Der BVB bleibt erfolgreich Der Ritt auf der Welle
Auch gegen Leipzig will die Erfolgswelle der Borussia nicht enden. Nach dem zehnten Sieg in Folge stellt sich die Frage: Was ist nur aus unserem BVB geworden? Der Versuch einer Einordnung.
Jahrelang konnte man die Uhr danach stellen: Wurde man auch nur einen Hauch zu euphorisch, tat der BVB sein Möglichstes, um den geneigten Fan möglichst hart auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Auch die zwischenzeitlich gefeierten Erfolge stellten sich meist doch eher als Ausreißer heraus, als Phasen, in denen die Probleme besser kaschiert wurden, als in Anderen. Wir haben hier oft lang und breit darüber sinniert: fehlende Stringenz bei der Trainerauswahl, ein scheinbar willkürlich zusammengestellter Kader, Spieler, die sich gar zu offensichtlich auf ihrem Talent oder ihrem Status ausruhten, im Wissen, beim BVB die absolute Wohlfühloase gefunden zu haben. Und, und, und…
Vor wenigen Monaten schien man nach wie vor an gleicher Stelle zu stehen. Denn – die verkürzte Hinrunde war nun wirklich nicht immer schön. Dennoch: Als die Zweifel an Terzic aufkamen, die Ersten begannen, sich mit verklärtem Blick nach Marco Rose oder gar nach dem-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf zurückzusehnen, schien man in der Chefetage doch nach wie vor von ihm überzeugt.
Und nun? Zehn Siege in Folge. Nur einmal geriet man 2023 überhaupt in Rückstand. Der besorgniserregende Abstand nach oben hat sich in Nichts aufgelöst. Die Frage stellt sich inzwischen unweigerlich: Ist sie das? Die Wende? Hat man es endlich geschafft auszubrechen aus dem Trott, nicht mehr gefangen in der eigenen Lethargie, im Wissen, das scheinbar maximale Potential erreicht zu haben?
Wer weiß. Manches spricht ohne Zweifel dafür, da genügt schon ein Blick auf die Mannschaft. Wann sah man schon zuletzt eine so bissige, brennende Truppe im schwarzgelben Trikot? Sicher, die Jungs spielen nicht immer die Sterne vom Himmel, aber sie laufen, sie kämpfen und sie reißen sich den Arsch auf. Zurzeit macht es einfach Spaß, BVB-Fan zu sein und unsere Mannschaft zu begleiten. Ein Emre Can, der nach seinem grandiosen Start allen Erwartungen deutlich hinterherlief, mutiert plötzlich zum Verteidigungsmonster und staubsaugert an der Seite des ohnehin über jeden Zweifel erhabenen Bellinghams rigoros jede Offensivbemühung des Gegners weg. Oder Julian Brandt, in der Vergangenheit oft ob seines Schönwetterfußballs verspottet, zeigt inzwischen so viel Einsatz, dass selbst ich (!) fast schon verliebt in seine Spielweise bin. Marius Wolf erkämpfe sich nach Leihen und Rotationsspielerdasein seinen Stammplatz und liefert in allen Wettbewerben derart souveräne Leistungen, dass man sich unwillkürlich fragt, warum auf der Rechtsverteidigerpostition in der jüngsten Vergangenheit eigentlich solche Probleme hatten. Man könnte hier noch eine ganze Reihe weiterer Spieler aufzählen.
Woran das liegt, können gerne diejenigen mit mehr Ahnung aufdröseln. Sicher trägt die aktuelle Personalsituation einen großen Teil dazu bei. Nicht nur ermöglicht es Edin Terzic eine ganze Reihe mehr Variationen und Reaktionsmöglichkeiten, der dadurch automatisch entstehende Konkurrenzkampf dürfte sich äußerst positiv auf die Leistungsbereitschaft der Spieler auswirken. Auch die fortschreitende Umstrukturierung des Kaders, der neu definierte Leistungsgedanke scheint allmählich Früchte zu tragen. Wie auch immer: Irgendwie haben es Terzic und sein Team geschafft, aus dem altbekannten Sauhaufen eine richtige Mannschaft zu formen, eine Mannschaft mit dem Willen, den eigenen Erfolg der Teamleistung unterzuordnen. Exemplarisch hierfür vielleicht Mats Hummels, der gegen RB eine Rettungstat von Nico Schlotterbeck abfeiert, anstatt sich darüber zu grämen, nicht an seiner Stelle in der Startelf zu stehen. Dieser Spirit ist so unfassbar wichtig für ein erfolgreiches Team.
Und nicht zuletzt haben wir aktuell einfach – ob hart erarbeitet oder nicht – einen riesigen Arsch voll Glück. Es ist eben der bekannte Lauf, der das Selbstbewusstsein riesengroß werden und irgendwie alles gelingen lässt
Wer weiß. Vielleicht sieht die Welt in zwei Wochen schon wieder ganz anders aus. Vielleicht stellen wir auch am Ende dieser Saison fest, dass der vermeintlich große Brand doch wieder nur ein mickriges Strohfeuer war. Denn immer noch wartet ein Teil von mir auf den Einbruch, immer noch zuckt man leise zusammen, wenn Can ungestüm auf einen Gegner zubüffelt oder Brandt einen Ball vertändelt. Und mit der Euphorie wächst auch die Angst mit jedem Sieg ein wenig, denn jeder weiß – je größer das Hoch, desto härter der Fall.
Aber die aktuelle Phase zeigt auch: Der BVB kann's noch. Kann immer noch diese Euphorie und Leidenschaft entfachen. Das positive Kribbeln im Bauch. Und deshalb gilt es, alles auszukosten und auf dieser Welle zu reiten, solange es nur geht. Wer weiß schon, wo sie uns hinführen wird. Denn wenn wir uns mal selbst nicht aufhalten, wer soll es dann schon schaffen?