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...U15-Trainer Benjamin Hoffmann (Teil 1): "Ich will nicht Profi werden, das ist mir zu stressig!"

03.11.2011, 09:09 Uhr von:  Walter09 Web
...U15-Trainer Benjamin Hoffmann (Teil 1): "Ich will nicht Profi werden, das ist mir zu stressig!"
Benjamin Hoffmann

Seit dieser Saison ist er Hauptverantwortlicher für die Leistungen der U15 des BVB auf dem Platz: Trainer Benjamin Hoffmann. Ur-Dortmunder, ex-BVB-Juniorenspieler, Sozialarbeiter und Fußballfan. Im ersten Teil des Interviews spricht schwatzgelb.de mit ihm über Spiel-Philosophien, Stabi-Übungen und Kevins langen Schatten.

schwatzgelb.de: Wie bist Du auf die Idee gekommen Fußballtrainer im Jugendbereich zu werden und warum bist Du dann beim BVB gelandet?

Benjamin Hoffmann: Den Traum hatte ich schon, als ich selbst bei Borussia Dortmund in der Jugend gespielt habe. Ich war von der C-Jugend an bis zum Ende der A-Jugend beim BVB. Damals war unter anderem Volker Pröpper mein Trainer (Anmerkung: Pröpper trainiert in diesem Jahr die U14 des BVB). Auch unter Peter Wazinski, Eddy Boekamp und Michael Skibbe habe ich trainiert. Damals habe ich gesehen, wie viel Spaß sie bei der Arbeit haben. Und da habe ich schon davon geträumt, diesen Job irgendwann auch machen zu können, falls es mit dem Traum vom Profifußball nichts werden sollte. Dass ich dann am Ende auch hier gelandet bin, ist natürlich eine sehr glückliche Fügung. Aber der Wunsch, irgendwann mal eine Jugendmannschaft zu trainieren, reifte schon damals in mir. Der Kontakt zu den Ex-Trainern beim BVB ist auch nie ganz abgerissen, nachdem ich die Borussia dann verlassen habe. Im Jahr 2002 bekam ich einen Anruf von Peter Wazinski und er erzählte mir, dass er noch einen Co-Trainer für die U17 suchen würde. Wir haben uns dann am selben Tag noch zusammengesetzt und am Ende hat er mir zwei Tage Bedenkzeit gegeben, um zu entscheiden, ob ich das Angebot annehmen möchte. Ich habe ihn dann am selben Abend noch angerufen und ihm gesagt, dass ich mir das nicht weiter überlegen müsse. Ich habe damals noch beim Verbandsligisten VfL Schwerte gespielt, die Fußballschuhe dann aber am Ende der Saison an den Nagel gehängt. Das Gespräch fand im September statt und ein Dreivierteljahr später war ich dann mit jungen 22 Jahren Co-Trainer bei Borussia Dortmund. Ich habe dann sechseinhalb Jahre unter Peter Wazinski als Co-Trainer der U17 gearbeitet. Als Eddy Boekamp (Anm.: zu der Zeit Nachwuchs-Koordinator beim BVB) zusammen mit Michael Skibbe in die Türkei gegangen ist, gab es unter den BVB-Jugendtrainern eine größere Rochade. Peter Wazinski ist dann nach oben weg gegangen (Anm.: Er wurde neben Lars Ricken sportlicher Leiter der BVB-Jugendabteilung) und ich bekam einen Anruf von Lars Ricken. Er fragte mich, ob ich mir eine hauptamtliche Tätigkeit beim BVB vorstellen könnte. Bis zu dieser Zeit war die Tätigkeit als Co-Trainer komplett nebenberuflich. Ich bin Bankkaufmann und war im Finanzbereich tätig. Ich habe also vier bis fünf Mal in der Woche meine Freizeit dafür geopfert. Den Schritt in die hauptamtliche Trainertätigkeit wollte ich dann auch wagen, denn das war ja mein lang gehegter Traum. Der Fußball ist einfach mein Leben.

Zu deinen "Jungs": Wie tritt der BVB an U15-Spieler heran, um sie zu verpflichten? Wie überzeugt man einen Jugendspieler zur Borussia zu wechseln?

Benjamin Hoffmann: Es klingt vielleicht ein wenig blöd, aber wir erleben es immer wieder: Je erfolgreicher die BVB-Profis sind, desto mehr Jugendliche gibt es, die Borussia Dortmund Fans sind. Wir haben das besonders in den Jahrgängen von Sahin, Tyralla & co. erlebt, wo alle wegen der Meisterschaft von 2002 Borussia Dortmund Fans geworden sind. Daher bieten sich viele Jugendliche von sich aus beim BVB an, weil für ihren Lieblingsverein spielen wollen. Im Endeffekt läuft dann alles über den Anruf. Man meldet sich bei den Eltern des Spielers und teilt ihnen mit, dass ihr Sohn von uns beobachtet wurde oder uns während einer Sichtungsmaßnahme aufgefallen ist und fragt, ob sie sich vorstellen könnten, dass ihr Sohn für Borussia Dortmund spielt oder ein Probetraining absolviert. Zusätzlich kontaktiert man den Heimatverein des Spielers, und fragt zum Beispiel nach einer Trainingsfreigabe.

Benjamin Hoffmann

Konstanz ist im Jugendbereich nicht leicht zu erreichen, oder?

Benjamin Hoffmann: Das ist in den jungen Jahrgängen nicht einfach. Die Kunst ist dann zu erkennen, welcher der 11 Topspieler an diesem speziellen Tag vielleicht einmal nicht so gut drauf ist und wer von den Spielern auf Position 12-15 ist so gut drauf, dass er seine Leistung bringen kann, um das Spiel zu gewinnen. Wir hatten in der Vorbereitung viele schöne Erlebnisse, wo Spieler, die sich selber vielleicht gar nicht so stark eingeschätzt hätten, Spiele für uns entschieden haben und dadurch ein enormes Selbstvertrauen entwickelt haben. Das ist im Jugendbereich entscheidend. Der Spieler bekommt durch Selbstvertrauen einen enormen Leistungsschub und sagt: „Jetzt will ich mehr." Unsere Philosophie ist aber ohnehin, komplett durch zu wechseln. Wir haben in den unteren U-Mannschaften keine feste Stammelf. Wir haben bei uns in der U15 sechs Neuzugänge, einerseits weil wir einen kleineren Kader in der U14 hatten. Zum anderen hat es für drei Spieler nicht gereicht, einer hat am Ende der Saison gesagt, dass er nicht mehr auf dem Niveau spielen möchte und einer musste aus disziplinarischen Gründen mitten in der Saison die Koffer packen. Also hatten wir fünf Verluste und haben den Kader nun von 17 auf 19 Spieler aufgestockt.

Wenn ein neuer U-15 Jahrgang startet und neue Spieler zum Kader stoßen, was ist das erste was ihnen beim BVB beigebracht wird?

Benjamin Hoffmann: Oft ist es so, dass man sich gerade zu Beginn der Sommervorbereitung mit seiner Mannschaft „einschließt“. Wir hatten das große Glück, dass wir mit der U15 ins Trainingslager fahren durften. Zusätzlich hatten wir noch ein Turnier in England, so dass wir die Spieler zwei Wochen bei uns hatten. Wir haben den Neuzugängen als Erstes vermittelt, welche Art von Fußball wir hier spielen wollen. Oder wie Jürgen Klopp es mal gesagt hat: „Wir wollen hier Borussia Dortmund-Fußball spielen.“ Genau diese Philosophie haben wir Trainer auch. Eine Mannschaft, die offensiv Fußball spielen möchte, die sich nicht hinten einigelt – also kein Catenaccio spielt wie in Italien. Wir wollen technisch guten offensiv-Fußball zeigen, wo wir viele Torchancen kreieren, die wir hoffentlich nutzen. Das müssen die Jungs schnell begreifen.

Gibt es sowas wie ein "Handout", also ein Papier auf dem die Grundregeln für die Spieler verzeichnet sind?

Benjamin Hoffmann: In jeder Kabine überall im Trainingsgebäude hängt der sogenannte Verhaltenskodex, den wir bei Borussia Dortmund haben. Der wird jedem Spieler vermittelt. Jeder hat zudem einen Ordner, indem neben den Regeln auch positionsspezifische spielerische Grundprinzipien - wie wir uns das Spiel vorstellen - vermerkt sind. Zusätzlich hat jeder Ordner einen Stabilitäts-Teil, wo individuell für den Spieler Hausaufgaben aufgeführt sind, um den Körper fit zu halten und um Verletzungen vorzubeugen; Stabilisierungs-Übungen z.B. für die Muskulatur im Rumpfbereich oder Schulterübungen für die Torhüter. Ab der U12 beginnen wir beim BVB Grundlagen zu legen, die dann bis zur U15 ausgebaut und bis zur U19 spezialisiert werden.

Sozusagen der Lebenslauf eines Spielers, den er immer wieder zu den nachfolgenden Trainern mitnimmt?

Benjamin Hoffmann: So kann man sich das vorstellen. Das verfeinert sich nachher durch positionsspezifische Handouts, die z.B. Aufgaben eines Mittlefeldspielers mit Ball oder ohne Ball umfassen. Sowas wird z.B. im Trainingslager in Gruppen erarbeitet.

Benjamin Hoffmann

Kann ein Verein einen 15-jährigen Jugendlichen überhaupt soweit beeinflussen, dass er den Verlockungen des Umfelds in diesem schwierigen Alter widerstehen kann und sich auf seine Übungen konzentriert?

Benjamin Hoffmann: Der Wechsel von der C-Jugend (U15) zur B-Jugend (U17) ist schon ein entscheidendes Alter. Mädchen, rausgehen und Freunde werden interessanter. Da stellt sich jeder die Frage: „Habe ich Bock darauf, 4-5 die Woche zu Trainieren oder nicht?“ Andersrum habe wir aber einen entscheidenden Vorteil, gegenüber anderen, vor allem kleineren Vereinen: die Jungs, die zu uns kommen, die wollen gefördert werden. Die sehen die Profis nebenan trainieren und die wollen genau das erreichen - Profi. Es gibt aber auch Fälle, wie den eines meiner Spieler, der mir zum Ende der letzen Saison gesagt hat: „Ich will nicht Profi werden, das ist mir zu stressig!“ Er war ein Topspieler seines Jahrgangs. Er selbst wollte aber lieber wieder mit seinen Freunden vor der Haustür Fußball spielen. Das muss man natürlich akzeptieren und unterstützen.

Wie hoch ist da die Ausfallquote eines Jahrgangs? Gibt es da Zahlen, wie viele es nicht schaffen und aufhören?

Benjamin Hoffmann: Vielleicht einer alle drei bis fünf Jahre sagt, dass er keine Lust mehr auf Fußball hat. Ansonsten sollten es in der Regel 13-15 Jungs aus der U15 in die U17 schaffen. Und von den 13-15 möglichst alle in die U19. Die Zahlen der Vergangenheit bestätigen das aber auch.

Früher waren Profis eher das unerreichbare, fremde Wesen. Unter Klopp hat sich das komplett gedreht. Welchen Einfluss hat das auf die Jugendmannschaften?

Benjamin Hoffmann: Kevin Großkreutz, als bestes Beispiel, kommt nach seinem Training manchmal vorbei und begrüßt die Jungs per Handschlag. Oder schaut mal in die Kabine hinein. Er war auch bei einem Jugendturnier in der Schweiz dabei. Er ist ein Paradebeispiel und sehr nah an unserer Mannschaft. Ich glaube, er kennt sogar viele mit Namen. Wenn die Jungs Balljungen sind, schwärmen sie davon, dass sie nicht links liegengelassen werden, sondern die Profis auch mit ihnen sprechen und fragen, wie sie am Wochende gespielt haben. Wir haben eine neue Generation von Profis, wie z.B. Götze, Bender, Hummels oder Schmelzer, die selber diese Leistungszentren durchlaufen haben und dadurch wissen, wie wichtig auch der Zuspruch der Profis ist. Der Zusammenhalt ist dadurch natürlich auch ein ganz anderer.

In Teil 2 des Interviews von schwatzgelb.de mit dem BVB-U15-Trainer Benjamin Hoffmann dreht sich alles um Lizenzen, Taktik (oder doch nicht?) und den modernen Trainertyp, der Sozialarbeiter, Scout und irgendwie ein Mädchen für alles sein muss.

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