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BVB-Interesse an Felix Nmecha Erfolg vor Prinzipien?

15.06.2023, 19:42 Uhr von:  Malte S.
Wolfsburgs Felix Nmecha im Zweikampf mit Dortmunds Sébastien Haller im Mai 2023 im Westfalenstadion
So mancher beim BVB könnte sich Felix Nmecha in Schwarz-Gelb vorstellen

Der BVB hat angeblich Interesse an einer Verpflichtung von Felix Nmecha. Mehrere Medien haben dies zuletzt unabhängig voneinander berichtet. Die Sorge vieler Fans ist berechtigt – denn der Nationalspieler passt einfach nicht zu den Werten unseres Vereins.

Nmecha teilte vor Kurzem queer- und transfeindliche Inhalte bei Instagram. Im Februar postete er das Video eines amerikanischen Rechtsextremisten, der sich über den Vater eines trans Kindes lustig machte, und kommentierte das Ganze abfällig. Zu Beginn des Pride Months dann rückte er, der sich regelmäßig zu seinem christlichen Glauben bekennt, LGBTIQ* symbolisch in die Nähe des Teufels. Beide Male relativierte er seine Postings höchstens halbherzig. Entschuldigungen bei den Betroffenen? Fehlanzeige.

Eigentlich mag man kaum glauben, dass ausgerechnet Borussia Dortmund sich um den Wolfsburger bemüht. Dass es sich bei dessen Aussagen um Ausrutscher handelte, ist nahezu ausgeschlossen. Der BVB hingegen engagiert sich seit Jahren auf verschiedenen Eben gegen Diskriminierung. Hunderte Fans hat er bereits mit Gedenkstättenfahrten und Aktionstagen zu unterschiedlichen Diskriminierungsformen erreicht. Mit seiner Reichweite schafft er immer wieder Aufmerksamkeit für wichtige Themen. Bis vor Kurzem gab es keine Zweifel, dass das Engagement des BVB weit über bloße Symbolik hinausgeht.

Zweifel an jeder künftigen Aktion

Nun jedoch scheinen die sportlichen Verantwortlichen ernsthaft zu überlegen, diese Prinzipien dem Wettbewerb unterzuordnen. Im Fall einer Nmecha-Verpflichtung müsste man dem BVB vorwerfen, Werte nur dann hochzuhalten, wenn es ihm selbst nicht wehtut. Das wäre ein fatales Signal. Borussia würde Vertrauen verspielen und seine bisherige, gute Arbeit gefährden.

Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr veranstaltete der BVB gemeinsam mit seinen Partner*innen einen Aktionstag gegen LGBTIQ*-Feindlichkeit. Bei der Planung und Durchführung hatten sich einige Fans in ihrer Freizeit eingebracht, auch trans und homosexuelle Personen. Sie hatten großen Anteil daran, dass der Verein im Anschluss – zu Recht – viel Lob erntete. Wie würde die sportliche Leitung einen Transfer vor ihnen rechtfertigen wollen? Die ehrlichste Antwort würde wohl sein: "Sorry, der Erfolg ist uns wichtiger als Solidarität mit euch."

Ich könnte jeden Fan verstehen, der künftig zwei Mal überlegen würde, ob er den BVB bei ähnlichen Veranstaltungen unterstützen möchte. Aktionen würden stets von Zweifeln begleitet: Steht der Verein wirklich als Ganzes hinter ihr? Oder sind die Worte wieder vergessen, sobald der nächste hoffnungsvolle Spieler mit offensichtlich problematischer Denke vor der Tür steht? Damit würde der BVB übrigens nicht nur sich selbst schaden, sondern auch den Menschen, für die er sich eigentlich einsetzen möchte.

Ein unnötiger Unruheherd

Auch in der Geschäftsstelle dürfte ein Nmecha-Transfer nicht nur Begeisterung auslösen. Dort arbeiten viele vertrauenswürdige Leute, die in den letzten Jahren vor und hinter den Kulissen Antidiskriminierungsprojekte entwickelt und mit Betroffenen gearbeitet haben. Am Ende wären es wohl sie, die die Scherben zusammenkehren müssten, die eine Verpflichtung hinterließe.

Bereits durch das öffentlich gewordene Interesse des BVB ist einiges zu Bruch gegangen. Zahlreiche Fans haben ihrem Ärger in den vergangenen Tagen Luft gemacht. Neben dem schwul-lesbischen Fanclub Rainbow-Borussen äußerte sich auch die Initiative ballspiel.vereint!, deren Stellungnahme wir veröffentlicht haben.

Im Falle eines Transfers würde der Protest noch lauter. Der Verein würde einen Unruheherd entfachen, der bis weit in die kommende Saison lodern könnte. Mir jedenfalls fiele keine Maßnahme ein, mit der Borussia Dortmund den Mittelfeldspieler kurzfristig rehabilitieren könnte. Jede Distanzierung, die in direktem Zusammenhang mit einem Transfer stünde, wäre nicht glaubhaft. Würde Nmecha es ernst meinen, hätte er sich längst entschuldigt.

Am Ende bleibt die Hoffnung, dass sich Sebastian Kehl und Co. noch von ihrem Plan verabschieden, und zwar lieber heute als morgen. Dass die Verpflichtung von Felix Nmecha eine beschissene Idee ist, für diese Erkenntnis müsste man den Grundwertekodex eigentlich gar nicht erst bemühen. Trotzdem: Wenn er bereits in einer solch elementaren Angelegenheit nicht zu greifen scheint, wie viel ist dieses als "Leitplanke" gepriesene Werk dann überhaupt wert?

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