Kein Zwanni - eine Momentaufnahme - Teil 2
Es ist gerade einmal ein Dreivierteljahr her, dass sich im Rahmen des Derbys aufgrund unverschämt hoher und eines nicht mehr zu vertrendenen Topspielzuschlags die Aktion „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein" gründete. Innerhalb von drei symphatisch chaotischen Wochen voller Hektik, Hoffnungen und leider auch Enttäuschungen wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesliga ein Protest organisiert, der über Spruchbänder in Stadien und akkustisch geäußerten Unmut hinaus ging. Der organisierte Boykott eines Spiels. Dabei war von Anfang an klar, dass es sich hierbei nicht um eine einmalige Aktion handeln sollte. Um die für den Fan - und langfristig auch für den Fußball an sich- problematische Entwicklung bei den Eintritsspreisen zu stoppen braucht es Zeit und Hartnäckigkeit. Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Im ersten Teil sind wir auf die Ursprünge und Grundgedanken eingegangen. Nun schaun 'mer mal, wie der Kaiser zu sagen pflegt, wie denn der Ist-Zustand aussieht.
Das allgemeine Ziel, die Aktion auf eine vereinsübergreifende Basis zu stellen, wurde bereits erreicht. Zuspruch erfährt sie nahezu von Fans aller Vereine. Aktiv eingebunden haben sich neben den Initiatoren des BVB auch Fans des HSV, vom 1. FC Köln und von Bayern München. Eine unkomplizierte und sinnvolle Zusammenarbeit, wie man sie schon bei großen Spruchbandaktionen bei Spielen untereinander in der Rückrunde der letzten Saison oder der gemeinsam durchgeführten Kundgebung in Hamburg sehen konnte. Hier wird an einem Strang gezogen und sich gegenseitig unterstützt. Man befindet sich hier auf einem richtig guten Weg und an dieser Stelle auch nochmal Grüße und ein Dank in Richtung Hansestadt, Domstadt und an den Marienplatz. Nicht vergessen darf man hier auch die Mainzer, die ihrerseits ebenfalls aufgrund des aufgerufenen Topspielzuschlags das Spiel in Gelsenkirchen boykottiert haben, ebenfalls unter dem „Kein Zwanni"-Motto. Es wächst also etwas heran.
Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Aktion eigentlich immer noch in den Kinderschuhen steckt. Bis diese Zusammenarbeit wirkliche Früchte tragen kann, braucht es Zeit und Geduld. Es wird eine Politik der kleinen Schritte, die wahrscheinlich auch manchmal Stillstand und eventuell sogar kleine Rückschritte mit sich bringen kann.
Auf Dortmund bezogen gibt es aktuell zwei Spiele, bei denen man seitens „Kein Zwanni" aktiv geworden ist. Das Rückrundenspiel im traditionell teuren Hamburg und das Erstrundenspiel im DFB-Pokal in Sandhausen. In beiden Fällen hat sich die Faninitiative im Vorfeld der Partien mit einem Brief an die Vereine gewendet, ihren Unmut über die Preisgestaltung artikuliert und eine Senkung der Preise gefordert. Überlegungen, auch diese Spiele zu boykottieren, wurden ebenso in Aussicht gestellt. Diese „letzten Patrone" wurde dann letztlich doch stecken gelassen, da der HSV Gespräche über Eintrittspreise für die nächste Saison zusicherte und in Sandhausen eine Reduzierung der Stehplatzpreise von 18,00 auf 15,00 Euro vorgenommen wurde. Naturgemäß gibt es in der Beurteilung der Ergebnisse eine Bandbreite. Für die einen ein toller Teilerfolg, für die anderen viel zu wenig. Je nach subjektiver Meinung.
Fakt ist jedoch, dass der SV Sandhausen seine Kartenpreise für fast drei Viertel der Fans um rund 17 % gesenkt hat und dass der HSV Gesprächsbereitschaft für die künftige Preisgestaltung seiner Gästekarten signalisiert ist. Das zeigt, dass man auch als junge Fanbewegung von den Vereinen ernst genommen wird und demnächst mit einem der großen Vereine am Tisch sitzt. Sicherlich muss aus dem Gespräch mit dem HSV ein konkretes Ergebnis entstehen und natürlich sind die Sitzplatzpreise in Sandhausen immer noch viel zu hoch, aber hier ist eine Basis, ein Fundament gelegt worden. Fans werden in der Preispolitik als Faktor wahrgenommen und nicht nur als reine Zahler. In meiner persönlichen Einschätzung zu Beginn der Aktion hätte es dafür einen längeren Zeitraum und mehr „Kampfmaßnahmen" gebraucht.
Soll sich der langfristige Erfolg einstellen, muss ein Konsens zwischen den auch berechtigten finanziellen Interessen der Vereine und den Interessen der Fans ermittelt werden. Das Finden eines Wegs, der für beide Seiten gangbar ist. Dafür müssen Fans zu allererst als Gesprächspartner wahrgenommen und akzeptiert werden. In diesem Punkt konnte somit schon ein erster, kleiner Erfolg erzielt werden. Sicherlich darf man nicht den Fehler machen und sich selbstgefällig auf die Schulter zu klopfen. Der Weg wird noch lang und hart. Es geht hier um viel Geld, dass die Vereine nicht leichtfertig und schnell verschenken wollen. Schwieriger wird mit Sicherheit sein, einen Konsens bei der Gestaltung der Sitzplatzpreise zu finden. Hier sind die Kontingente größer, die Preise höher. Einschnitte in diesem Bereich sind für die Vereine schwerer zu verkraften als bei Stehplätzen, so dass hier in der Zukunft mit Sicherheit das größte Reibungs- und Diskussionspotential liegt. Aber „Kein Zwanni" hat nicht vor, sich in diesem Punkt abweisen zu lassen und wird sich gleichberechtigt für Steh- und Sitzplatzkarteninhaber einsetzen.
Unter diesem Aspekt des Aufeinanderzukommens muss man auch den Verzicht auf Boykotts in Hamburg und Sandhausen werten – auch wenn es für einen persönlich vielleicht nicht zufriedenstellend ist. Die Brechstangenmethode ist ein Irrweg. Man kann ständig zum Boykott aufrufen, wenn die Maximalforderungen nicht umgehend erfüllt werden, aber man hinterlässt auf beiden Seiten damit nur Verlierer. Vereine, die sich erpresst fühlen und auf sturr schalten und Fans, die nicht ihre Mannschaft im Stadion unterstützen können. Und zu oft eingesetzt, ist der Boykott auch eine „Waffe", die sich abnutzt und schnell stumpf werden kann. Denn wenn die „Unruhestifter" immer öfter draußen bleiben, wird ihr Platz von anderen Menschen eingenommen, die noch eher bereit sind, Karten zu immer steigenden Preisen zu kaufen. Die Abstimmung mit den Füßen sollte deshalb niemals erstes Druckmittel, sondern immer das letzte Zeichen der Unzufriedenheit sein.
Bis dahin sollte man versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden und die ersten Zugeständnisse als erste Schritte auf diesem Weg werten.