...U15-Trainer Benjamin Hoffmann (Teil 2): "Mehr Konstanz gibt es nicht"
Im ersten Teil des Interviews sprach schwatzgelb.de mit dem U15-Trainer des BVB, Benjamin Hoffmann, über Spiel-Philosophien, Stabi-Übungen und Kevins langen Schatten.
In Teil zwei dreht sich alles um Lizenzen, Taktik (oder doch nicht?) und den modernden Trainertyp, der Sozialarbeiter, Scout und irgendwie ein Mädchen für alles sein muss.
schwatzgelb.de: Wie funktioniert eigentlich der Austausch mit den anderen Jugendtrainern im Leistungsbereich?
Benjamin Hoffmann: Wir vier Leistungstrainer der U14-U19 haben immer wieder Sitzungen, beobachten Spiele des anderen, falls es der Spielplan zulässt und tauschen uns ständig aus. Wir verstehen uns alle sehr gut und freuen uns über Erfolge des anderen.
Wie sieht dein Ausbildungsstand aus? Welche Trainerscheine muss/sollte man haben?
Benjamin Hoffmann: Zum einen haben wir unsere Trainersitzungen beim BVB, wo wir verschiedene Themen besprechen, uns also selbst fortbilden. Zudem bietet beispielsweise im U15-Bereich auch der DFB immer wieder Fortbildungen an. Zweimal im Jahr treffen sich die U15-Trainer der Nachwuchsleistungszentren, ebenso wie die U17 und U19 Trainer der Nachwuchsleistungszentren. In diesem Rahmen bietet der DFB eine zweitägige Schulung an. Also werden zweimal im Jahr bestimmte Themenschwerpunkte bearbeitet. Zumeist finden diese Tagungen im Verbund mit einem Juniorenländerspiel der jeweiligen Altersklasse statt. Zudem muss man bestimmte Fortbildungen besuchen, damit der Trainerschein gültig bleibt. Ich persönlich habe den C-Schein direkt gemacht, als ich beim BVB als Co-Trainer angefangen habe. Als ich dann die hauptamtliche Stelle bekam, habe ich direkt hintereinander die B und A-Lizenz erworben. Denn da hatte ich die dafür notwendige Zeit. Es sollte aber schon die A-Lizenz sein. In der C-Jugend reicht eigentlich auch die B- oder C-Lizenz. Je besser man ausgebildet ist, desto besser ist es aber auch für die Jugendlichen. Auch wenn ich die mannschaftstaktische Ausbildung im U15-Bereich nicht direkt brauche. Da geht es eher um Gruppen- und Individualtaktik und den kompletten technischen Bereich. In dieser Altersgruppe muss ich den Jungs nicht unbedingt sagen, wie wir im Mannschaftsverbund spielen müssen. Es sieht trotzdem geordnet aus. Wir trainieren aber nicht elf gegen elf oder elf gegen null. Wir machen das eher in Kleingruppen, wie sechs gegen sechs oder acht gegen acht. Was anderes gibt auch die Kadergröße nicht her. Die A-Lizenz hilft mir eher das große Ganze zu verstehen, ich brauche das aber nicht, um ins Trainingsdetail meiner U15 zu gehen.
Wie lange dauert es, einen solchen Trainerschein zu erwerben?
Benjamin Hoffmann: Die C-Lizenz erwirbt man in 6 Wochen, B und A-Lizenz werden in dreiwöchigen Lehrgängen erworben, wobei die ersten zwei Wochen zur Fortbildung genutzt werden und in der dritten Woche die Prüfungen stattfinden. Der Fußballlehrer, den Hannes Wolf gerade macht, ist dann natürlich etwas intensiver und die Ausbildung dauert knapp ein Jahr.
Findet die Ausbildung zum Fußballlehrer in Vollzeit statt?
Benjamin Hoffmann: Von Montags bis Mittwoch findet die Ausbildung in Hennef statt, so dass Hannes Wolf (Trainer-U17) dann ab Donnerstag immer bei der Mannschaft ist. Die fangen morgens an und hören abends spät auf. Das ist auf jeden Fall intensiv.
Man sieht ja wie wenige es im Profibereich geschafft haben, die Ausbildung neben ihrer Tätigkeit als Cheftrainer zu absolvieren, ohne ihren Job zu verlieren…
Benjamin Hoffmann: Das geht auch im Profigeschäft eigentlich nicht. Da ist man einfach zu weit weg von der Mannschaft. Im Jugendbereich ist das eher möglich. Holger Stanislawski ist wohl einer der wenigen der es trotzdem geschafft hat, aber bei St. Pauli gelten wohl auch eigene Gesetze. Der war ja auch vorher schon so viele Jahre im Verein. Wenn der erst ein Jahr im Verein gewesen wäre, hätte das wohl auch anders ausgesehen, schließlich sind sie ja abgestiegen.
Du erwähntest vorher taktische Komponenten der A-Lizenz-Ausbildung, die sich nicht ohne weiteres auf den U15-Trainingsalltag übertragen lassen. Lohnt es in diesem Alter noch nicht, auf das Taktische einzugehen?
Benjamin Hoffmann: Überforderung ist da nicht der Grund. Wenn die Jungs in der U12 und U13 das komplette Technikrepertoire lernen, ist das schon super, um dann in der U14/15 Gruppentaktiken zu lernen. Wie verhalte ich mich z.B. in der Viererkette oder in Pressingsituationen? Wenn das sitzt, sind wir den anderen Teams einen großen Schritt voraus. Wie man sich als rechter Außenstürmer verhalten muss, wenn der linke Außenverteidiger die Linie entlang läuft, das müssen sie noch nicht unbedingt verstehen. Das kommt in der U17/19. Hier reicht es situativ zu erkennen, dass wenn einer in meinem Raum läuft, vielleicht eine vier gegen vier Situation um mich herum entsteht und dann weiß, wie ich mich verhalten muss. Eher positionsbezogen, Gruppentaktisch betrachtet. „Wie spiele ich im Verbund“ kommt dann in den Folgejahrgängen. Um diese Dinge wie Technik und Gruppentaktik zu trainieren braucht man keinen Fußballlehrer. Was wir machen ist reine Detailarbeit. Es geht z. B. darum wie sie den Pass spielen. Mit der Innen- oder Außenseite, Voll- oder Innenspan? Ist es der richtige Fuß in der richtigen Aktion? Bekommt auch der Mitspieler den Ball in den richtigen Fuß? Gegnernah oder -fern? Wie verhalte ich mich danach? Welches Kommando gebe ich dem Passempfänger? Darum geht es.
Hört sich nach einem 24 Stunden Job für den Jugendlichen an. Wieviel Zeit muss er investieren pro Woche?
Benjamin Hoffmann: Mit Training, Hausaufgaben, An- und Abreise zum Pflichtspiel insgesamt 20 Stunden pro Woche - mindestens. Neben der Schule, Freunden und vielleicht der Freundin.
Und Du?
Benjamin Hoffmann: Es gibt Spieler, um die muss man sich mehr kümmern. Die ohne den Fußball untergehen würden. Ich beobachte bei einigen Spielern z. B. auch deren schulische Entwicklung. Bin bei Problemen, Verletzung, Krankheit oder Elternsprechtagen präsent. Dazu kommen noch die normale Trainingsarbeit mit Vor- und Nachbereitung sowie das Ganze nochmal an Spieltagen. Die Nachbereitung geht mittlerweile online relativ fix. Zusätzlich fahre ich nach dem eigenen Spiel z. B. nach Bochum, Schalke oder derzeit auch zur Eintracht aus Dortmund und schaue mir unsere nächsten Gegner oder einzelne Spieler an. Dann ist man den ganzen Tag oder sogar das Wochenende mit Fußball beschäftigt. Oder man fährst zu DFB- oder Westfalenauswahl-Lehrgängen, zu Juniorenländerspielen und schaut sich die verschiedenen Jahrgänge an. Einen Teil des Scouting übernehmen beim BVB die Jugendtrainer. Es gibt noch einige Regionalscouts, die das nebenberuflich machen und Spiele, Spieler und Turniere beobachten. Die kontaktieren uns dann, falls einer auffällt. Wenn es aber an das Eingemachte geht und Entscheidungen getroffen werden müssen, sollte der Trainer den neuen Spieler ja schon bestens kennen. Zudem koordinieren wir Turniere, Freundschaftsspiele und bearbeiten Anfragen. Ein Fulltime-Job also.
Besuchst Du eigentlich auch Livespiele bei den Profis?
Benjamin Hoffmann: Früher habe ich natürlich auf der Südtribüne gestanden oder war selber Balljunge und wenn die Termine es heutzutage zulassen, besuchen wir mit der Mannschaft so oft es geht die Spiele der Profis. Wenn wir am gleichen Tag wie die Profis ein Heimspiel haben, versuchen wir das Spiel auf 11:00 Uhr zu legen, damit wir nachher noch das Spiel der Profis sehen können. Vor allem sind die Jungs natürlich heiß darauf, ins Stadion zu gehen und als Balljungen eingesetzt zu werden. Das ist völlig normal, dass sie auch die Profispiele sehen wollen.
Wo siehst Du Dich beruflich in zehn Jahren?
Benjamin Hoffmann: Ganz ehrlich: Ich hoffe immer noch beim BVB. Die Konstanz im Trainerbereich ist schon außergewöhnlich.Das beste Beispiel dafür ist ja Volker Pröpper, mein Trainerkollege, der dieses Jahr die U14 trainiert. Er war mein Trainer, als ich beim BVB in der Jugend gespielt habe. Ich bin jetzt 32 und bin mit 14 zum BVB gekommen, das heißt ich habe hier vor 17 Jahren schon die gleichen Leute wie heutzutage gesehen. Wenn Eddy Boekamp damals nicht das Angebot gehabt hätte, mit Michael Skibbe in die Türkei zu gehen, wäre der auch immer noch hier. Peter Wazinski, unter dem ich kurzzeitig in der B-Jugend trainiert habe, ist heute mein Chef. Mehr Konstanz gibt es nicht. Ich bin knapp 10 Jahre als Trainer bei Borussia Dortmund im Jugendbereich und ich sehe bei anderen Vereinen die Trainer kommen und gehen, während hier langfristig gearbeitet wird. Die Zusammenarbeit mit Lars Ricken und Peter Wazinski ist super. Deshalb wäre alles in Ordnung, wenn ich in 10 Jahren immer noch bei Borussia Dortmund tätig bin. Warum soll ich woanders hin? Ob es irgendwann mal höher geht, muss man sehen, aber wenn ich in 10 Jahren immer noch diesen Job machen darf, bin ich glücklich. Woanders sehe ich mich auch gar nicht.
Abschließend noch eine Frage zur aktuellen Saison. Setzt man sich neben dem Ziel, möglichst viele gut ausgebildete Spieler an die U17 zu übergeben, auch ein sportliches Ziel und wie sieht dieses Ziel in dieser Saison aus?
Benjamin Hoffmann: Der dritte Platz ist ein Muss. Wir möchten aber Gelsenkirchen und Leverkusen jagen. Das sind die beiden Mannschaften, die in diesem Jahrgang richtig gut sind. Im letzten Jahr hat Leverkusen mit der U14, also den 97er Jahrgängen alle Meisterschaftsspiele gewonnen. Schalke konnten wir zweimal schlagen. Trotzdem hat es am Ende nur für Platz drei gereicht. Es ist unser Anspruch oben mitzuspielen und vielleicht gelingt uns dann die Punktlandung, so dass wir noch weiter vorne landen. Da darf man sich dann aber keinen Durchhänger erlauben. Schließlich ist auch Erfolgsdenken und hungrig auf Siege sein ein Ausbildungspunkt.
Wir bedanken uns für das Gespräch.