Neuausrichtung beim BVB Das Ende naht
Borussia Dortmund steht vor großen Herausforderungen: Tiefgreifende Kaderprobleme, intensive Führungsdebatten und die dringende Notwendigkeit eines Neuanfangs prägen die Zukunft des Traditionsvereins.
Im Sommer wird der sportliche Bereich des Ballspielvereins Borussia neu aufgestellt, da der Vorsitzende der Geschäftsführung, Hans-Joachim Watzke, seinen Platz für die Geschäftsführung im Sport räumen wird, bevor er 2025 gänzlich abtreten will. Das Ende einer Ära, einer sportlich über dem Maße erfolgreichen Zeit. Doch wie will sich der BVB künftig aufstellen, wer soll welche Funktion übernehmen und wer kümmert sich eigentlich darum? Man hört wenig, was nicht zwingend ein schlechtes, in der aktuellen Phase aber auch nicht wirklich ein gutes Zeichen ist. Es gibt unzählige Baustellen, die im Besonderen davon abhängen wer künftig die sportlichen Geschicke des BVB leiten soll.
Der Posten eines Geschäftsführers Sport ist neu zu schaffen, auch um dem stetig wachsenden Unternehmen Borussia Dortmund auf Ebene der Geschäftsleitung besser begegnen und idealerweise einen Experten für die sportliche Entwicklung installieren zu können. Welche sportliche Strategie will Borussia einschlagen, wie wollen wir unseren Kader strukturieren und wie können wir den sich verändernden Bedingungen bestmöglich begegnen? Zu den großen Linien passend braucht es einen Sportdirektor, der vor allem den Kader des BVB managt und gestaltet. Ein zur Spielweise und den Stärken des Kaders passenden Trainer braucht es auch, damit der BVB die jüngste Erfolgsgeschichte fortführen kann.
Zu Jahresbeginn kündigte Aki seinen Rückzug an. Bis dato fehlt es an einer Entscheidung wer auf ihn folgen wird, obwohl die Zeit langsam knapp wird, damit die weitere Planung – insbesondere des Kaders – nicht erst im August beginnen kann. Als Nachfolger bringt sich ausgerechnet der Sportdirektor, Sebastian Kehl, selbst ins Spiel. Er sucht die Öffentlichkeit um eine Beförderung als logisch und sinnvoll darzustellen. Die einzige Frage ist dabei jedoch, ob dem denn wirklich so wäre.
Zukünftige Strategie und Führungsaufgaben beim BVB
In den letzten Jahren gab es im Kader einen Aderlass an Qualität, einige der individuell stärksten Spieler haben uns verlassen und es gibt aktuell wenige Potenziale für hohe Transfererlöse. Der Kader weist abseits der Torhüter-Position in nahezu jedem Bereich Probleme auf, die aus einer mindestens blauäugigen Planung resultieren. Es gibt keinen wirklichen zweiten Anzug für die Innenverteidigung. Wahlweise muss ein Emre Can aushelfen, Papadoulos kommt bisher auf einen Einsatz (26 Minuten). Hinter Hummels, der den BVB vermutlich im Sommer verlassen dürfte, hat man es versäumt, einen jungen Spieler langsam heranzuführen. So muss man sich Undiszipliniertheiten von als Führungsspielern eingeplanten Charakteren gefallen lassen.
Bei den Außenverteidigern hatte man einen Plan, den man aber beim ersten Gegenwind direkt über Bord geworfen hat. Ramy Bensebaini kann einem dahingehend fast leidtun. Nachdem er als einziger LV im Sommer kam, hat man ihn schnell auf das Abstellgleis verfrachtet. Im Winter hat man dann nachgebessert und einen Spieler ausgeliehen, der in zwei Monaten seine Zelte in Dortmund abbrechen wird. Alles andere wäre Harakiri, wenn man die bisherigen Leistungen von Maatsen heranzieht und ein vermeintliches Potential nicht als Kaufargument für eine Ablöse von knapp 30 Millionen Euro heran führt. Auf der Position des RV hat man mit Ryerson einen Spieler auf (gutem) Bundesliga-Niveau. Marius Wolf wird den Verein am Saisonende verlassen, Morey dürfte aufgrund seiner Verletzungen froh sein, dass er überhaupt noch Fußball spielen kann. Somit hat man im Sommer lediglich vier Spieler für die erste Elf, es mangelt an Alternativen denen man bereits das Vertrauen geschenkt hat.
Auf der Sechs hat man sich im Sommer gegen Alvarez und für eine Vertragsverlängerung von Emre Can entschieden. Can zeigt, mal wieder, eine recht überschaubare Saison. Das Backup, Salih Özcan ist solide, aber eben auch nicht mehr als das. Ein Rollenspieler, den der BVB zwar braucht, der die Mannschaft aber nicht zwingend für die europäischen Ziele besser macht.
Die Personalie Can ist die wohl kontrovers diskutierteste der letzten Monate. Die Fan-Lager Kehl positionieren sich gegen das Lager von Terzic, was per se aufzeigt, in welcher schlechten Situation wir aktuell stecken. Die lautesten Spatzen pfiffen von den Dächern, dass Kehl sich für Alvarez aussprach, aber am Ende auf Terzic gehört wurde. Auch das zeigt, dass man im Sommer mit keinem von beiden weiter machen sollte! Terzic hat offensichtlich kein Händchen für kluge und zum Spielsystem passende Transfers (Modeste). Sebastian Kehl ist entweder durchsetzungsschwach, oder Aki Watzke vertraut ihm bei der Kaderplanung nicht. Wenn man ihm aber nicht mal bei der Frage nach einem Transfer freie Hand lassen will, wie kann man dann auf die Idee kommen ihm die sportliche Leitung des BVB anzuvertrauen? Ein nicht aufzulösender Widerspruch, der aufzeigt, dass man sich in eine zumindest unglückliche Lage manövriert hat.
Aber auch der übrige Kader strotzt nicht vor Feel-Good-Stories. Im Zentrum stehen sich der wieder erstarkte Reus und sein seit Jahren im Kader befindliche Nachfolger Jule Brandt mal wieder auf den Füßen. Auch wenn Brandt trotzdem auf seine Spielzeit kommt, wird er nicht wirklich optimal eingesetzt. Da auf den Außenbahnen aber lediglich Donny Malen überzeugen kann und die übrigen Spieler entweder länger verletzt oder nicht wahnsinnig formstark sind, gibt es auch auf den offensiven Außenbahnen mehr Probleme als Lösungen und Brandt half des Öfteren dort aus. Im Sommer läuft auch der Vertrag von Marco Reus aus. Er hat sich zumindest nicht für eine weitere Saison aufgedrängt, aber kann es sich Borussia leisten auch diese Lücke nachzubesetzen, um hinter Brandt eine echte Alternative zu haben?
Herausforderungen in der Kaderplanung und Personalpolitik
Gio Reyna soll es vermutlich nicht werden. Kurz vor Schluss wurde ein Leihgeschäft vereinbart, was bisher als einzige Unverschämtheit beschrieben werden kann. Man gibt eine – wenngleich nicht unbedingt formstarke – Alternative auf, damit Gio auf der Tribüne die Stadien der Premier League kennenlernt. Was hat sich Sebastian Kehl von diesem Move versprochen? Kommt Gio Reyna nun ausgeruht, aber nicht mit der Überzeugung, bei uns noch etwas erreichen zu können, im Sommer zurück und soll weiterhin auf der Bank Platz nehmen?
Jadon Sancho, dem gegen Bremen nun das erste Tor gelang, hat bisher lediglich kurz aufblitzen lassen, was für ein toller Spieler er mal war. Abgesehen von dem Tor gegen Werder – vielen Dank an dieser Stelle noch an Zetterer – hat er seinen Platz nicht wirklich verdient. Auch Sancho wird im Sommer weg sein. Was dann? Was soll sich ein BynoeGittens denken?
Im Sturm wusste man trotz der – unter Einbeziehung der schweren Erkrankung – guten Rückrunde von Haller, dass man mindestens eine starke Alternative auf der Neun braucht. Deshalb verlängerte man bereits letztes Jahr den Vertrag von Moukoko, obwohl man wusste, dass er unter Terzic nun nicht wirklich berücksichtigt wird. Stattdessen kauft man kurz vor Ende der Transferperiode einen dreißigjährigen Stürmer, der zwar inzwischen bis zur Nationalmannschaft reifte, aber in Summe lediglich 55 Tore in 151 Spielen erzielte. Trotz Afrika Cup und entsprechender Abwesenheit von Haller, die sich durch die Verletzung und Formschwäche wie ein roter Faden durch die Saison zieht, ist es insgesamt schwer verständlich, dass man einen Spieler wie Moukoko im Kader hat ohne ihn einsetzen zu wollen. Weniger als 500 Spielminuten in dieser Saison sprechen eine klare Sprache.
Selbst die zweite Mannschaft verkommt zum Ärgernis. Statt sich auf das Heranführen von Alternativen für den Profikader zu konzentrieren, hat sich das Drittliga-Team verselbstständigt und von der ersten Mannschaft abgekoppelt. Ohne Sinn und Verstand, da man sportlich keine Erfolge erzielen kann. Ein Spieler wie Bamba, der es zumindest auf zwei Einwechslungen unter Terzic bringt, spielt keine 500 Minuten für die zweite Mannschaft, wird dort maximal als Wechseloption betrachtet. Es wirkt, als ob auf vielen Ebenen gegeneinander gearbeitet wird, statt Hand in Hand einem klaren Ziel und Auftrag zu folgen.
Die Einbußen an Qualität und die geringe Anzahl an hochwertigen Einzelkönnern hätte sich zwischenzeitlich auch im Etat niederschlagen sollen. Schließlich hatte man den Fehler der letzten Zorc Jahre, Spieler vor allem mit hohen Grundgehältern zum Ballspielverein zu lotsen, nicht nur teuer erkannt sondern als eben jene Fehlentwicklung identifiziert. Trotzdem steigt der Etat für die erste Mannschaft seit Jahren kontinuierlich, in der abgelaufenen Saison auf insgesamt 185 Millionen Euro.
Kontroversen und Diskussionen um die sportliche Leitung
Auch wenn die letzte Dekade sehr erfolgreich und das System Champions League schon einige teure Fehler der jüngsten Vergangenheit zumindest monetär ausgebessert hat, ist dieser stetig wachsende Etat eine Zumutung. Unabhängig von der sportlichen Leistung hätte es hier weiterer Maßnahmen bedurft, die aber durch weiterhin zu hohe Grundgehälter, Handgelder oder teilweise abstruse Investitionen in Beraterhonorare und Ablösesummen konterkariert wurden. Ein Festgeldkonto haben wir nicht, sodass auch notwendige Investitionen in den Kader nicht derart ausfallen können, wie es monetär gesehen sein müsste. On top kommt eine ziemlich ideenlose Kaderplanung. Der Ballspielverein Deutschland, von dem aktuell nur einer von elf deutschen Nationalspielern für eben diese Truppe nominiert wird, kann als gescheiterte Idee ad acta gelegt werden. Transfers mit Mut sucht man weitläufig vergebens. Normalerweise sollte all das schon reichen, damit man eher über die (sofortige) Ablösung des Sportdirektors spricht.
Stattdessen bringt Kehl sich selbst in Position, wenngleich es auch neben dem Platz durchaus fragwürdige Entwicklungen gibt. Auf die Demission des Kehl-Manns Stanic folgte die Verpflichtung eines Unternehmensberaters. Unsere sportliche Leitung hat sich eine rechte Hand ausgesucht, die abseits eines dreimonatigen Praktikums keinerlei Expertise im Profifußball hat. Unabhängig davon, dass die Frage erlaubt sein muss, wozu ein Sportdirektor eine Assistenz benötigt, ist es auf Anhieb schwer nachzuvollziehen, warum es keine sportliche Expertise braucht, um Kehl zu unterstützen. Falls es nur um Terminmanagement, Kaffee kochen und positive Energie (if you can dream it you can do it) Blabla gehen sollte, ist eine Assistenz auf diesem Level womöglich überbezahlt. Aber auch sonst gibt es komische Zufälle. Bei jeder sportlichen Krise, jeder (unerwarteten) Niederlage ist die Presse bestens informiert: Der Kader wurde sehr gut zusammengestellt, Terzic macht aber natürlich alles kaputt. Diese Zufälle wirken bewusst gesteuert. Vor allem im Zusammenhang damit, dass Kehl sich – wie einst bei der Nachfolge von Zorc – selbst ins Spiel bringt und an einem öffentlichen Narrativ arbeitet. Es ist schwer verständlich, dass sich ein Club wie Borussia Dortmund so etwas gefallen lässt. Eine Entscheidung pro Kehl muss zudem zwangsläufig eine Entscheidung gegen Edin Terzic sein. Beide können offensichtlich nicht miteinander.
Aber auch unabhängig von der Personalie Kehl ist Edin Terzic mehr als angezählt. Trotz seiner unbestreitbaren Erfolge als Trainer hat er in dieser Saison viel Kredit verspielt. In der Rückrunde des Vorjahres war der BVB zumindest stabil, ließ sich von der Wettbewerbssituation tragen und hätte den Titel aus der Schwäche der Bayern heraus zwingend erringen müssen. Wirklich gut und überzeugend war man sportlich jedoch nicht. Auch in dieser Saison drängt sich kein Spieler auf, bei dem man das Gefühl hat er sei unter Terzic besser geworden, geschweigedenn am Leistungslimit. Terzic zeigt durch seine Wechsel ganz klar, dass sein Handeln durch die Angst vor der Niederlage bestimmt wird. Da braucht es keinen Vergleich zu anderen Trainern, aber der Spruch eines früheren BorussenTrainers erscheint mir dann doch grundsätzlich und unabhängig vom Personal als allgemeingültig:
„Die Lust zu gewinnen, muss größer sein als die Angst zu verlieren.“
Trotz des dürftigen Kaders spricht es nicht für Borussia Dortmund, wenn die Flügelspieler durch Defensivspieler ersetzt werden, die sodann einfach das Zentrum voll stellen. Gezielte und gute Offensivbemühungen sind dann nahezu unmöglich, ohne dass es der defensiven Stabilität helfen würde. Das Gegentor gegen Bremen sei exemplarisch dafür genannt, auch wenn die Unterzahl hier einen Teil der Erklärung liefert. Es gab in dieser Saison jedoch schon zu oft und zu viele Aussetzer, sei es gegen Heidenheim, Hoffenheim, Wolfsburg, Stuttgart oder Mainz. Das Restprogramm in der Liga ist knackig, allein der Glaube an einen erfolgreichen Saisonabschluss und das Erreichen der für die Finanzen so wichtigen Champions-League Qualifikation schwindet von Auftritt zu Auftritt. Terzic ist offenkundig angezählt, trifft zahlreiche falsche Entscheidungen und lässt seine Qualitäten, die er unbestritten hat, nicht mehr aufblitzen.
Die Notwendigkeit eines Neuanfangs und die Suche nach neuen Führungskräften
Watzke, Kehl und Terzic sind verdiente Borussen, die alle einen wichtigen Platz in der Geschichte des BVB haben. Das allein kann aber nicht der Grund sein, warum sie weitermachen dürfen! Es braucht einen Neuanfang, das Personal, das gestalten und nicht nur verwalten möchte. Auch wenn der Wechsel der drei Führungskräfte des gesamten sportlichen Bereichs nicht frei von Risiko ist, ist es aus meiner Sicht alternativlos, einen kompletten Neuanfang zu starten. Selbst eine Qualifikation für die Champions League würde nicht über die offensichtlichen Probleme des BVB hinweg täuschen. Es ist Zeit zu handeln, ein bestelltes Feld zu übergeben!
Ohne die Entscheidung über den Sportvorstand macht es keinen Sinn, die Personalien auf der Position des Sportdirektors und des Trainers festzulegen. Auf allen Ebenen sollte es in erster Linie um Erfahrung und positive Erfolge gehen. Hier gäbe es sicherlich genügend Alternativen, wobei ich an dieser Stelle nur einen Namen in den Ring werfen möchte:
Matthias Sammer wäre für mich der ideale Sportvorstand, unter Einbeziehung aller von Außen offensichtlichen Faktoren. Er würde seine zweifelsfrei große Expertise nicht nur als Berater des Geschäftsführers einbringen, sondern Verantwortung übernehmen müssen. Er wäre eine Neubesetzung mit Stallgeruch und Erfahrung, aber eben auch mit Kenntnis der Fehler der jüngsten Vergangenheit. Auch wenn man ihn als Teil der aktuellen Führungsriege verstehen könnte, wäre es aus meiner Sicht zumindest ein Kandidat, der keinen vollständigen Bruch mit allem bedeuten würde. Allerdings möchte ich betonen, dass ich dabei unterstelle, dass Matthias Sammer die offensichtlichen sportlichen Defizite ebenso klar sieht, aber eben nicht durchdringt, da Aki Watzke sich nun eher auf das Verwalten des Status Quo denn auf das Gestalten konzentriert und keine Risiken eingeht.
Letztlich ist es die Aufgabe des e.V. den Club personell gut gerüstet in die Zukunft zu bringen. Das sollte schnellstmöglich entschieden werden, da die Saison in etwas mehr als zwei Monaten zu Ende ist. Gerne kann der Verein auch auf die Eindrücke von Aki zählen, dessen Verdienste zwangsläufig dazu führen, dass man idealerweise gemeinsam eine Lösung für die drei Posten findet. Es darf aber nicht dazu verkommen, dass sich Watzke nun selbst die Karten legt und die sportliche Situation erst noch abgewartet werden soll.
Das Ende einer Ära, einer der besten der Vereinsgeschichte, wirft seine deutlichen Schatten. Es ist an der Zeit, Neues zu wagen, statt alte Zöpfe verfilzen zu lassen.
Geschrieben von stfn84
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