BVB und Rheinmetall: Kritik von Greenpeace und DIE PARTEI Rheinmetall-Deal unter Beschuss: Wie Greenpeace, kritische Aktionäre und DIE PARTEI die BVB-Hauptversammlung ins Visier nehmen
Die Hauptversammlung der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA verspricht Zündstoff: Kritische Aktionäre fordern das Ende der Rheinmetall-Partnerschaft, DIE PARTEI will in den Aufsichtsrat und Greenpeace ruft die Sponsoren zum Handeln auf. Alexander Lurz erklärt die Hintergründe des Protests.
Ein Blick auf die Tagesordnung und die vorliegenden Anträge für die diesjährige Hauptversammlung macht deutlich, dass nicht nur die Mitgliederversammlung des e.V. am Sonntag mit den beiden vorliegenden Anträgen zum Thema politische Vereinnahmung und Rheinmetall für Diskussionen sorgen könnten, sondern auch die Hauptversammlung am darauffolgenden Montag Zündstoff mit sich bringt.
Exkurs: Borussia Dortmund als rechtliches Konstrukt verschiedener Gesellschaften ist nicht ganz einfach zu verstehen, weshalb auch das jährliche Zusammenkommen der jeweiligen Organe sprachlich oft unter dem Oberbegriff „Jahreshauptversammlung“ vermischt wird. Daher ein kurzer Überblick:
Die Mitgliederversammlung ist das beschließende und damit wichtigste Organ des Ballspielverein Borussia 09 e.V. Dortmund. Auf der Mitgliederversammlung haben die knapp 200.000 Mitglieder des e.V. zum Beispiel die Möglichkeit, einen Vereinsvorstand zu wählen, diesen zu entlasten sowie über Anträge abzustimmen.
Demgegenüber steht die Borussia Dortmund GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), in die im Jahre 2000 der professionelle Vereinsfußball ausgegliedert wurde. Diese Gesellschaft setzt sich aus einer GmbH, der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH sowie den Kommanditaktionären, welche die KGaA bilden (also Kapitalanleger), zusammen. Die rechtliche Verbindung des eingetragenen Vereins und der Gesellschaft (und damit auch mittelbar die Einhaltung der 50+1-Regel) wird dadurch sichergestellt, dass Alleingesellschafter wiederum der Geschäftsführungs-GmbH der BV. Borussia Dortmund 09 e.V. Dortmund ist.
Das Gegenstück zur Mitgliederversammlung des e.V. ist hier die jährlich zusammentretende Hauptversammlung. Diese hat jedoch nur eingeschränkte Rechte und anders als die Mitgliederversammlung des e.V. etwa keine Möglichkeit, die Geschäftsführung zu bestimmen. Eine wichtige Aufgabe der Hauptversammlung ist daher zum Beispiel die Wahl des Aufsichtsrats, der wiederum die Geschäftsführung überwachen soll.
Auf der Tagesordnung für kommenden Montag findet sich zum einen ein Antrag (S. 3) vom „Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre“, ein Verein, der sich u.a. gegen Rüstungsproduktion, Umweltzerstörung und für mehr Nachhaltigkeit bei börsennotierten Unternehmen einsetzt. Zu diesem Zwecke übertragen Aktieninhaber dem Verein regelmäßig ihre Stimmrechte, um diesem auf Veranstaltungen wie einer Hauptversammlung eine Plattform für dessen Aktivitäten zu bieten. Der Antrag richtet sich darauf, der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH die Entlastung für das Geschäftsjahr 2023/2024 zu verweigern. Begründet wird dies mit der Rheinmetall-Partnerschaft des BVB, was den Verein auch dazu bewegt hat, in gleicher Angelegenheit eine Petition zu starten.
Aber auch S. 5-22 der gestellten Anträge rufen Erstaunen hervor. Dort nämlich werden neun Personen für den Aufsichtsrat der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA vorgeschlagen, die allesamt aus den Reihen der Partei „DIE PARTEI“ stammen. Auf dieser Liste ist auch der Satiriker Martin Sonneborn zu finden, seines Zeichens Vorsitzender der Partei und seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments. Auf eine Anfrage von schwatzgelb.de ließ Sonneborn Folgendes verlautbaren:
Ich kandidiere, weil ich Rheinmetall rausschmeißen will. Rote Karte! Wir – ich bin so frei, mal wir zu sagen – haben uns da leider mit einem extrem unseriösen Partner eingelassen. Genau wie meine Kollegin von der FDP Frau Strack-Rheinmetall befeuert die Firma Krieg & Tod. So etwas sollte niemand auf der Brust tragen, auch nicht für sehr viel Geld. Apropos Geld, der schmierige Deal ist nicht nachhaltig: Rheinmetall ist eine FAILED FIRMA, sie wird zwar mit Hunderten von Millionen zugeschissen derzeit – aber hat keine funktionierende Organisation. Ein großer Bluff! Also eher was für Bayern oder Schalke… Smiley
Ob die Vertreter von DIE PARTEI planen, ihre Kandidatur auch vor Ort für die Abgabe eines politischen Statements zu nutzen, bleibt unklar. Auszuschließen ist es aber natürlich nicht – mitsamt der damit verbundenen medialen Aufmerksamkeit.
Man kann ganz unterschiedlicher Meinung sein, ob man diese Aktivitäten gutheißt. Fakt ist aber, dass Borussia Dortmund aufgrund des Rheinmetall-Deals zunehmend von Organisationen mit unterschiedlichen Aktionen adressiert wird, die sich typischerweise außerhalb der „BVB-Bubble“ bewegen. Das wird den Verantwortlichen sicherlich im Vorfeld bewusst gewesen sein, darf aber bei der Frage eines etwaigen Imageschadens nicht unberücksichtigt bleiben.
In diesem Zusammenhang hatten wir Gelegenheit, mit einem weiteren gesellschaftspolitischen Akteur zu sprechen, der sich kritisch mit dem Rheinmetall-Sponsoring auseinandergesetzt hat. Es folgen drei Fragen an Alexander Lurz, Historiker und Experte für Abrüstung bei Greenpeace:
Wir haben jetzt alle Champion- und Premium-Sponsoren des BVB kontaktiert und sie aufgefordert, sich bei Aki Watzke dafür einzusetzen, das Rheinmetall-Sponsoring zu beenden.
schwatzgelb.de: Greenpeace wird von den meisten Menschen ausschließlich im Umweltschutz verortet. Du hingegen arbeitest bei Greenpeace als Kampaigner im Bereich Abrüstung und beschäftigst dich seit Jahren mit der Rüstungsindustrie. Weshalb widmet ihr euch auch diesem Thema?
Der Grundsatz ist so einfach: Ohne eine gesunde Umwelt gibt es keinen Frieden und ohne Frieden keine gesunde Umwelt. Wenn wir heute die Zerstörungen in der Ukraine sehen, wird deutlich, wie Krieg auch die Lebensgrundlagen der Menschen vernichtet. Gemeinsam mit Partnern haben wie zum Beispiel die Zerstörung des Kakhovka-Damms in der Ukraine durch Russland und die verheerenden Auswirkungen, die das auf die Natur, Landwirtschaft und Wirtschaft in der betroffenen Region hatte, untersucht.
In den letzten Jahren haben wir intensiv zu deutschen Waffenexporten gearbeitet und für ein Verbot der tödlichen Lieferungen an Diktaturen und Menschenrechtsverletzer gekämpft. Dabei stößt man immer wieder auf Rheinmetall. Der Konzern beliefert skrupellos jeden, der bestellt und das Geld hat – übrigens auch Putin, bis die Bundesregierung Rheinmetall gestoppt hat. Und wenn der Export aus Deutschland nicht möglich ist, dann liefert Rheinmetall eben über Umwege. So verkaufte Rheinmetall Saudi-Arabien Bomben für dessen brutale Kriegsführung im Jemen über den Umweg Italien. Da hatte die Bundesregierung wegen ebendieser Kriegsführung und der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi bereits ein Rüstungs-Embargo gegen das Land in Kraft.
Selbst für fanpolitisch engagierte Fußballfans war der Rheinmetall-Deal eine völlig neue Gemengelage, die weit über die üblichen "Fußballthemen" hinausging. Ist es auch für euch eine neue Entwicklung, dass sich seit der "Zeitenwende" Rüstungsunternehmen über Engagements wie bei Borussia Dortmund in die Mitte der Gesellschaft begeben?
Die Konzerne sind die gleichen geblieben, ihre Manager sind die gleichen wie ihre Profitgier. Es ist ja nicht so, als würde Rheinmetall nur die Ukraine oder die Bundeswehr beliefern. Es wird ja weiter verkauft an Staaten wie Algerien, Ägypten. Weiterhin nimmt man das Geld von Diktaturen und Menschenrechtsverletzern. Die Zeitenwende, also die begonnene Aufrüstung der Bundeswehr, hätte jetzt theoretisch auch eine Wende für Rheinmetall sein können. Die Milliarden-Aufträge flattern bei Rheinmetall ja gerade durchs Fenster – da hätte man auch reinen Tisch machen und auf die üblen Kunden verzichten können. Genug Geld kommt ja trotzdem rein.
Was Rheinmetall gerade tut, ist, den Moment zu nutzen. Jetzt kann man sich als Verteidiger der Demokratie inszenieren und dabei ein Tuch darüber ausbreiten, wem man sonst noch tödliches Material verkauft. Dass die Geschäftsführung des BVB das mitspielt, will mir nicht in den Kopf. Der Verein steckt ja schon lange nicht mehr in Finanznöten und muss nicht jeden Euro, egal von wo, nehmen. Dass es der Geschäftsführung egal ist, dass man nun zusammen mit Diktaturen Geschäftspartner von Rheinmetall ist und man dabei auch gleichgültig demgegenüber ist, was die dann mit den Waffen und der Munition machen, möchte ich nicht glauben. Vielleicht hat man da in der Geschäftsführung einfach nicht lange genug drüber nachgedacht. Dann sollte man den Fehler eingestehen und das Sponsoring aufkündigen.
Auf der diesjährigen Hauptversammlung der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA gibt es nicht nur einen Antrag auf Nichtentlastung seitens der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, sondern auch Wahlvorschläge für den Aufsichtsrat aus dem Kreis der Satire-Partei „DIE PARTEI“. Wie bewertest du es, dass aktuell viele „Fußball-ferne“ Organisationen auf den BVB einwirken möchten und plant auch Greenpeace, in dieser Sache aktiv zu werden?
Ich bin Fan der anderen Borussia. Und froh und stolz, dass die das Sponsoring-Angebot von Rheinmetall abgelehnt hat. Ich möchte Fußball sehen und zumindest da nicht mit miesen Waffengeschäften behelligt werden. Den Protest, der jetzt bei der HV ansteht, hat daher allein die Geschäftsführung des BVB zu verantworten. Bei der Liste von Diktaturen und Menschenrechtsverletzern, die Rheinmetalls Kunden sind, und die nicht geheim war, muss man mit Protest einfach rechnen.
Auch dem von Greenpeace. Wir haben jetzt alle Champion- und Premium-Sponsoren des BVB kontaktiert und sie aufgefordert, sich bei Aki Watzke dafür einzusetzen, das Rheinmetall-Sponsoring zu beenden. Wenn man auf deren Homepages mal schaut, was die an Bekenntnissen zu Menschenrechten, Demokratie und Korruptionsbekämpfung abgegeben haben, müssen die Rheinmetall als Co-Sponsor rundherum ablehnen.
Entweder man nimmt die eigenen Menschenrechtserklärungen ernst, dann will und kann man nicht der Co-Sponsor von Rheinmetall sein und dann muss man auch Aki Watzke direkt sagen, dass es eine dumme Idee war, Rheinmetall ins Stadion zu lassen. Oder die Erklärungen waren nur schöne Worte, um das eigene Image aufzupolieren. Dann muss man bei Signal Iduna, Puma, Sparda-Bank, Eurowings und den anderen Co-Sponsoren aber auch mit dem Image-Verlust leben. Was eigentlich dem Sinn eines teuren Sponsorings widerspricht.