BVB-Sieg gegen Darmstadt Reus im Herzen, Wembley im Kopf
Als ich mich vor zwei Wochen spontan nach Augsburg und vor dem Rückspiel
in Paris entschied, den Spielbericht gegen Darmstadt zu übernehmen,
stand der Plan in meinem Kopf schnell.
Über das, schon damals tabellarisch bedeutungslose, Spiel bräuchte ich nicht viel zu schreiben. Das Drumherum mit der Verabschiedung von Marco Reus wäre ein Schwerpunkt und ansonsten würde sich ja ein erstes Saisonresümee anbieten. Schließlich war die Bundesligasaison mit „nicht zufriedenstellend“ noch sehr euphorisch beschrieben und nur der Einzug ins Champions League-Halbfinale kaschierte die doch dürftigen Leistungen. Dass man in Paris dann nach dem 1:0 im Hinspiel ausschied, ist sicherlich kein Makel. Da gab es mit Sicherheit einiges zu analysieren.
Man sieht, ich bin eher auf der pessimistischen Seite des Lebens
unterwegs. Der BVB strafte mich Lügen und zog ins Champions
League-Finale ein. Konnte ich ja nicht ahnen. Und während um mich
hektische Buchungsabenteuer begannen, durfte ich mich glücklich
schätzen, dass eine kluge Person deutlich optimistischer war als ich
und einfach schon vor dem Halbfinale Hotel und noch auf der Rückfahrt vom Paris-Hinspiel die Fähre für uns
gebucht hatte. Danke dafür! Den Stress war ich also los, meinen
Spielberichtsplan aber auch. Wer zieht schon vor dem Höhepunkt ein Fazit.
Streichen wir also das Saisonresümee, widmen wir uns den anderen Punkten.
Vorspiel
Vor dem Spiel gab es, wie üblich am letzten Spieltag, die
Verabschiedungen. Marius Wolf und Mateu Morey auf Spielerseite und
Otto Addo auf Trainerseite wurden mit warmen Worten und dem üblichen
Blumenstrauß verabschiedet. An dieser Stelle bleibt nur zu sagen:
Danke für euren Einsatz und alles Gute für euren weiteren Weg! Und
insbesondere an Mateu: Junge, bleib gesund!
Emotionaler wurde es
im Anschluss: Nach 427 Spielen und 169 Toren für den BVB stand Marco
Reus ein letztes Mal im Westfalenstadion für die Borussia auf dem
Rasen.
Den Blumenstrauß gab es auch hier, die warmen Worte fielen sehr kurz aus, da entweder die Technik oder Nobbys Stimme versagte. Die Südtribüne sprang kurzerhand ein und feierte den Dortmunder Jungen ausgiebig.
In Berichten über Marco Reus ist häufig vom „Unvollendeten“ die Rede. Dass er mehr Titel haben müsste, dass die Karriere dann am Ende vielleicht doch viel erfolgreicher hätte sein müssen. Und natürlich ist der Gedanke auch nachvollziehbar, haben doch Verletzungspech und Vereinsliebe mit Sicherheit den einen oder anderen Titel verhindert. Aber mal ehrlich: Wer mit so einer Choreo verabschiedet wird, hat verdammt viel richtig gemacht. Und der Fußballromantiker in mir (und auch die Romantikerin in Emily) glaubt immer noch, dass das mehr wert ist als zig Meistertitel mit den Bayern oder ein Karriereende bei Eintracht Frankfurt.
Zum Spiel
„Mind the gap“ würde der Londoner sagen. The gap ist in diesem
Fall die Lücke zwischen dem Halbfinalrückspiel in Paris und dem
Finale in London. Auf der einen Seite ging es darum, die Spannung
aufrecht zu erhalten, gleichzeitig galt es, möglichst keine
Verletzungen zu riskieren. In Mainz war das mit den Verletzungen
gelungen, das mit dem Spannung aufrechterhalten so gar nicht. Umso
mehr ging es nun darum, mit einem guten Gefühl und einem
Erfolgserlebnis nach London zu fahren.
Und so schickte Terzic auf 10 von 11 Positionen die vermutliche Startelf von Wembley aufs Feld. Nur Reus dürfte in zwei Wochen durch Brandt ersetzt werden, heute durfte er jedoch ein letztes Mal die Mannschaft als Kapitän aufs Feld führen.
Der Beginn war so, wie es sich für einen schönen Sommerkick
gehörte. Es ging hin und her, die Lilien versteckten sich keineswegs
und kamen schnell zu den ersten Abschlüssen. Die gefährlichste
Aktion ging aber auf das Konto des BVB. Sancho legte quer auf Reus,
der den Ball aus 13 Metern an die Latte nagelte. Der krönende
Abschluss blieb ihm zunächst versagt. Nach 20 Minuten übernahm der
BVB dann mehr und mehr die Kontrolle und belohnt sich schnell. Sancho
legte erneut im Strafraum quer, Sabitzer nahm sich ein Beispiel an
Reus und hämmerte den Ball ebenfalls an die Latte. Der BVB blieb
jedoch im Ballbesitz, Reus tunnelte irgendeinen Darmstädter und
Maatsen versenkte das Leder im rechten unteren Eck.
8 Minuten später klappte es dann doch mit dem krönenden Abschluss. Zimmermann foulte Reus an der Strafraumkante und der Gefoulte hob den Ball gefühlvoll über die Mauer ins Tor. Warum Schuhen im Darmstädter Tor so gar nicht reagierte, war nicht ganz klar. Vielleicht sah er den Ball zu spät, vielleicht wollte er auch einfach zu einem gelungenen Reus-Abschluss beitragen.
Mit Ausnahme eines kleinen Scharmützels zwischen Adeyemi und Gjasula
passierte bis zur Halbzeit nichts mehr. In dieser konnte Nobby Dickel
das 200.000 Vereinsmitglied ehren. Alle, die sich noch an die „Aktion
40.000“ erinnern, müssen diesen Artikel auf Facebook liken.
In der zweiten Halbzeit zeigte Darmstadt, warum es nicht zu unrecht den Gang in Liga zwei antreten muss. Ein BVB in Spiellaune konnte einigermaßen ungestört den Weg nach vorne suchen, von Gegenwehr oder gar gezielten Offensivaktionen war bei den Darmstädtern nichts zu sehen. Besonders Maatsen und Sancho genossen ihren Freiheiten und nur Schuhen im Darmstädter Tor war es zu verdanken, dass es nach 70 Minuten immer noch 2:0 stand.
In der 73. Minute war dann aber auch Schuhen machtlos. Sancho hob den Ball in den Lauf von Brandt, der Klarer locker mit dem Körper zur Seite drängte und in die lange Ecke vollendete.
Für Sancho war es die letzte Aktion, er hatte mit Ryerson
Feierabend. Bynoe-Gittens und, ein letztes Mal, Marius Wolf, betraten
den Rasen. Bereits zuvor hatten Malen und Brandt Füllkrug und
Adeyemi ersetzt.
Malen war es dann auch, der in der 88. Minute nach einem schönen Doppelpass mit dem Pfosten das 4:0 erzielte. Doch der emotionale Höhepunkt war bereits 7 Minuten vorher erreicht. Marco Reus verließ den Platz durch das Dortmunder Spalier, unter tosendem Applaus nicht nur der Schwarzgelben. Auch die Darmstädter Spieler und Verantwortlichen, das Schiedsrichterteam und der Gästeblock spendeten Applaus. Und noch einmal die Frage: Wer so verabschiedet wird, soll unvollendet sein? Nur weil ihm irgendwelche Titel fehlen?
Nachspiel
Für Reus ging es, wie schon in Paris, wieder aufs Vorsängerpodest,
von wo er die Einstimmung auf Wembley übernahm. Vielleicht bahnt
sich ja da schon eine Anschlussverwendung als zukünftiger Capo an.
Auch Mats Hummels
und Edin Terzic wurden noch ausgiebig gefeiert wurden, ehe die
Mannschaft lautstark in Richtung Wembley verabschiedet wurde:
Keiner ahnt es,
keiner ahnt es, keiner ahnt es, scheißegal…
Wir sehen uns in London!
Das Allerwichtigste zum Schluss
Marco Reus’ Abschied ist wichtig, Champions League-Finale ist sowieso wichtig, aber nichts ist wichtiger als das hier:
Kämpfen, Simon! Wir stehen an deiner Seite!