Chaostage im Strafraum
Es gibt Zeiten, in denen kann Hannover ein ziemlich heißes und gefährliches Pflaster sein: Menschen laufen scheinbar planlos durch die Gegend, andere versuchen verzweifelt, Ordnung in die Stadt hinein- und die Situation unter Kontrolle zu bringen. Diesem örtlichen Brauchtum wollte sich offenbar auch das BVB-Team nicht entziehen und veranstaltete im Niedersachsenstadion seine ganz eigenen Chaostage. Dass das Spiel trotz 26:5 Torschüssen und einer bainahe zweistelligen Anzahl hundertprozentiger Hannoverchancen am Ende dennoch nicht in einem Debakel, sondern stattdessen mit einem Sieg für unsere Farben endete, konnte hinterher niemand wirklich erklären. Sogar Peter Neururer hatte das Spiel die Sprache verschlagen - neben den drei Punkten die größte Sensation des Abends.
Chaotisch versprach auch schon die Anreise zum Spiel zu werden. Ist man es aus dem Westen kommend fast schon gewohnt, sich auf der A2 in mindestens einem Stau der immer vorhandenen, nur örtlich wechselnden Baustellen wieder zu finden, musste man auch bei der Bahn diesmal erheblich mehr Zeit mitbringen. Grund für die teilweise bis zu 60minütigen Verspätungen war ein Bombenfund am Dortmunder Bahnhof, der den gesamten Bahnverkehr in Richtung der niedersächsischen Landeshauptstadt zeitweise stark beeinträchtigte. Ein weiterer Bombenfund in Hannover sorgte auch aus anderen Richtungen für Umwege bei der Anreise. Endlich in Hannover angekommen, entschädigte der laue Frühlingsabend, die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Kirmes, geöffnete Biergärten und die wohl leckerste Stadionbratwurst in Europa weltweit für die Strapazen der Anreise.
Obwohl es vor Beginn des Spiels an den Tageskassen selbst für den Gästeblock noch Karten zu erstehen gab, war dieser reichlich gefüllt und gab ein schönes Bild in Schwarz und Gelb ab. Auch akustisch hinterließen wir eine lautstarke Visitenkarte im Niedersachsenstadion. Zur Situation im Gästeblock mehr im Stimmungsbericht.
Bert schickte eine in allen Mannschaftsteilen veränderte Formation auf den Platz: In der Abwehr übernahm Metzelder den Platz von Brenzka, im Mittelfeld spielte Kehl für den gelbgesperrten Kruska und im Sturm durfte sich Buckley von Beginn für Amoah an versuchen. Peter Neururer setzte im Vergleich zum verlorenen Spiel in Kaiserslautern seine Sturmhoffnungen wieder auf Thomas Brdaric. Für ihn musste der „glücklose“ Delura weichen. Außerdem stand den Hannoveranern Mannschaftskapitän Altin Lala nach abgesessener Sperre wieder voll zur Verfügung und ersetzte Dabrowski, der seinerseits ebenfalls eine Zwangspause nach gelben Karten einlegen mußte.
Schon nach gut einer Minute machte Hannover erstmals auf sich aufmerksam. Wörns hatte einen Moment lang Brdaric aus den Augen verloren, der prompt, in den Strafraum laufend, angespielt wurde. Aus nicht sonderlich aussichtsreicher Position blieb sein Schussversuch für Gentenaar ohne Gefahr. Beide sollten sich an diesem Abend nicht zum letzten Mal gegenüberstehen. In der fünften Minute schon war es dann erneut Brdaric, für den sich kein Abwehrspieler so recht verantwortlich fühlte. Borussias „Nimm Du ihn, ich hab ihn sicher“ gab der Fönfrisur Gelegenheit, sich den Ball zum nächsten Torschuss zurechtzulegen. Der jedoch wurde von Degen abgeblockt und zur Ecke geklärt.
Die 96er agierten an ihrer Heimspielstätte in der Anfangsphase deutlich aktiver und offensiver als die Borussen, die ihrerseits hinten drin zwar recht sicher standen, nach vorne aber gänzlich ungefährlich auftraten. Die Angriffsbemühungen versandeten meist schon 30 Meter vor dem Tor. So gehörte die nächste Szene wieder den Roten. In der 16. Spielminute spielte Balitsch seinen Teamkollegen Tarnat am Dortmunder Strafraum an, der sich mit einem Schlenzer aus 20 Metern versuchte, das Tor aber in der Höhe verfehlte.
Obwohl die 96er das Spiel völlig im Griff hatten, zeigte sich der Hannöversche Anhang auf groteske Art und Weise kritisch. Die Nordkurve unterstütze ihre Mannschaft zwar lauthals, die Sitzplätze offenbarten hingegen eine Ungeduld, die selbst das übertrieben anspruchsvolle Dortmunder Publikum ganz locker in den Schatten stellt. Schon der erste (!) Fehlpass nach zwei Minuten hatte Pfiffe und wüste Beschimpfungen der Spieler zur Folge, im weiteren Verlauf wurde beinahe jeder Angriffsversuch, der nicht in einer Torchance endete, mit ähnlichen Reaktionen bedacht. Ein Verhalten der Mannschaft gegenüber, das selbst das in dieser Hinsicht neutrale schwatzgelbe Fußballherz zu grimmigem Kopfschütteln verleitete.
Nach gut 20 Minuten gab es dann endlich auch einmal so etwas wie eine Gelegenheit für Schwatzgelb. Kehl prüfte mit einem Distanzschuss aus 25 Metern Hannovers Keeper Enke, der sich davon allerdings nicht sonderlich beeindrucken ließ. Wirkliche Torchancen blieben bis dahin aber weiter Mangelware, obwohl sich sowohl der schwatzgelbe wie auch der schwarz-weiß-grüne Anhang deutlich hörbar mühte, seine Mannschaft von den Rängen aus im Sturmlauf zu unterstützen. Das sollte sich in der Folge jedoch ändern. In der 25. Spielminute unterschätzte die gesamte BVB-Hintermannschaft eine Hereingabe von Yankow, den immer länger und länger werdenden Ball köpfte der inzwischen eingewechselte Zuraw von der Torauslinie zurück in die Mitte, wo Brdaric das Tor per Kopf nur knapp verfehlte. Mächtig Glück für die Borussen! „Brdaric gegen Borussia“
Jetzt sollten die Minuten des Thomas Brdaric kommen. War er während der gesamten Anfangsphase schon DER Aktivposten im Angriff der Roten, so wirbelte er nun die Dortmunder Abwehr völlig durcheinander und erspielte sich eine Gelegenheit nach der anderen. In einer Szene brachte er in aussichtsreicher Strafraumposition den Ball jedoch nicht unter Kontrolle, dafür klappte es kurz darauf ungleich besser, denn wieder kam Brdaric an den Ball und setzte sich gegen die gesamte BVB-Abwehr durch, scheiterte diesmal aber freistehend aus zentraler Position an Dennis Gentenaar.
Bezeichnend für das Spiel der Borussia dann ein „Angriff“ in der 41. Minute. Smolarek, auf der halbrechten schön freigespielt, probierte sich mit einer Flanke in den völlig leeren Raum. Wie es besser geht, zeigten in der Folge die Hausherren, die die Schlussphase dieser Hälfte nutzen, um ein wahres Angriffsfeuerwerk abzubrennen. Zunächst versuchte sich Yankow zum ersten, abgewehrt von Metzelders Körper, und direkt danach mit einem Drehschuss zum zweiten. Gentenaar konnte nur mit Mühe zur Ecke klären. Im Anschluss war es dann Zuraw, dessen Kopfball nach Stajner-Ecke nur die Latte traf. Riesen-Glück für den BVB, denn auch Balitschs Nachsetzen per Kopf blieb ergebnislos, genauso wie kurz darauf ein Solo des sehr aktiven Mittelfeldspielers, das mit einem flachen Schuss genau in die Arme von Gentenaar sein Ende fand.
Aus Borussensicht fieberte man nun immer mehr der Pause entgegen, doch es passierte, was eigentlich schon längst überfällig war. Hannover brachte den Ball endlich doch im Netz unter. Nach Tarnat-Ecke war Metzelder einmal mehr nicht ganz im Bilde gewesen und Nationalmannschafts-Kollege Mertesacker nutzte die Gelegenheit, um das Leder per Kopf in die Maschen zu wuchten. Es scheint, Per Mertesacker hat Gefallen an Toren gegen den BVB gefunden, denn der 1,97 m lange Verteidiger der Roten erzielte auch schon seinen ersten Bundesligatreffer ausgerechnet in einem Spiel gegen uns. Damals endete die Partie mit einem 1:1 Unentschieden. Danach sah es zum jetzigen Zeitpunkt jedoch ganz und gar nicht aus, von einem Tor war Borussia meilenweit entfernt.
Zum Schluss der ersten Hälfte durfte sich dann auch noch einmal Jiri Stajner mit einem Torschuss versuchen, dann endlich hatte Schiedsrichter Fleischer ein Einsehen und gebrauchte seine Pfeife für das Pausensignal. Endlich, musste man aus Borussensicht feststellen, denn für diese desolat auftretende BVB-Mannschaft kam der Pfiff keine Sekunde zu früh. Hatte sich das Team in der Anfangsphase des Spiels nur viel zu passiv im Offensivspiel gezeigt, gerieten die Darbietungen im Verlauf der ersten Hälfte mehr und mehr zu einer regelrechten Frechheit. Thomas Brdaric bekam die schwatzgelbe Abwehrreihe zu keiner Zeit in den Griff und auch gegen die übrigen Angriffsbemühungen der Gastgeber wusste man sich nicht zu erwehren. Viel zu wenig für eine Defensivabteilung, die ausschließlich aus Nationalspielern und solchen, die es gerne wären, besteht. Doch statt die eigenen Ansprüche zu untermauern und Borussia wenigstens die geringe Chance auf den Intertoto-Cup zu bewahren, wurde mit beeindruckender Konsequenz Zweikampf um Zweikampf verloren. Mit dem 0:1 jedenfalls war der BVB noch ziemlich gut bedient, ein höherer Rückstand wäre mehr als verdient gewesen.
Halbzeit Zwei: Es konnte nur besser werden!
Die zweite Hälfte begann wie die erste. Offensiv bekam Borussia weiterhin wenig auf die Kette, defensiv hingegen stand das Team nun ein wenig besser, was aber auch an dem nachgelassenen Druck der 96er lag. So vergingen die ersten zehn Minuten weitgehend ereignislos, bis Bert endlich Rosicky für den enttäuschenden Sahin brachte. Und der Tscheche schien sich so richtig etwas vorgenommen zu haben. Mit einem Engagement und einer Körpersprache, die man in dieser Form viel zu selten von ihm sieht, probierte er es zunächst mit einem 30-Meter-Außenristpass, den die 96er noch abblocken konnten, direkt im Anschluss dann mit einem kraftvollen Solo und erneut einem mustergültigen Pass in die Spitze, wo Smolarek direkt an der Strafraumgrenze zu Fall gebracht wurde. Der resultierende Freistoß setzte der dreiminütigen Rosicky-Gala die Krone auf. Mit einem wuchtigen Schuss drehte er das Leder links oben in den Winkel des Hannover-Gehäuses und damit den Spielverlauf auf den Kopf. Ein völlig unverdienter Ausgleich zu dieser Zeit, was dem ausgelassenen schwatzgelben Anhang natürlich völlig wumpe war.
Doch wer nun gehofft hatte, die Hausherren würden konsterniert ihr Spiel einstellen, wurde eines Besseren belehrt. Weiterhin verlief das Spiel, als hätte jemand das Niedersachsenstadion zur Einbahnstraße erklärt. Mit einem Freistoß-Schüsschen von Tarnat aus 22 Metern hatte Gentenaar aber keinerlei Probleme (65.), gefährlicher wurde da schon ein Schuss aus der zweiten Reihe von Vinitius, der zuvor mit einer schönen Stajner-Flanke von rechts bedient worden war, doch dieser Ball verfehlte das Gehäuse knapp (67.) Weiter wie bisher ging es auch bei der Borussia: Dede reihte sich nahtlos in den Reigen der Abwehrböcke ein. Cherundolo ließ ihn auf der rechten Seite wie einen Jugendspieler stehen und schlug den Ball in den Strafraum, wo aber Balitsch in aussichtsreicher Position unter den Ball schlägt und die Situation selbst klärt (69.)
Der Gästeblock forderte nun lautstark Jan Koller, der sich auf der gegenüber liegenden Seite des Stadion warm machte, und stieß damit bei Bert auf offene Ohren. Kurze Zeit später stand Jan Koller nach mehr als einem halben Jahr Verletzungspause endlich wieder für Borussia auf dem Platz.
Der BVB bekam das Spiel jetzt auch etwas besser in den Griff, der Druck der Hannoveraner wurde etwas weniger und als Schwatzgelber bekam man endlich auch ein paar Entlastungsangriffe zu sehen, die immer wieder über Rosicky liefen. Zwar blieb das Angriffsspiel weiterhin zahnlos, aber vor allem Amoah, Rosicky und der an seiner Seite zunehmend aufblühende Kehl mühten sich redlich, die Räder im Borussenspiel in Schwung zu bringen, und ansprechenderen Fußball zu zeigen. Endlich wurde auch die Abwehrabteilung mal entlastet, beide Mannschaften begegneten sich jetzt deutlich ausgeglichener. Wenn auch noch immer nicht auf Augenhöhe, denn die nächste Großchance gehörte in der 75. Minute wieder den Roten. Ein schön vorgetragener Angriff fand seinen Weg vom 96-Strafraum hinten links über Cherundolo und die rechte Seite, der in der Mitte den völlig freistehenden Balitsch bediente. Zehn Meter vor dem Tor und in hervorragender, zentraler Schussposition scheiterte der jedoch einmal mehr an Gentenaar und auch sein Nachschuss fand nicht den Weg vorbei an Borussias Nummer 30.
Dennis Gentenaar machte an diesem Abend sein bislang bestes Spiel für die Borussia und klärte ein ums andere Mal in höchster Not selbst an sich unhaltbare Bälle. So auch drei Minuten später. Wieder tauchte in Person von Zuraw ein 96er völlig frei vorm Dortmunder Tor auf, wieder fand er aus kurzer Distanz seinen Meister in dem Holländer. Den Balitsch-Nachschuss klärte Wörns an die Latte.
Das Spiel nahm nun wieder an Fahrt auf und wogte hin und her. Es wurde ein offener Schlagabtausch, bei dem die Angriffe beider Mannschaften sich abwechselten, wenngleich klare Torchancen bis dahin weiterhin nur auf einer Seite zu verzeichnen waren. Doch die Partie wurde hitziger, es war zunehmend Feuer drin. Amoah holte mit energischem Einsatz einen Freistoß heraus. Rosicky führte aus, Hannover wehrte ab. Die Situation schien geklärt, als der Ball von Dede aus dem Mittelfeld zurück in Richtung 96-Strafraum gespielt wurde. Die Abwehr der Gastgeber zeigte sich einmal nicht im Bilde, Zuraw sprang unter dem Ball durch und irgendwie gelangte das Leder zu Christian Wörns. Der war in den Strafraum gelaufen, erreichte den Ball vor Robert Enke und überlupfte den Keeper mit einem gefühlvollen Kopfball. Das Leder beschrieb einen hohen Bogen und neigte sich mit schöner Langsamkeit gleichsam in Tor und Herz der Roten - 1:2 und den Spielverlauf vollends auf den Kopf gestellt. Uns wars egal! Freudentaumel in schwarzgelb und lange Gesichter bei den Roten, wohin man blickte. Borussia hatte das Spiel nach einem Rückstand gedreht.
Wieder voll im Soll – toll!
Die Hausherren hatten diesem Spielverlauf nun nichts mehr entgegen zu setzen. Zwar setzten sie sich in der Schlussphase am Dortmunder Strafraum fest und drängten noch auf den Ausgleich, bis auf einen Schuss von der Delura, der zwei Minuten vor Schluss nur das Außennetz traf, produzierten sie jedoch keine nennenswerten Aktionen mehr. Nach einem kurz gehaltenen Nachschlag pfiff der souveräne Schiedsrichter Fleischer ab und sicherte den Dortmundern den nicht wirklich verdienten Fortbestand ihrer 35jährigen Serie im Niedersachsenstadion.
Und die Borussen auf dem Platz wussten, bei dem sie sich für die drei Punkte zu bedanken hatten. Nach Abpfiff lief fast die komplette Mannschaft zu Dennis Gentenaar und zollte der Riesenleistung des Schlussmannes Dank und Anerkennung. Das gemeinsame Feiern mit den Fans am Gästeblock war anschließend nicht nur Pflichtprogramm, sondern schien den Jungs richtig Spaß zu machen. Dazu gab’s noch einen verdienten Extra-Applaus für Jan Koller, der sich in seinen ersten Spielminuten nach dem Kreuzbandriss schon wieder enorm für die Borussia reingehangen hatte.
Fazit:
Endlich konnte die Mannschaft jedenfalls die Vorlage nutzen und mit dem Sieg, wie verdient er auch immer gewesen sein mag, bis auf einen Punkt an die Herthaner und den favorisierten sechsten Platz vorzustoßen, währenddessen die Berliner im eigenen Wohnzimmer gegen die Leverkusener mit 1:5 herbe unter die Räder kamen. Mit der Leistung an sich kann man jedoch nicht zufrieden sein. Die Darbietung der ersten Hälfte war von praktisch sämtlichen Feldspielern unterirdisch und sowohl offensiv wie defensiv ein Offenbarungseid. In der zweiten Hälfte zeigten sich die Schwatzgelben dann zwar leicht verbessert, aber auch in dieser waren die Gastgeber eigentlich überlegen. Den Ausschlag gaben letztendlich Berts kluge Wechsel. Amoah, Rosicky und Koller hatten zwar eine dankbare Aufgabe darin, dass es schlechter, als es die ursprünglich aufs Feld geschickten Spieler dargeboten hatten, gar nicht ging. Trotzdem stachen sie wohltuend hervor und gaben dem Team endlich die nötigen Impulse.
Letztendlich muss sich die Mannschaft trotz des Sieges einige unangenehme Fragen stellen. Wie kann es sein, dass eine solch ambitionierte Truppe, die immer noch das Ziel UI-Cup vor Augen hat, derart untergeht, wie es über weite Strecken des Spiels der Fall war. Die Kluft zwischen Anspruch und Realität klafft immer wieder zu deutlich im Dortmunder Kader und mit solch einer Einstellung lässt sich weder in der Bundesliga noch sonst wo auch nur irgendein sportliches Ziel erreichen. Zumal da heute eben keine „überalterte A-Jugend“ auf dem Feld stand, sondern ein Ensemble von Nationalspielen.
Stimmen zum Spiel:
Bert van Marwijk…
…zum Spiel: Ich bin jetzt zwei Jahre in Dortmund und muss sagen, dass es das erste Mal war, dass wir ein Spiel mit so viel Glück und hoch unverdient gewonnen haben. Wir hatten schon Glück, dass es zur Halbzeit nicht 3:0 oder 4:0 stand. Ich habe mich unglaublich geärgert und kann das nicht verstehen, denn wir hatten taktisch keine Probleme. Aber wir haben die ganze Woche darüber gesprochen, dass wir noch um etwas spielen, den sechsten Platz zum Beispiel, und das konnte ich dann in der ersten Halbzeit überhaupt nicht sehen. Wir hatten nur ein paar Spieler, die das wirklich wollten. In der zweiten Hälfte haben wir dann wenigstens gekämpft und das Spiel durch Glück und Dennis Gentenaar gewonnen, der unglaublich gut war. Ich weiß nicht, ob man in Deutschland auch die Note 0 geben kann?! Und auch Christian Wörns hat gut gespielt und ich fand auch, dass in der zweiten Hälfte Kehl und Rosicky und auch Koller das gut gemacht haben. Jetzt haben, denke ich, alle auch mal gesehen, dass uns Jan Koller fast ein ganzes Jahr gefehlt hat.
…auf die Frage, ob das Spiel und die Leistungen den Druck offenbart haben, der auf den jungen Spielern lastet:
Kann sein, ich hatte aber nicht den Eindruck. Es waren ja nicht nur die jungen Spieler.
…über die Ausgangslage nach dem Spiel: Es ist das erste Mal in zwei Jahren, dass wir ein Spiel mit Glück gewinnen. Gute Mannschaften können viele schlechte Spiele gewinnen, aber so weit sind wir noch nicht. Das ist das erste Mal. Aber es ist natürlich ein wichtiger Moment, denn jetzt können wir den sechsten Platz noch voll erreichen. Berlin hat verloren, es ist nur noch ein Punkt und sogar das Torverhältnis ist jetzt dasselbe. Und sie spielen nächste Woche gegen Hamburg, jetzt ist also alles möglich. Wenn das klappen würde, wäre das eine unglaubliche Leistung.
…ob jetzt wieder das übliche Gerede anfängt, was noch alles erreichbar ist: Jetzt ist die Situation in meinen Augen komplett anders. Die Spieler wissen ganz genau, dass sie nicht gut gespielt haben, dass nur Wörns und Gentenaar und in der zweiten Halbzeit auch Kehl, Koller und Rosicky gut gespielt haben. Und sie wissen auch, dass sie nächste Woche nicht so anfangen können.
…ob er laut geworden ist in der Halbzeit: Ich bin ziemlich böse geworden.
Nachfrage: So böse wie nie? Das geht in die Richtung.
…ob bei ihm Wehmut aufkommt, wenn er daran denkt, dass Koller und Rosicky den BVB wohl verlassen werden? Nein, denn das ist schon so lange bekannt. Aber wenn die beiden fit sind, haben wir einfach viel mehr Möglichkeiten. Wir haben immer Komplimente bekommen, auch von den Gegnern, dass wir eine von den Mannschaften in Deutschland sind, die den schönsten Fußball spielen. Aber ich habe immer gesagt: Das ist ein schönes Kompliment, aber wir haben nicht die Qualität, um das in Siege umzusetzen. Wenn wir ein ganzes Jahr Koller gehabt hätten, denke ich, dass die Tabelle auch anders aussähe. Und darum suchen wir einen neuen Stürmer, darum wollen wir Valdez haben und vielleicht auch Frei. Darum suchen wir auch noch einen Mittelfeldspieler. Aber den Ersatzspieler für Tomas habe ich schon in Pienaar.
Peter Neururer…
…zum Spiel: Mehr oder weniger hat Bert die Analyse schon gegeben und mir damit aus dem Herzen gesprochen. Eine Niederlage bei diesen Spieldaten…ich halte zwar nicht viel von Statistik, aber 26:5 Torschüsse, 8:1 Eckbälle, Chancen im Überfluss und eine Mannschaft von Hannover 96, der ich überhaupt keinen Vorwurf machen kann. Auf jeden einzelnen bezogen, hat jeder versucht, sich 100 Prozent einzubringen, und das umgesetzt, was wir eingefordert haben: 90 Minuten, nicht teilweise, wie in dem ein oder anderen Spiel, volles Engagement. Über 90 Minuten guten Fußball, den Gegner kontrolliert, Chancen herausgespielt. Wir sind dann auch in Führung gegangen, haben den Gegner nicht zur Entfaltung kommen lassen, und dann kommt dieser traumhaft geschossene Freistoß von Tomas Rosicky, natürlich unhaltbar, und diese mehr als unglückliche Szene zum 1:2. Es gibt mit Sicherheit Tage, wo man das ein oder andere sachlich analysieren kann, aber es gibt auch Tage wie heute, wo mir wirklich – was selten vorkommt – zur Erklärung einer Niederlage überhaupt nichts einfällt.
Aufstellungen, Noten und Statistik:
Borussia: Gentenaar (1*), Degen (5), Metzelder (5,5), Wörns (4), Dede (4) - Kehl (3,5), Sahin (5,5) [56. Rosicky (2)], Kringe (5,5) - Buckley (5,5) [46. Amoah (4)], Smolarek (5), Odonkor (5,5) [71. Koller (außer Konkurrenz)]
Sechsundneunzig: Enke - Cherundolo, Mertesacker, Vinicius [68. Delura], Tarnat - Balitsch, Lala - Yankov, Schröter [19. Zuraw] - Stajner, Brdaric
Schiedsrichter: Dr. Helmut Fleischer, Note 2: Souveräne und gute Leistung, mehr davon!
Zuschauer: 41.387
Tore: 1:0 Mertsacker (44.), 1:1 Rosicky (58.), 2:1 Wörns (81.)
Gelbe Karten: Cherundolo – Kringe, Metzelder, Odonkor, Rosicky