...der BVB-Fanabteilung: "Bitte lasst unseren BVB jetzt nicht im Stich!"
Zum ersten Mal seit den 90er Jahren wird der BVB die Preise für Dauerkarten und Tagestickets anheben. Die immer noch angespannte finanzielle Lage zwingt den Verein zu dieser Preiserhöhung. Erstmalig wurde bei der Festlegung der Ticketpreise die im Winter gegründete Fanabteilung gehört.
Die 17 Heimspiele haben im Westfalenstadion laut Angaben der dpa in der abgelaufenen Saison insgesamt 1.315.008 Zuschauer (77.353 im Schnitt) besucht. Aufgrund der sportlichen Talfahrt zu Beginn der Saison ein enormer Treuebeweis der Fans. Trotzdem ist der Verein gezwungen, die Preise für die kommende Saison zu erhöhen. Wir sprachen mit "unserem Mann" bei der Fanabteilung, Reinhard Beck - seines Zeichens 1. Vorsitzender der Fanabteilung - sowie mit Guido Schnittker, der bei der Fanabteilung zuständig ist für die Verwaltung und die Organisation, über die Preiserhöhung sowie über weitere Änderungen in der kommenden Saison.
schwatzgelb.de: Nach der Saison ist vor der Saison, und bereits seit Montag werden die ersten Dauerkarten an die Fans verkauft. Die Preissteigerung von 5% auf Dauerkarten und 10% auf Tagestickets ist nach Aussage der Vereinsführung mit der Fanabteilung abgestimmt worden. Wie muss man sich das vorstellen? Habt ihr das nur abgenickt oder wurde da aktiv bei der Preisfindung mit der Fanabteilung diskutiert?
Reinhard: Die Geschäftsführung hat uns zu einem Gespräch eingeladen, um mit uns über das Thema Preiserhöhung zu diskutieren. In diesem Gespräch wurde uns aufgezeigt, wie existenziell wichtig eine solche Preiserhöhung für Borussia Dortmund ist. Bei allem sportlichen Erfolg darf man nicht vergessen, dass wir finanziell am Stock gehen. Eine Preiserhöhung ist für die Weiterführung des Geschäftsbetriebes unumgänglich gewesen. Aber genauso wichtig ist es, dass die Dauerkarteninhaber ihre Dauerkarte auch für die neue Saison kaufen. Die Fanabteilung kann nur jeden bitten, weiter dem BVB die Treue zu halten und trotz der aus unserer Sicht tragbaren Preiserhöhung auch in der neuen Saison die Heimspiele des BVB regelmäßig zu besuchen. Am günstigsten geht das immer noch mit dem Erwerb einer Dauerkarte.
Guido: Im Rahmen dieses Gesprächs wurden die jeweiligen Meinungen ausgetauscht. Die Fanabteilung konnte die schlüssige Argumentation zum Thema Preiserhöhungen nachvollziehen. Auf Anregung der Fanabteilung wurde zusätzlich erreicht, dass die Preise für Jugend- und Behindertenkarten nicht erhöht werden.
schwatzgelb.de: Die Preiserhöhung für die Dauerkarten fällt moderater aus als die für Tagestickets. Ein kleines Dankeschön an die Treue der Fans, oder?
Reinhard: Ganz sicher, dieser Effekt wird durch das Erreichen des UI-Cups ja sogar noch größer, denn die Vorrundenspiele sind im Preis der Dauerkarte enthalten. So kommt der Dauerkartenbesitzer in den Genuss von bis zu 35% Rabatt gegenüber dem Einzelticket. Ein gutes Argument, seine Dauerkarte auch wieder für die kommende Saison zu kaufen, oder Dauerkartenbesitzer zu werden.
Guido: Selbstverständlich!
schwatzgelb.de: Wie stuft ihr denn die Stimmung in der Fanszene derzeit ein. Die Rückrunde hat ja für einiges entschädigt, trotzdem müssen die Saisonziele wohl im Vorfeld nach unten korrigiert werden. Glaubt ihr, dass die überragende Zahl an verkauften Dauerkarten aus dem Vorjahr gehalten werden kann?
Guido: Ich persönlich bin davon überzeugt, dass durch die unsäglichen finanziellen Umstände zumindest Eines erreicht wurde: Verein, Mitglieder, Fans und Mannschaft sind wieder näher zusammen gerückt. Das ist das, was beim BVB bereits seit mehreren Jahren gefehlt hat. Außerdem hat man endlich wieder das Gefühl, eine Mannschaft auf dem Platz spielen zu sehen, bei der das Zuschauen Spaß macht. Die Identifikation mit dem Team ist wieder da. Trotz des eventuellen Wegfalls von "Erfolgsfans", die nur dann ins Stadion gehen, wenn die Mannschaft um Titel mitspielt, wird dieses wieder entdeckte "Wir-Gefühl" diesen Wegfall von Dauerkarten-Verkäufen (hoffentlich) durch "Stadion-Rückkehrer" kompensieren können.
Reinhard: Ich bin mir sicher, dass 45.000 bis 50.000 Fans wieder eine Dauerkarte zulegen werden. Ganz ehrlich, wer will denn nach dieser Rückrunde, wo die Mannschaft uns endlich wieder Freude gemacht hat, auf den regelmäßigen Besuch im Stadion verzichten? Der Suchtfaktor ist doch wieder größer geworden und die Mannschaft macht wieder Spaß.
schwatzgelb.de: In den letzten Jahren sind die Dauerkarten stetig teurer geworden, weil der VRR die Hand aufgehalten hat. Wisst ihr schon, ob dies dieses Jahr wieder der Fall sein wird?
Guido: Definitiv nein! Das hat damit zu tun, dass der aktuelle Vertrag mit dem VRR noch bis zum Jahr 2006 läuft. Somit wird der VRR-Anteil 12,90 Euro betragen. Das ist also genau der gleiche Betrag wie in der vergangenen Saison.
schwatzgelb.de: Wie schätzt denn die Fanabteilung die Einführung der elektronischen Tickets ein? Überwiegen die Vor- oder Nachteile?
Guido: Für mich persönlich überwiegen eindeutig die Vorteile. Man denke nur mal an gestohlene oder verlorene Dauerkarten. Bislang konnte jeder Dieb oder unehrliche Finder sich definitiv für den Rest einer Saison mit der Karte auf die Südtribüne stellen ohne Angst vor einer Entdeckung haben zu müssen. In Zukunft können solche Karten direkt gesperrt werden und der eigentliche Besitzer bekommt eine Ersatzkarte. Eine andere Möglichkeit ist, dass zusätzliche Spiele (UEFA-Cup oder DFB-Pokal) nach Geldüberweisung freigeschaltet werden können, ohne das man dafür extra zur Geschäftsstelle fahren muss. Nachteile beim elektronischen Ticket sehe ich persönlich derzeit eigentlich überhaupt nicht.
Reinhard: Die Vorteile, die Guido da aufzählt, sind sicher ein Argument. Aber man sollte auch immer sehen, dass die elektronischen Tickets auch ein neues Einlasssystem mit sich bringen. Mich persönlich haben diese neuen Einlasssysteme bisher abgeschreckt. Wenn ich an die Vorfälle in Schalke denke, als plötzlich 1.400 Fans auf die Tore zuströmten und es aufgrund des Platzmangels fast eine Panik ausbrach, dann macht mich das alles schon sehr nachdenklich. Sicherheit geht bei mir immer vor Kontrolle. Ich hoffe, dass man in Dortmund eine gute Lösung findet.
schwatzgelb.de: Anderes Thema: Ebenfalls zur neuen Saison wird auf Antrag der Fanabteilung das Tragen von gegnerischen Fanartikeln im Bereich der Südtribüne und den angrenzenden Ecken gemäß Stadionordnung verboten. schwatzgelb.de hatte dies ja bereits Anfang des Jahres nach dem Derby gefordert. Was war für Euch der Auslöser, um eine solche Änderung der Stadionordnung zu fordern?
Reinhard: Wie du schon sagst, ist es schon lange der Wunsch vieler Fans, dass da endlich mal eine klare Aussage getroffen wird. Hier ging es uns vor allem um das Thema Deeskalation. Ich finde man muss mache Leute vor sich selbst schützen. Ich habe das nie verstehen können, dass ein gegnerischer Fan sich in seiner Kluft auf unsere Süd stellt. So etwas ist in meinen Augen nicht nur dumm. sondern im schlimmsten Fall reine Provokation. Was die Umsetzung betrifft, so gibt es sicher noch einiges an Gesprächsbedarf mit unserem Verein und Ordnungsdienst.
Guido: Ich selbst ärgere mich bereits seit mehreren Jahren darüber, dass ich mich in "meinem Wohnzimmer" von auswärtigen Fans anpöbeln lassen muss. Nun bin ich allerdings ein friedliebender Mensch, der so etwas mit knirschenden Zähnen über sich ergehen lässt. Ich kann aber jederzeit nachvollziehen, wie schnell man sich provoziert fühlen kann. Als ich dann noch lesen musste, dass ein Vater, dessen Kind in "GE-Outfit" beim letzten Heimderby im Süd-Bereich von einem geworfenen Becher verletzt wurde, den BVB daraufhin angezeigt hat, war für mich das Ende der Fahnenstange erreicht. Meiner Meinung nach hätte dieser Vater wegen unverantwortlichen Handelns und Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht angezeigt werden müssen. Damit so etwas nicht wieder passiert, hat die Fanabteilung diesen Vorschlag bei Borussia angeregt und letztendlich auch die Umsetzung bewirkt. Es geht halt um Deeskalation im Vorfeld und darum, auswärtige Fans vor sich selbst zu schützen.
schwatzgelb.de: Wie war denn die Reaktion des Vereins auf Euren Vorschlag?
Guido: Wie das Ergebnis ja ganz klar zeigt: Eindeutig positiv. Schließlich dient dieser Vorschlag dazu, die Sicherheit im Stadion zu verbessern.
schwatzgelb.de: Und was haben die Fans dazu gesagt?
Guido: Bislang haben wir - bis auf eine Ausnahme - nur positive Rückmeldungen erhalten. Die eine Ausnahme bedauert, dass er demnächst seinen Freund, einen Gladbach-Fan, nicht mehr mit auf die Südtribüne nehmen kann, wenn dieser sein Trikot trägt. Ich hoffe allerdings, dass er unsere Forderung mittlerweile nachvollziehen konnte, nachdem wir ihm die Hintergründe erklärt haben.
Reinhard: Meine Rückmeldungen sind durchweg positiv. Einige Fans machen sich natürlich Gedanken um die Umsetzung.
schwatzgelb.de: Was passiert denn nun, wenn ein gegnerischer Fan trotzdem im Gladbach-Trikot erscheint und auf die Südtribüne will? Gibt es für ihn eine Möglichkeit seine Sachen zu deponieren oder findet man für ihn einen Platz im Gästeblock?
Guido: Prinzipiell sollte die Möglichkeit geschaffen werden, auswärtige Fanutensilien gegen eine Quittung deponieren zu können. Das mit der Zuweisung in den Gästeblock halte ich eher für unrealistisch und nicht für besonders praktikabel, da es garantiert Leute geben wird, die genau dieses Ziel zu erreichen versuchen werden, wenn sich herumspricht, dass es so möglich ist, mit einer günstigen Südkarte doch noch in den Gästeblock gelangen zu können, obwohl dieser bereits ausverkauft ist.
Reinhard: Grundsätzlich wird auf den Eintrittskarten für diese Bereiche (Süd und die Ecken) stehen, dass ein Einlass mit Kleidung und Utensilien der gegnerischen Mannschaft in diesem Bereich nicht erlaubt ist. Somit ist der Karteninhaber bereits informiert, bevor er das Stadion betritt. Die Ordner werden beim Einlass darauf achten müssen. Ein Platz bzw. Kartentausch ist nicht vorgesehen. Das wäre auch sehr schwer zu realisieren. Ob es einem Gästefan trotzdem ermöglicht wird, mit einer Süd-Karte in den Gästebereich der Nord zu gelangen, ist sicher vom Spiel abhängig und von seinem Verhalten gegenüber den Personen, die das zu entscheiden haben.
schwatzgelb.de: Rechnet ihr damit, dass andere Vereine nachziehen?
Reinhard: Wir sind da ja nicht Vorreiter. Ich denke es macht einfach Sinn, so etwas im eigenen Stadion zu regeln. Mir persönlich würde es nie in den Sinn kommen, mich in die Fankurve des gegnerischen Vereins zu stellen. Wenn es sich dann aus welchen Gründen auch immer trotzdem nicht ändern ließe, dann wäre ich zumindest neutral gekleidet.
Guido: Davon gehe ich mal aus. In anderen Ländern - insbesondere in England - gibt es diese Regelung übrigens bereits seit mehreren Jahren.
schwatzgelb.de: Zuallerletzt: Euer Tipp bzgl. Dauerkartenverkauf?
Reinhard: Wie ich schon weiter oben sagte, rechne mit mindestens 45.000 verkauften Dauerkarten, hoffe aber auch 50.000. Jede verkaufte Dauerkarte ist für den Verein überlebenswichtig.
Guido: Ich persönlich denke und hoffe, dass wir die gleiche Anzahl an Karten absetzen werden wie im Vorjahr. An diejenigen, die sich noch nicht so ganz schlüssig sind, appelliere ich im Namen des Vereins, sich doch noch dazu durchzuringen, wieder eine Dauerkarte zu kaufen. Hier steht schließlich noch immer die Zukunft unseres BVB auf dem Spiel. Jede verkaufte Dauerkarte trägt mit dazu bei, auch zukünftig noch Bundesliga-Fußball in Dortmund sehen zu können. Außerdem besteht dann natürlich auch eher die Chance, mittelfristig wieder Stammgast im UEFA-Pokal zu werden oder auch mal wieder an die Champions-League-Ränge anklopfen zu können. Bitte lasst unseren BVB jetzt nicht im Stich!
Reinhard: Dem kann ich mich nur anschließen!