Der BVB im Champions League-Finale gegen Real Madrid Alles, was ich will!
Borussia Dortmund steht zum sechsten Mal in seiner bald 115-jährigen Vereinsgeschichte in einem Europapokalfinale. Und selten kam dieser historische Erfolg unerwarteter als in dieser Spielzeit. Erwartete 1993 auch niemand ernsthaft, dass der BVB, wenige Jahre zuvor fast noch in die zweite Liga abgestiegen war, konnte sich damals jedoch bereits jene Euphorie breitmachen, die der im Vorjahr eingestellte Ottmar Hitzfeld bereits mit der Vizemeisterschaft 1992 entfachte. Die aktuelle Spielzeit war nach dem tragischen Ende der Vorsaison jedoch geprägt vom traumatisierten Verhalten des Anhangs und den weit überwiegend schwachen und seltsam diffusen Leistungen der Profis. Am Ende steht daher auch verdient nur der 5. Platz in der Bundesliga. Aber international konnte die Mannschaft bereits in einer schwierigen Gruppenphase erstaunlich weit über sich hinauswachsen. Was sie nun am 1. Juni 2024 nach London, ins gigantische Wembleystadion, führen wird, um sich dort mit Real Madrid zu messen und sich am Ende hoffentlich endgültig in die Geschichtsbücher Borussia Dortmunds zu verewigen.
Aufstieg gegen alle Erwartungen: Von Newcastle bis Milan
Dass der BVB in dieser Champions League-Spielzeit dann die volle Distanz gehen würde, war an einem Abend im frühen Oktober nicht wirklich absehbar. Die Mannschaft startete mit 0 Toren und einem Punkt in die schwere Gruppenphase mit den „Staatsgeld“-Klubs Paris St. Germain und Newcastle United, dazu der AC Milan, der ebenfalls mit externem Geld aus Asien wieder an ruhmreichere Tage anknüpfen wollte. Und somit fuhr man bereits am dritten Spieltag recht hoffnungslos zu einem ersten Endspiel nach Newcastle. Ich kann mich wirklich an kaum jemanden erinnern, den ich in Newcastle am Vorabend oder Tag des Spiels traf, der wirklich etwas daraufsetzte, dass dieses Spiel nicht schon der vorzeitige Schlusspunkt für die Hoffnung war, doch wenigstens Platz 2 in dieser Gruppe zu erreichen. Und doch kam es dann ganz anders. Die Mannschaft spielte, völlig anders als weit überwiegend in der Liga, konzentriert und ambitioniert. Und auch der taktische Plan des Trainers schien aufzugehen. Und so gewann man an diesen sehr regnerischen Tagen in Newcastle die Hoffnung zurück, indem man das Spiel 1:0 gewinnen konnte. Eine obligatorische herbe Klatsche gegen den FC Bayern München später, die im Grunde schon alle Weichen in der Bundesliga endgültig auf „wir werden uns für Platz 4 strecken müssen“ stellte, gelang dann das Unglaubliche: Auch im Heimspiel gegen Newcastle gelang es der Mannschaft und dem Stadion, ein komplett anderes Gesicht zu zeigen und man gewann 2:0. Das bisschen besser war man dann schon gegenüber dem, was man in diesen Wochen und Monaten in der Regel in der Liga zu sehen bekam.
Und so war die Chance auf einmal vollkommen realistisch gegeben, sich für die KO-Phase der Champions League zu qualifizieren. Was dann auch durch einen hochverdienten und großartigen Auftritt beim AC Milan gelang, den man mit 3:1 in dessen Stadion schlug. Um ein Haar wäre es sogar bereits der vorzeitige Gruppensieg geworden, was dann aber erst im letzten Spiel gegen Paris St. Germain gelang.
Und so stand der in der Liga noch mehr taumelnde BVB auf einmal im Achtelfinale der Champions League, als sei es das leichteste der Welt. Keine Woche später, nach einem trüben 1:1 an einem vorweihnachtlichen Dienstagabend, war man sogar derart aus dem Tritt geraten, dass sogar der Trainer Edin Terzic kurz davor stand entlassen zu werden. Jene Woche sollte für die gesamte Spielzeit die Schablone werden. Tut es doch so weh, so konnte Edin Terzic immer wieder gerade auf dem internationalen Parkett seine Mannschaft zur Höchstform antreiben. Gegen den, dank des ersten Platzes in der Gruppe, wohl leichtesten Achtelfinalgegner PSV Eindhoven tat man sich zwar durchaus schwer, aber unter dem Strich konnte sich hier auch die individuelle Klasse beim BVB durchsetzen. Eine wirklich mitreißende Auswärtsfahrt war es dennoch nicht. Das Ziel zu nah, der Gästeblock finster hinter dicken Netzen versteckt und die Stimmung war auch seltsam gehemmt und wenig euphorisch. Die Leistungen in der Liga taten ihr Übriges. Dennoch konnte der BVB sich eine gute Ausgangslage erspielen, die er dann im Rückspiel auch mehr oder weniger souverän mit dem Einzug ins Viertelfinale krönte. Was für den Champions League-Dauergast Borussia Dortmund für sich ja schon ein nicht alle Jahre vorkommender Erfolg war und nicht zuletzt dank des ersten Platzes in der Gruppenphase (und des daraus resultierend eher leichteren Los) ermöglicht wurde.
Triumphale KO-Runden: Dortmunds Kampfgeist führt ins Halbfinale
Das Los bescherte uns dann in dieser Runde der letzten acht Mannschaften keinen der ganz großen Platzhirsche (und dankenswerter Weise auch nicht den FC Bayern München), sondern mit Atletico Madrid einen unangenehmen, aber nicht völlig außer Reichweite befindlichen Gegner. Wobei sich dies in Madrid zunächst völlig anders anfühlte. Waren die Tage vor dem Spiel in Madrid als Mitreisender bei ersten frühlingshaften Sommerspuren wundervoll, war die Stimmung im Stadion vor dem Spiel mitreißend begeisternd, schien diese nicht verstehbare Mannschaft komplett unterzugehen. Ein grotesker Fehler führte zum verdienten 1:0 und danach wurde es noch viel schlimmer. Unzählige Fehler, schlechte taktische Ordnungen und desolate individuelle Vorträge später stand es dann auch schon 2:0 für Atletico Madrid. Und die Reise schien sich ziemlich sicher ihrem Ende zuzuneigen.
Doch, wie ein Spiegelbild dieser wellenartigen Saison, kam dann eine zweite Halbzeit zustande, in welcher sich die Mannschaft zunehmend ins Spiel zurückkämpfte und deutlich mehr Kontrolle erlangte (auch dank diverser Korrekturen im Hinblick auf die Aufstellung und taktische Ordnung).
Und so kamen wir zu Chancen und in der 81. Minute war es dann so weit und der vom Glück in seiner BVB-Zeit nicht gesegnete Sebastien Haller schaffte mit einem wundervollen Tor den Anschlusstreffer, welcher den Gästeblock erwachten ließ. In diesem Moment war die Hoffnung wieder da und der Funke für das, was im Rückspiel folgen sollte, wurde gelegt. Jedem der anwesenden BVB-Fans war da für unser Heimspiel klar: Alles wird in Flammen stehen!
Und es stand dann alles in Flammen. Der Abend, an dem das Rückspiel gegen Atletico Madrid eine Woche später stattfand, wurde zu einem jener Abende, die wohl für immer im Gedächtnis bleiben werden. Das Spiel selbst war eine wilde Schlacht mit offenem Visier. Das Spiel wankte hin und her wie ein Schiff im Sturm. Und dieser Sturm wurde entfacht durch ein völlig entfesseltes Stadion, das immer mal wieder diese Momente erschaffen kann, in welchem eine Symbiose zwischen dem Spielfeld und der Tribüne entsteht. Und so spielte dann auch die Mannschaft entfesselt und im Rausch und ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Spiel so ohne diese Kulisse, also ohne uns Fans, nicht zustande gekommen wäre. Und der BVB auch nicht den Weg ins Halbfinale geschafft hätte! Aus jeder Pore dieses Abends sprang einen an: „Das hier ist Fußball!“
Das große Finale: Dortmund gegen Real Madrid in Wembley
Aus diesem Abend resultierend war auch bereits klar, dass das auf uns wartende Halbfinale gegen die Rohstoff-Truppe aus Paris gehen würde. Diesmal jedoch mit umgekehrten Austragungsorten. Das Hinspiel wurde nur wenige Tage nach jenem historischen Abend gegen Madrid im Westfalenstadion ausgetragen. Und das Feuer aus dem Madrid-Spiel war noch nicht gelöscht. Erneut trug das Stadion, an einem dieser magischen Europapokalabende, die Mannschaft über den Platz. Gegen einen Gegner, die zumindest auf dem Papier meilenweit weg zu sein schien von jenen Papieren, auf die wir BVB-Fans regelmäßig im teils tristen Alltag blickten. Erneut konnte der oft (auch von mir) kritisch beäugte Niklas Füllkrug zeigen, weshalb er dann doch Nationalspieler war. Ein Tor ließ die Dämme brechen, viel Glück und Geschick und einen herausragenden Mats Hummels später fuhren wir tatsächlich mit der Hoffnung aufs Finale mit einem 1:0 im Gepäck in die französische Hauptstadt.
Und gewannen! Und zogen ins Finale ein! Und sangen dann die ganze Zeit nur von dir: Borussia Dortmund. Rauschhaft war dieser Abend und Mannschaft und Fans lagen sich noch lange nach dem Spiel völlig überwältigt in den Armen und feierten diesen nie für möglich gehaltenen Erfolg. Der BVB stand im Finale der CL und durfte sich auf Wembley freuen. Allen Fußballgöttern sei Dank, dann mit dem Gegner Real Madrid.
Es ist dann in wenigen Tagen das sechste Europapokal-Finale, welches Borussia Dortmund in seiner Vereinsgeschichte wird spielen dürfen. Wobei es ja genau genommen sieben Spiele waren, da der UEFA Cup ja früher auch ein Finale mit Hin- und Rückspiel austrug. Ich selbst durfte von diesen sieben Spielen bisher fünf Spiele live im Stadion verfolgen. Und die Wege dorthin ja sowieso. Und nun wartet das unfassbare sechste Finalspiel im Stadion auf mich. Jene Fans, die wie ich bereits vor den 90er Jahren BVB-Fan wurden und (Geburtsjahre sei Dank) werden konnte, werden allesamt ob dieser Anzahl an europäischen Finalspielen noch immer verwundert sich die Augen reiben. Aber es ist so. Und es ist ein unglaubliches Privileg, diese lange Reise erlebt zu haben.
Jedes Finale war anders und meist auch nicht von Erfolg gekrönt. Und dennoch liebe ich jedes einzelne in seiner Gesamtheit. Natürlich ragt der Triumph von München 1997 heraus, der („Lupfen jetzt!“) dank unseres neuen Geschäftsführers Lars Ricken und Karl-Heinz Riedle möglich wurde.
Alles, was ich will, alles, was wir wollen, ist, dass dieser Moment noch einmal passiert. Dass wir nächsten Samstag erleben, wie eine Mannschaft sich unsterblich macht. Und wie wir Fans unseren –die Spiele gegen Madrid und Paris haben es bewiesen – großen Teil dazu beitragen, indem wir in Wembley bedingungslos alles dafür tun, um diesen Traum wahr werden zu lassen!
Also lasst uns diese unglaubliche Reise zu Ende bringen.