie eine kleine Gruppe von solchen Aktionen profitiert und die Masse der Fans nicht, lehnen wir diese ab (wie auch die Fahnenaktion von Evonik auf der Süd im Jahr 2007). Letztendlich muss jeder Fan selbst entscheiden, ob und wie er sich an solchen Aktionen beteiligt. Evonik ist trotzdem ausdrücklich von der Kritik ausgenommen. Sie haben eine Marketing-Idee und Borussia Dortmund will diese unterstützen. Tagesgeschäft. Was auf Herrn Blumberg und die FA nicht zutrifft. Aus unserer Sicht wurden ohne Not und vor allem ohne Gegenleistung eine Grenze überschritten, die man als Fanabteilung sicherlich nicht überschreiten musste und mit dieser Intensität nicht überschreiten sollte. Die Fanabteilung ist gut beraten, sich wieder mehr auf ihr ureigenes Tagesgeschäft, den Fan und seine Interessen - zu fokussieren. Dort gibt es jede Menge Gestaltungsspielräume. Was nützt den Fans eine Fanabteilung, die man ständig in der Nähe von irgendwelchen Sponsoren wahrnimmt?
„Wir wollen bei Aktionen gestaltend mitwirken, die dem Sponsor den gewünschten Werbeeffekt bringen und den Fans nicht zu sehr schaden.“
Den Schaden hat derzeit nur die FA, Herr Blumberg.
Redaktion, 10.08.2011