BVB vs. FC Augsburg Zusammen den Bach runter
Diese Woche ist viel passiert in Fußballdeutschland. Der größte Schlag ins Gesicht: Die Zustimmung (zu) vieler Vereine für den Investoreneinstieg. Fußballdortmund spielt morgen in Augsburg und wird, wie viele andere auch, gemeinsam dafür kämpfen, dass "created by the poor, stolen by the rich" nicht noch größere Einschnitte in unser aller größte Liebe vornimmt. Und nebenbei gilt es auf dem Rasen, den Abstand zur Tabellenspitze nicht noch mehr auszubauen.
„Dies ist der letzte Aufruf für den Lufthansaflug LH…“ schallt es aus den Lautsprechern am Kölner Flughafen. Ich beeile mich, mal wieder habe ich zu lange rumgetrödelt. Ein kleines Stückchen meines BVB Schals verhakt sich im Reißverschluss meines Koffers, ein Mann in Effzeh- Weihnachtspulli zwinkert mir zu. Doch nicht nur für mich ist es der letzte Aufruf, auch für unsere Mannschaft ist es das, sofern ihnen etwas an ihrem Trainer liegt. Vielleicht ist es ein bisschen weit her geholt und zu viel Panikmache einen Tag vor Einmarsch in die Augsburger Puppenkiste. Und doch fürchte ich mich schon länger vor Bundesliga-Spielen unserer Mannschaft und schwelge dabei in Erinnerungen:
Es war schließlich einer von uns, der am 13. Mai 2021 den goldglänzenden Pokal für Borussia in den Berliner Nachthimmel hebt. Fast wie ein gewisser Meistertrainer aus der Saison 2011/2012. Aber nur fast. Und dennoch schlägt mir mein kleines schwarzgelbes Romantikerherz bis zum Hals. Und gleichzeitig schnürt es mir den Hals zu. Zu schnelllebig ist das Geschäft geworden – wer nicht liefert, fliegt. Doch wo kommen wir da eigentlich hin? Wie furchtbar ist es, dass jeder ersetzbar ist, wenn er nicht mehr liefert? In welche perfekte, geldgeilheitsgetriebene Welt kommen wir hin? Ja, vielleicht sollte ich mit dieser Einstellung besser Fan der Sportfreunde Lotte werden oder vielleicht auch einfach von Kölle. Da gibt's keine Trainerdiskussion, egal, wie beschissen es gerade läuft. Weil das Menschliche mehr wert ist, als alles andere.
Ich will keinen Trainer, der in der Champions League reglos auf seinem Platz festgewachsen ist, der mit verschränkten Armen in Anzug und frisch polierten Schuhen auf der Bank sitzt und bei Sensationsergebnissen zwei Mal in die Hände klatscht.
Ich will keinen, der vorm Spiel frisch rasiert ist und bei dem die Haare perfekt an Ort und Stelle liegen. Ich will keinen, der höflich und geduldig jede noch so bescheuerte Journalistenfrage beantwortet, sondern mit Tränen in den Augen von der Stimmung schwärmt. Ich will keinen, der seinen Spielern nach einem grandiosen Sieg lächelnd auf die Schultern klopft, sondern einen, der 3 Sekunden vor Abpfiff auf den Rasen rennt, kreuz und quer vor den Tribünen in die Luft springt und schreiend auf der Stelle hüpft.
Ich will einen Trainer, der mit dem Fahrrad zum Trainingsgelände fährt und beim Interview mit leuchtenden Augen seine Familie grüßt. Einen, der seinen Traum lebt und sich nichts anderes als Borussia Dortmund vorstellen kann. Ich will einen, der vor Eifer und Wille brennt, dem die Liebe für unseren Verein aus den Augen quillt. Einen, der sagt, was er denkt.
Und noch viel mehr will ich eine Mannschaft, die sagt, was sie denkt. Die Biss zeigt, Leidenschaft. Die auf diese 11 Punkte Rückstand auf Platz 1 scheißt und nichts anderes mehr im Sinn hat, als diesen Abstand zu verkleinern. Und wenn sich Süle dabei einen Muskelfaserriss zuzieht. Momente wie diese sind, was wir sehen wollen. Aber vor allem wünsche ich mir, dass man gemeinsam an einem Strang zieht. Ohne Trainer oder einzelnen Spielern den schwarzen Peter zuzuschieben. Man gewinnt und verliert zusammen, jeder hat seinen Senf dazu beizutragen. Also Ich-AG’s: Spielt nicht gegen, sondern für den Trainer! Für Dortmund, für uns und sonst garnichts.
Apropos: Ich will nicht nur einen Trainer und eine Mannschaft, die gemeinsam für das große Ganze einsteht. Sondern morgen auch einen Gästeblock, der sagt, was er denkt. Oder eben auch nicht sagt. Die ersten 12 Minuten wird der 12. Mann beider Vereine schweigen. Es bereitet mir schon jetzt Gänsehaut, weil ich es großartig finde, wie alle – mögen sie sich noch so sehr hassen – in gemeinsamer Sache mal wieder an einem Strang ziehen. Fußballdeutschland schafft sich ab, wir sind mittendrin im Albtraum. Lasst uns gemeinsam für unseren Sport kämpfen, bevor am Ende „created by the poor, stolen by the rich“ entgültig Wirklichkeit wird. Und wer meine Wort jetzt kopfschüttelnd als Schwachsinn betitelt, der möge sich zu den anderen 300 Leuten ins Leipziger Stadion stellen, der möge seine Koffer für das Spiel gegen Wolfsburg in Istanbul packen, der möge sich mal wieder wochentags für ein Ligaspiel frei nehmen, der möge dem Verein seine halbe Lebensgeschichte mitteilen, wenn er ein Ticket fürs Spiel kaufen möchte und der möge seine Frisur in einer der vielen Überwachungskameras im Stadion richten. Denkt zur Abwechslung mal nach, auch wenn dank Kind das Kind nun in den Brunnen gefallen ist.
Bis morgen!