Das Dach bleibt zu !
Jetzt ist es endlich soweit, die Generalprobe vor ein paar Tagen hatte offensichtlich nichts gebracht, denn der Pannenstart im Vogelkäfig offenbarte nicht nur technische sondern auch die lange vermuteten Sicherheitsmängel. Was will man aber auch anderes erwarten: Das ganze Jahr Karneval mit Stumpen-Rudi, das hätten auch die Medien gerne so, das lässt sich am besten verkaufen. Und mit der Arena-in-Schlacke-Eröffnung sind wir der totalen Pappnasenshow ein gutes Stück näher gekommen
Ein neuer Versuch den Fussball mit anderen Massenveranstaltungen zu kombinieren sorgt für Showtauglichkeit im neuen Bauwerk. 370 Millionen müssen schließlich wieder eingespielt werden und dafür reicht der Bundesligaalltag nicht, auch nicht mit Championsleage und Logenvermietung. Wie immer sollte es das größte und schönste werden, aber es wurde nur ein schlechter Kompromiss. Die größte und modernste Mehrzweckhalle ist es zweifellos, aber wieder spielt der Fussball in der Planung nur eine Nebenrolle. Das war die Vollendung dessen, was der Aufsichtsratchef Jürgen Möllemann schon 1997 zum 1. Spatenstich ankündigte: "Um diese Arena auslasten zu können, muss der FC Schlacke zu einem Unterhaltungskonzern werden, der auch Fussball anbietet."
Das tragische daran ist, dass der FC Schlacke damit - neben den Champangerkonsumenten in den Logen - in der Mehrzahl "neue Fans" als Abo-Kunden anspricht. Hier wurde mal eben eine neue Kultstätte der Ballermann-Klientel geschaffen.
Die Fussballkonsumenten erobern die Stadien und die Pappnasen machen den Anfang
Im Vordergrund der Eröffnungsfeier standen dann auch die durchaus als selbstironisch anerkennenswerten Pappnasentänze und unendlich langen Fahnenschwenkereien, akustisch untermalt durch orchestral aufgeblasene Fansongs: "Steht auf, wenn ihr Scheixxer seid !" Auch ein Alibi-Eröffnungsspiel gegen den Derby-Gegner aus Dortmund konnte dies nicht egalisieren - im Gegenteil: Durch dieses Spiel wurde dem Publikum gnadenlos klar gemacht, dass der sportliche Wert eines Fussballspiels mehr als unbedeutend ist, wenn es nicht um Fernsehmilliarden oder Championsleagemillionen geht. Heraus kam eine mehr oder weniger perfekte Show, die vor allem diejenigen begeistern konnte, die mit dem Fussball, mit seiner eigentlichen Faszination und Leidenschaft, längst abgeschlossen haben, allen voran unser DFB-Präsident MV und der FIFA-Präsi Blatter. Sie lobten, was das Zeug hielt und Blatter stellte es sogar als wegweisend für die ganze Welt gar - arme "Fussballwelt" möchte man da sagen.
Da war der Kommentar des Operettenkaisers Franz B. noch der sympathischste: "Ich hätte lieber ein Fussballstadion."
Die Medien unterstellten ihm daraufhin Neid und Häme, dabei er war wohl der einzige Offizielle, der es sich traute, die Wahrheit zumindest anzudeuten:
Das hat mit Fussball nichts zu tun !
Das Dach blieb geschlossen, was viele zwar bemerkt haben, aber kaum jemanden ernsthaft verwundert hat. Dabei war es durchaus ein schöner Sommerabend bei 23 Grad und trockenem Wetter - optimale Fussballbedingungen - sollte man meinen. So wurde ein ordentliches Fussballspiel verhindert und Heiko Herrlich brachte es auf den Punkt: "Man hätte das Dach ruhig aufmachen können... Die Verantwortlichen können hier morgen einen Rosmarin-Aufguss geben. Das ist hier wie in der Sauna!"
Gespielt wurde trotzdem drinnen, besser gesagt, die Fussballelemente des Showabends wurden bei geschlossenem Dach vorgeführt. Dabei wäre es doch die einmalige und so nicht wiederkehrende Gelegenheit gewesen, dem Besucher eine wichtige Funktion der Multifunktionsarena vorzustellen:
Fussball spielt man im Freien und Lionel Ritchie in der Halle
Auf diesen Effekt wurde jedoch verzichtet, wahrscheinlich aus purer Angst vor dem Vorführeffekt. Nicht auszudenken, es hätte nicht funktioniert mit dem Zufahren - und für diese Angst gab es sicher gute Gründe. Geradezu entlarvend, die (im übrigen nicht zutreffende) Begründung der blau-weissen Hofberichterstatter von Westline, das Dach hätte während des Spiels geschlossen bleiben müssen, wegen Schallschutzauflagen ab 22 Uhr. Tags darauf wurde dann weiterspielt und kurz vor dem ersten Anstoss noch mal eben getestet: auf-zu-auf. Jetzt wollten sie's riskieren und um 21:30 konnte dann wirklich planmäßig geschlossen werden.
Na bitte es geht doch, etwas mehr Mut Herr Assauer, dann braucht man auch keine peinlichen Ausreden von Westline veröffentlichen zu lassen. Und endlich wurde auch die Fähigkeit zur Multifunktion demonstriert.
Eine Multifunktionsarena wurde es - mal wieder. Einen einmal gemachten Fehler ohne Sinn und Verstand zu wiederholen, das kann man nur verstehen, wenn man die Asseln genauer kennt. Bereits 1973 reichte es den Schlackern aus finanziellen Gründen nicht, aufgrund ihres unangemessenen Gigantismus (72000 Zuschauer
sollten schon hineinpassen), sich auf den Bau einen Fussballstadions zu beschränken. Somit wurde es ein kombiniertes Fussball- u. Leichtathletikstadion, dass zwar Anfangs auch die Asseln zu Begeisterungsstürmen hinriss, zumindest so lange, bis die Probleme jeder erkannte (wir berichteten davon). Ein Stadion, das jetzt - von Bergschäden zerfressen - ausgedient hat und seiner Restnutzung als Trainingsgelände zugeführt wurde.
All diese Probleme sind offensichtlich das Ergebnis verirrter
Bauplanung, da wohl damals wie heute überwiegend Leute in die
Verantwortung genommen wurden, die mit der Planung derartiger Anlagen
überfordert waren. Das Architekturbüro, welches jetzt für die Arena die
Genehmigungsplanung erstellt hat ist zwar ein sehr namhaftes, aber
ausgerechnet Fussballstadien hatte man vorher noch nicht auf der
Referenzliste.
Und der Generalunternehmer, ein staatlicher
holländischer Baukonzern hat zwar schon einige Stadien gebaut, aber die
Planung hier den eben genannten Architekten übertragen.
Dafür
brauchte man sich in Holland auch noch nie um Bergschädensicherung zu
kümmern, weshalb es auch nicht verwundert, dass diese beim Bau der Arena
auch einfach weggelassen wurde, "es wird ja darunter nicht mehr abgebaut".
Vielleicht hätte mal vorher ein Blick ins benachbarte Rattenloch
genügt, um schlimmeres zu verhindern. Auf die Frage zu möglichen
Bergschäden meinte noch in der letzten Woche der technische Leiter der
Schalker Immobilien-Verwaltungs KG Peter Gaj: "Ich weiss nicht ob
alle Stollen unter dem Bergerfeld verfüllt wurden oder werden. Ich
vertraue da ganz der Montan-Grundstücksgesellschaft."
Da sind wir ja mal gespannt wie es weitergehen wird.
Vorerst können wir die offensichtlichen Funktionsmängel bewundern.
Die viel gepriesenen leiblichen Genüsse haben aufgrund der unzumutbaren Wartezeiten an den Wechselstuben für virtuelle "Knappen" und Versorgungsständen keine Chance, das Fussballvergnügen - wie in anderen Stadien gewohnt - mit Imbiss und Bier zu ergänzen. Mag sein, dass dies Anfangsprobleme sind, die der FC Schlacke noch in den Griff bekommen wird..
Falls denn irgendjemand in der Lage sein wird zu ergründen, weshalb so viele Bierstände geschlossen bleiben. Die Chancen hierzu stehen gut, denn schließlich geht es hier um Bares - womit wir mal wieder bei den vorrangigen Sinn des ganzen Konzeptes sind: Der fortschreitenden Kommerzialisierung
Nachrangig aber nicht unwichtig war den Schöpfern der neuen Kultstätte der Ballermann-Klientel wohl die Akustik. Absolut gelungen ist es, die Konzeption zielgerichtet auf maximale Lautstärke bei klatschendem Publikum auszulegen.
Die meisten Bedürfnisse der Fussballfans wurden jedenfalls gnadenlos vernachlässigt, wenn nicht sogar vorsätzlich mit Füssen getreten. Das nicht funktionierende elektronische Schrankensystem an den Parkplätzen und stundenlange Wartezeiten an den Eingängen, weil die Technik der Drehkreuze nicht mitspielte, waren noch die harmlosesten Probleme, die den Besuchern zugemutet wurden.
Schlangestehende Fans durch Tunnel und verwinkelte Gänge zu den Plätzen zu führen, das ist genau das Risiko, das vom Autor schon beim Stadiontest vor Monaten kritisiert aber von den Offiziellen vehement bestritten wurde. Der damalige Kommentar aus der Marketingabteilung: Die Tunnel dienen lediglich der Be- und Entlüftung, sowie als Anlieferweg bei Veranstaltungen - aber niemals als Eingang oder Zugang für Zuschauer.
Nun ist so weit.
Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorstellen zu können, dass die Arena in Schlacke in Zukunft noch sehr oft in den Schlagzeilen stehen wird.
Lest dazu auch den AUGENZEUGENBERICHT