
Unvollendet: Eine Buchrezension Kay Bernstein – Eine Träne im Auge

Vor und nach dem Tod des Präsidenten von Hertha BSC flogen Tennisbälle und Schokotaler auf den Rasen der Stadien. Am 16. Januar 2024 endete der historische Versuch, den Fußball nachhaltiger und gerechter zu gestalten.
Noch vor seinem Tod willigte Kay Bernstein ein, seinen Werdegang – von der Zeit als Ultra in der Ostkurve bis hin zum Präsidenten – in einem Buch zu erzählen. Sein Berater Andreas Lorenz unterstützte diesen Plan. Schließlich bestimmte das Schicksal, dass beide dieses Werk nicht mehr lesen konnten.

Der Journalist und Wegbegleiter von Kay Bernstein, Sebastian Stier, erzählt in diesem Buch von Bernsteins Leben und gibt Einblicke in seine Präsidentschaft bei Hertha BSC. Viele Menschen, denen Kay Bernstein fehlt, haben an der Vollendung dieses Buches mitgewirkt. In Teil eins beschreibt Sebastian Stier in „Süße Milch” die Kindheit des frühen Dynamo-Dresden-Fans, der 1980 in Marienberg im Erzgebirge zur Welt kam, dann über Dresden mit seinen Eltern nach Berlin zog und beim 1. FC Marzahn in der Kindermannschaft die Nummer elf trug.
Der Autor beschreibt den Aufstieg von Hertha BSC aus der Sicht von Kay Bernstein. Im Olympiastadion begann mit Unterstützung von Dieter Hoeneß die Zeit der Eventisierung. In einem damaligen Werbespot war der junge Dortmunder Lars Ricken zu sehen.
Ich sehe Vereine, die teure Profis kaufen, ohne den Nachwuchs zu fördern. Ich sehe Typen in Nadelstreifen, ich sehe Geschäftemacherei ohne Ende.

In den folgenden Artikeln erfahren wir etwas über die „Hertha BSC Harlekins“, Benny und das Ende der Jugend. Damit endet der erste Teil des Buches. Der zweite Teil beginnt mit dem neuen Führungsduo Gegenbauer und Preetz. Nach 14 Jahren ging die Ära von Dieter Hoeneß zu Ende. In dieser Zeit wurde die Eventagentur „Team Bernstein“ gegründet. Einer ihrer Kunden war nun Hertha BSC. Der Verein entwickelte sich zu einer Fahrstuhlmannschaft. Innerhalb von 24 Monaten landete der Verein in der zweiten Liga. Zwar gelang zweimal der Wiederaufstieg, doch Hertha versank in der Bedeutungslosigkeit.
Kay avancierte vom Ultra zum Logengänger. Colin, der Kay auf der Mauer als Nachfolger abgelöst hatte, trat wieder in sein Leben. Zwischen Schnittchen und Champagner knirschte es zwischen Michael Preetz und Paul Kreuter. In der Folge wurde Hertha zu einem gesichtslosen Marketingobjekt. Zeit für Sebastian Stier, das Kapitel „Big City Club“ zu schreiben. Alles begann am 27. Juni 2019. Verschiedenen Meldungen zufolge sicherte sich Lars Windhorst über seine Investmentfirma Tennor Holding 37,5 Prozent der Anteile an der Profiabteilung von Hertha BSC und zahlte dafür 125 Millionen Euro. Die Katastrophe nahm ihren Lauf.
Natürlich findet auch das 76-tägige „Missverständnis” Jürgen Klinsmann im Buch seinen Platz und wir erfahren etwas über das Konfliktpotenzial, als Fredi Bobic die Nachfolge von Michael Preetz antrat. In dieser Zeit reifte in Kay der Gedanke, im Falle eines großen Knalls die Nachfolge von Präsident Gegenbauer anzutreten. Dieser Weg wird im Kapitel „Von Flip-Flops und weißen Hemden“ beschrieben. Nach seiner Wahl beschritt er mit alten Weggefährten den „Berliner Weg“. Doch dieser Weg war steinig. Es gab den siebten Abstieg in die zweite Liga und die Zusammenarbeit mit 777 Partners und Crazybuzzer. Es hagelte Kritik von allen Seiten. Immer wieder bekannte sich Kay Bernstein zur 50+1-Regel. Zuletzt begleiteten ihn das Investorenthema in der DFL sowie die Corona-Pandemie und deren Folgen.
Am 16. Januar 2024 hörte das Herz von Kay Bernstein nach 43 Jahren auf zu schlagen. Er mochte es nicht, wenn man ihn „Kay aus der Kurve“ nannte, weil er sich damit zu Unrecht auf seine Vergangenheit reduziert sah. Doch er lebte die Kurve bis zu seinem viel zu frühen Tod. Das Leben kann oft ungerecht sein.
In seinem 174 Seiten starken Buch beschreibt Sebastian Stier den Lebensweg eines außergewöhnlichen Menschen, der durch und durch Herthaner war. Seine Vision war es, aus seinem Lieblingsverein wieder einen innovativen und verantwortungsbewussten Klub zu machen. Das Ende der Geschichte von Kay Bernstein stimmt traurig, es sollte uns allerdings die Kraft geben, sein Gedankengut zu bewahren und seinen Idealen zu folgen. Das gebundene Buch ist im Verlag DIE WERKSTATT erschienen und kostet 24,90 €. Es ist auch als E-Book zum Preis von 17,99 € im Buchhandel, beim Verlag und bei Amazon* erhältlich.
*In diesem Artikel sind Amazon-Partnerlinks enthalten. Solltet ihr euch dort für einen Kauf entscheiden, erhalten wir eine kleine Provision. Damit unterstützt Ihr unsere Arbeit. Vielen Dank!
Weitere Artikel
