BVB vs. Bayer Leverkusen Meisterlich und Meisternicht
„Meisterbezwinger“ - so lautete die Überschrift, die ich in der 85. Minute als Startschuss für diesen Artikel verfasste. Ich schrieb und schrieb - bis zur 97. Minute. Da fing ich wieder von vorne an. Unser Spielbericht:
Sonntagnachmittag, ein unbekanntes leuchtendes Objekt am Himmelszelt und ich war guter Dinge, einen Champions League Platz einzutüten. Schließlich ging es für Pillenhausen um nichts mehr außer der Ehre, also würden sie ja wohl so nett sein und es uns recht einfach machen. Blauäugig hatte ich das schon letzte Saison gedacht, als ein gewisses Mainz 05 uns die Meisterschaft versaute. Ok, wir sie uns selbst versauten. Das würde uns ja wohl nicht nochmal in ähnlicher Form passieren, oder etwa doch?
Nobby eröffnete den Sonntagabend mit einem Gruß an den Gästeblock und gratuliert ihm ausführlich zur verdienten Meisterschaft. Und wenn ich ausführlich sage, meine ich ausführlich. München hatte man noch nie gratuliert, aber der Pillenstadt schon? Ein bisschen strange fand ich sie schon, diese Lobtiraden. Strange fand ich auch den ungewohnt vollen Gästeblock - ob da nicht gerade so mancher sein „erstes Mal“ im Gästeblock hatte? Zumindest hatte man bisher noch keine Zeit gefunden, eigene Lieder zu erfinden und so schafften es Lieder aus Bayern und Dortmund mit einem kleinen ungewohnten „SVB“ davor oder dahinter nicht nur einmal in die Songauswahl des roten Anhangs.
Voller Überzeugung, an diesem Tag DAS Topspiel der Liga zu sehen, begab ich mich alsbald auf den Boden der Tatsachen zurück. Was‘n das? War Darmstadt gegen Köln nicht gestern schon? Die B-Elf der Werkself spielte so gar nicht wie von einem anderen Stern, wie der Stern des Südens oder der leuchtende Stern Borussia. Wie mit 11 Promille intus schlurften sie ideenlos über den Platz und Dortmund tat es ihnen gleich. Nach 30 Minuten schafften es genau zwei Torschüsse in Richtung des gegnerischen Tores. Nicht jeweils zwei, insgesamt zwei.
Aber Emre Can wäre nicht Emre Can, wenn er nicht wieder etwas südländisches Temperament in die Bude bringen würde. Und so drückte und hielt er kurz vor der Linie Jeremie Frimpong, der bei der Aktion seinen Schuh verlor. Kurz vor der Linie? Auf der Linie? Hinter der Linie? Der Kölner Kellner ist sich Gott sei Dank sicher, dass der Kontakt vorher statt fand. Also Freistoß für Leverkusen? Nö. Dortmund hatte zur Abwechslung mal Glück in Sachen Schiedsrichterentscheidungen. Was der Schiri nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Weiter ging’s. Leider nicht so spektakulär wie ich es mir erhofft hatte und so bleibt aus den Aktionen der nächsten -gefühlt- Stunden nur Hummels gesondert hervorzuheben. Hummels, Hummels und nochmals Hummels. Er fiel nicht zum ersten Mal auf und schien der einzige zu sein, den das Ganze hier noch etwas mitzunehmen schien. Der Halbzeitpfiff ertönte und Dortmund schien mal wieder vergessen zu haben, dass der Drops in Sachen Champions League noch immer nicht gelutscht ist.
Bewunderte ich noch am Donnerstag, wie gezielt und rechtzeitig Alonso auswechselte, wusste ich, dass es bei unseren Wechseln wieder nur für ein Augenrollen reichen würde. Wer sollte denn von dieser Bank hier noch die Welt retten? Oh, Moment! Da saß ja noch der Marco. Seit Monaten teilweise das ganze Spiel lang. Ein tolles Abschiedsjahr, in dem er sich herrlich präsentieren durfte. Nicht. Mittlerweile schrieben wir die 81. Minute, ich widmete mich kurz einem Powernap, als alles um mich herum plötzlich losschrie. Ein oder vier Bierduschen ergossen sich über mir - hä, Tor oder wie? Ich rieb mir verschlafen die Augen, während Niclas Füllkrug vor der Süd rumturnte. Geht doch, warum nicht gleich so?
Schlotterbeck hinderte Frimpong kurze Zeit später am angepeilten Ausgleich, ein Haufen wild gewordener gelber und weißer Rudeldiere wütete kurze Zeit später aufeinander ein. Boniface wuchtete Schlotterbeck dabei nicht nur einmal auf den Boden der Tatsachen. Was ist denn hier los? Auf die Überreaktion des Jahres folgte dann eine minutenlange Schirientscheidung. Schnell zückte er die rote Karte gegen Boniface. „Richtig so!“ Ich reckte die Arme wild fuchtelnd und provokant in Richtung Gästeblock. Doch selbiger turnte nach drei Minuten noch immer auf dem Feld herum. Man war sich im Kölner Kellner noch immer nicht sicher. „Gib Rot und weiter, Junge!“ Aber auf mich hörte mal wieder keiner. Leverkusen skandierte währenddessen sein frisch kopiertes „Deutscher Fußballmeister SVB!“ in minutenlangem Dauersingsang. Abgelöst wurde dieses dann durch ein „Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia - nie!“ Moment mal, wie bitte? Was ein Kackhaufen. Die Pöbeleien zogen sich hoch, bis endlich die Entscheidung stand: Gelb für Xhaka, Boniface darf weiter turnen, rempeln, sich daneben benehmen. Dann waren wir jetzt quitt mit dem nicht gegebenen Freistoß in der 30. Minute?
Erst einmal erschien eine fette rote 8 als Nachspielzeit auf der Anzeigentafel. Ker, mach feddisch, ich muss seit 20 Minuten auf Klo. Aber wieder erhörte mich niemand. Außer Leverkusen, denn die machten plötzlich Druck und bekamen eine Ecke geschenkt, bei der ich mir noch immer nicht sicher bin, ob Marco wirklich der letzte Mann am Ball gewesen sein sollte. 90+7, das Ding ist gleich durch und Standards verteidigen war doch schon immer unser Steckenpferd, nicht wahr? Nicht? Nein, das durfte wirklich nicht wahr sein! MAN!
Die Pillen rasteten komplett aus, als wäre die Meisterschaft noch gar nicht gewonnen und dies der Siegtreffer im Champions League Finale gegen Real. Ich schmiss meinen Schal zu Boden, riss mir den Pullover von der Hüfte, MAN EY! Ihr Schnarchnasen! Leverkusen feiert das 45. Pflichtspiel ohne Niederlage und wir feiern mal wieder gar nichts. Ich könnte brechen und das mach‘ ich jetzt auch, bis nächste Woche!