Slaven Stanic bei Borussia Dortmund entlassen Dortmunder Führungsschwäche
Borussia Dortmund entlässt den Koordinator Sport Slaven Stanic. Eigentlich eine eher nachrangige Personalie, aber in vieler Hinsicht bezeichnend. Es lohnt sich, hier einmal genauer nachzuschauen.
Am 05.12.2023 gegen Mittag gab der BVB die Entlassung des Koordinator Sport, Slaven Stanic, bekannt. Eine Personalentscheidung, die eigentlich keine große Aufmerksamkeit verdient hätte, war Stanic doch als eine Art Assistent von Sebastian Kehl und auf dessen Wunsch hin verpflichtet worden. Und ist er bislang nach außen so wenig in Erscheinung getreten, dass außerhalb der sportlichen Leitung vermutlich niemand wirklich sagen kann, was eigentlich sein Aufgabengebiet gewesen ist. Zudem war die Freisetzung vor allem eins: verdient. So soll sich Stanic unter anderem beim Champions League-Heimspiel gegen den AC Mailand in der VIP-Loge abfällig über den Trainer Edin Terzic geäußert haben. Nicht einfach nur kritisch, was sogar nachvollziehbar wäre, sondern abfällig. So ist dieses Ablästern über Arbeitskollegen vor Dritten per se schon unkollegial und illoyal dem Arbeitgeber gegenüber, als Mitglied der zumindest erweiterten sportlichen Führung erst recht ein absolutes No-Go.
Stanic war kein
„Bauernopfer“, wie es in der Presse mittlerweile angedeutet wird,
sein Rausschmiss folgerichtig und zwangsläufig. Nun könnte man hier
einen Schlussstrich unter diese Angelegenheit ziehen, wenn sie nicht
so beispielhaft ein katastrophales Bild von Führungsschwäche
zeichnen würde. Nehmen wir den Vorgang mal ein bisschen auseinander:
Vorfall liegt bereits zwei Monate zurück
Das besagte Heimspiel gegen Mailand fand am 04.10. statt, Stanic wurde am 05.12. entlassen. Es lagen also satte zwei Monate zwischen dem Vorfall und der Entscheidung. In Gelsenkirchen stellt man in so einem Zeitraum drei Trainer ein und entlässt sie wieder. Die Darstellung von Hans-Joachim Watzke in den Ruhr Nachrichten, dass er sich dazu nicht äußern wolle, weil er „zu wenig Berührungspunkte“ mit Stanic habe, ist da nur wenig überzeugend. Wenn ein höherrangiger BVB-Angestellter in einer Sponsorenloge so offenkundig über den Trainer herzieht, dass es auch beim Springer-Konzern ankommt, wird es auch schon längst an Watzkes Ohren gedrungen sein. Und dann muss es Chefsache werden.
Was für einen
Eindruck vermittelt man, wenn nicht unverzüglich Konsequenzen
gezogen werden? Da kann man noch so oft auf Pressekonferenzen
erklären, dass man an Edin Terzic festhalten will, wenn seine
Kollegen ungestraft über ihn herziehen dürfen, gibt man ihn der
Lächerlichkeit preis. Wenn offenbar auch Sportdirektor Kehl keine
Anstalten machte, seinem Adlatus den Stuhl vor die Tür zu setzen,
zeichnet auch das ein anderes Bild über das Binnenverhältnis, als
man es nach außen hin verkaufen möchte.
Die wahrscheinlichste Schlussfolgerung ist also, dass Kehl gerne mit Stanic weiterarbeiten wollte und Herr Watzke, um einen Konflikt zu vermeiden, hier auf die notwendige Personalentscheidung so lange verzichtet hat, bis der Deckel endgültig nicht mehr auf dieses Thema zu bringen war. Ein Vorgang, der entfernt an den Umgang mit Thomas Tuchel und der fehlgeleiteten SMS an den damaligen Sportdirektor Michael Zorc erinnert. Schon damals wurde beschwichtigt, wo eine klare Kante angebracht gewesen wäre, bis eine für alle Seiten gesichtswahrende Trennung nicht mehr möglich war.
Terzic wortlos auf der Pressekonferenz
Damit aber noch lange nicht genug: Noch vor der Bekanntgabe der Entlassung gab es eine Pressekonferenz zum Pokalspiel gegen den VfB Stuttgart. Sicherlich nicht der richtige Ort und die richtigen Personen, um dieses Thema zur Sprache zu bringen – aber es darf beim BVB auch niemanden überrascht haben. Gerüchte über die Entlassung brodelten seit dem Vorabend. Zudem haben die Vereine hart daran mitgearbeitet, dass solche Pressekonferenzen nahezu die einzigen verbliebenen Möglichkeiten sind, ein Thema spontan anzusprechen und dazu Aussagen zu erhalten, die von den Pressestellen nicht so lange totauthorisiert wurden, bis sie belangloser als ein Einkaufszettel sind. So stand nun also ganz zu Anfang der örtliche Gesandte aus der Elfriede-Springer-Jauchegrube auf, sprach Edin Terzic direkt an und wollte von ihm weitere Informationen haben. Grundsätzlich ist es ja immer begrüßenswert, wenn diese Schmierfinken sauber weggegrätscht werden, in diesem Fall war es allerdings ziemlich verstörend, dass Terzic erst gar nicht zu einer Antwort ansetzen konnte und direkt von Pressesprecher mit den Worten, dass man dazu nichts sagen würde, weggebügelt wurde. Wo wäre das Problem gewesen, sich im Vorfeld auf eine nichtssagende Floskel zu einigen, die derjenige antwortet, an den auch die Frage gestellt wurde? So stellte man Terzic wie einen Schuljungen dar, dem man nicht zutraut, auf eine heikle Frage eine diplomatische Antwort zu geben.
Eine entlarvende Abschiedsnachricht
Zum finalen Akt geriet dann die Mitteilung der Stanic-Entlassung auf der Vereinshomepage. Normalerweise erkennt man an diesen Texten sehr gut, ob man sich im Guten, oder im Schlechten getrennt hat. Im ersteren Fall bedankt man sich für die gemeinsame Zeit und schickt ein paar warme Worte für die weitere Zukunft hinterher. Geht man nicht so gut auseinander, sind die wenigen Sätze frostiger als ein plötzlicher Wintereinbruch. Wenn man an das Verhalten von Stanic denkt, sollte man meinen, dass man bei ihm eher die Variante deutlich unter Zimmertemperatur wählen würde. Stattdessen durfte ihm erst sein direkter Vorgesetzter Sebastian Kehl ein überaus freundliches
„Slaven
Stanic ist mit einem großen Fußballnetzwerk und viel Erfahrung auf
unterschiedlichen Gebieten des Profisports im Sommer zu uns
gewechselt. Intensive Gespräche in den vergangenen Tagen haben
jedoch dazu geführt, dass wir einvernehmlich entschieden haben,
fortan getrennte Wege zu gehen. Wir gehen im Guten auseinander,
wünschen Slaven für seine private und berufliche Zukunft nur das
Beste“
mit auf den Weg
geben, dann kam der Entlassene selbst noch einmal zu Wort und äußerte
unter anderem;
„Integrität,
Respekt und Vertrauen sind für mich ein hohes Gut.“
Dieser
Satz ist grotesk, schließlich wurde er entlassen, weil er sich eben
weder integer, noch respektvoll verhalten hat. Mehr noch: es lässt
den Umkehrschluss vermuten, dass andere diese Werte nicht vertreten
hätten. Als Kirsche auf der Sahne wird Edin Terzic nicht namentlich
genannt, sondern unter „Trainerteam“ subsummiert. Wer die
Medienarbeit bei Borussia Dortmund kennt, wird eher nicht annehmen,
dass diese Statements ungefiltert und unkontrolliert den Weg in die
Öffentlichkeit gefunden haben.
Was läuft da gerade eigentlich intern ab, wenn man die Person, die sich respektlos gegenüber einer anderen Person verhält, wie einen weißen Ritter vom Hof reiten lässt und welche Werte will man so vermitteln? Der Eindruck, der über die Personalführung am Rheinlanddamm entsteht, ist katastrophal und die Verantwortung dafür ist ganz oben anzusiedeln. Vielleicht ist das auch die zwangsläufige Folge der kultivierten Politik des „Stallgeruchs“. Man umgibt sich verständlicherweise mit Menschen, mit denen man auf einer Wellenlänge liegt und die man mag. Mit der Folge, dass man irgendwann Konflikte scheut und halbseidene Kompromisse sucht, wo es eindeutige Entscheidungen braucht, um niemandem auf die Füße zu treten.
Borussia
Dortmund braucht jedoch endlich wieder Führungsstärke. Eine
Führungsstärke, die sich nicht dadurch äußert, dass man in
irgendwelchen Verbands-Tasks-Forces bei Personalentscheidungen
herumrührt, sondern nach innen einen klaren Kurs vertritt. Eine
starke Führung, die Unternehmenswerte vorgibt und vorlebt, auch wenn
es mal weh tut. Unabhängig von Namen und Funktionen.
Dann
vermeidet man für die Zukunft hoffentlich so ein Desaster, aus dem
niemand unbeschädigt herauskommt.