Der BVB gewinnt überraschend in Newcastle und kann sich nun wieder Hoffnungen auf das Achtelfinale machen. Unser Spielbericht zum Auswärtssieg auf der Insel.
Anders als die meisten Borussen hatte ich dank meines aktuellen Auslandssemesters eine relativ entspannte Anreise, sodass ich am späten Dienstagabend auf direktem Wege Richtung Newcastle flog. Deutlich kreativer wurden die Reisenden aus dem Ruhrgebiet. Viele flogen von außerhalb von NRW und/oder über London, Manchester oder Edinburgh und bewältigten den Rest der Strecke über Land. Einige gänzlich Bekloppte reisten gar mit dem Bus von Dortmund nach Newcastle, wobei die knapp 20 Stunden pro Fahrt sicher Spaß gemacht haben. Eben alles für Borussia!
In Newcastle angekommen machte sich gleich bemerkbar, dass einiges anders ist als in der Hauptstadt und einige Kneipen bis 3 Uhr geöffnet haben. So konnten also trotz der späten Ankunft auf der Insel meinerseits mit dem Rest der Reisegruppe noch einige Pints Bier verzehrt werden.
Zwar zunächst ohne einen Teilnehmer, der das Bett in der Unterkunft leider etwas zu lieb gewonnen hatte und erst später dazustoßen sollte, dafür aber mit ordentlich Hunger ging es zum Grainger Market, wo ein English Breakfast auf uns wartete. Schließlich gehört es zu einem Trip auf die Insel einfach dazu. Gut gestärkt ging es am späten Vormittag also zum Sightseeing, bei dem auch nicht sonderlich verwunderte, dass Newcastle seit 1948 die Partnerstadt von Gelsenkirchen ist.
Spaß beiseite: Wirklich viel gibt es nicht zu sehen. Die nördlichste Großstadt Englands ist eben eine klassische Industriestadt ohne viel Schnick-Schnack, in der einzig die Brücken über die Tyne so wirklich sehenswert sind. Umso paradoxer, dass gerade hier viele Fans des örtlichen Fußballvereins einen Schurkenstaat für sein Sportswashing-Projekt bejubeln.
Zurück zur Chronologie: Nach dem anstrengenden Sightseeing brauchte es natürlich erst einmal eine erneute Stärkung in Form eines Kaltgetränks, bevor es zum Youth-League-Spiel der U19 ging. Nur drei Metro-Stationen vom Monument - dem späteren Treffpunkt für BVB-Fans - entfernt lag das Gateshead International Stadium. Normalerweise liegen die Stadien der YL einige Kilometer außerhalb der Stadt des Gastgebers und so war es eine willkommene Abwechslung, dem ersten Spiel der Borussia an diesem Tag quasi ohne Anreise-Strapazen beiwohnen zu können. Nach einem über weite Strecken dominanten Auftritt der Gäste machte es der BVB am Ende doch nochmal spannend, gewann aber schlussendlich im englischen Dauerregen vollkommen verdient mit 2:1.
Ein weiteres Mitglied der Redaktion merkte an, dass es wohl der einzige Sieg an diesem Tag für schwarz-gelb bleiben sollte. Dem hatte ich nicht viel entgegen zu setzen, schließlich hatte Newcastle kürzlich erst PSG im Sportswashing-Derby mit 4:1 geschlagen, während der Ballspielverein sich mit einem mageren 0:0 gegen den AC Milan begnügen musste. Für die Borussia läuft es in der Bundesliga ergebnistechnisch zwar richtig gut, doch in der Champions League stand man bisher noch ohne Treffer da - und nach einigen Statistiken in 180 Minuten noch nicht einmal eine Großchance gehabt. Auch meine grandiose Siegesquote von 0% bei Europapokal-Auswärtsspielen machte nicht gerade Hoffnung, weshalb ich von einer Niederlage ausging.
Wieder angekommen im Zentrum ging es dann auch recht bald in Richtung St. James' Park, der überraschend zentral lag und somit in gut 15-20 Minuten zu Fuß erreichbar war. Etwa genauso lang musste man allerdings Treppen steigen, bis man endlich im Gästeblock direkt unter dem Dach angekommen war. Trotz der Höhe war der Block aber gar nicht so schlecht, weil er sich zum einen über die gesamte Tribüne erstreckte und zum anderen - wie in England üblich - man weder eine Scheibe noch ein Netz vor der Nase hatte.
Eine gefühlte Ewigkeit später ging es dann endlich los und so ertönte für mich nach etwa anderthalb Monaten Borussia-Abstinenz endlich mal wieder ein Dortmunder Fangesang. Die Gastgeber starteten ihrerseits mit einer Choreo auf allen Tribünen und zeigten zu Beginn auch das Stimmungspotenzial, was dieses durchaus nette Stadion hat. Doch nach etwa 15 Minuten flachte das ganze ab und es war fortan oft nur noch der lautstarke Gästeblock zu hören. Sicherlich trug auch die Leistung des BVB dazu bei, der im ersten Durchgang seine mit Abstand beste Halbzeit in dieser Saison spielte und kurz vor der Pause verdient mit 1:0 in Führung ging. Zwar hätte der Ballspielverein durchaus auch noch auf 2:0 erhöhen können, doch der Schiedsrichter pfiff Wolf, der für den verletzten Ryerson startete und eigentlich bereits frei durch war, kurzerhand zurück und schickte beide Teams in die Kabine.
Im zweiten Durchgang wurde der BVB passiver und ließ Newcastle so u.a. zu zwei späten Lattentreffern kommen, doch dank eines großartigen Nico Schlotterbeck und einem sicheren Rückhalt in Person von Gregor Kobel rettete der BVB die Führung über die Zeit. Endlich! Im 8. internationalen Auswärtsspiel gab es meinen ersten Sieg - und das ohne große Hoffnungen auf eben jenen. Borussia schlug damit erstmals seit ziemlich genau 10 Jahren wieder einen Top-Gegner auswärts in der Champions League. Der letzte datierte am 22.10.2013 beim 2:1-Erfolg in London beim FC Arsenal. Mit so einem Sieg im Gepäck lässt sich auch die Blocksperre deutlich besser aushalten.
Durch den Erfolg schiebt sich der BVB sich in der Tabelle vor bis auf Platz 2 und könnte mit einem Sieg im Heimspiel gegen die Magpies in der “Todesgruppe” gar einen großen Schritt in Richtung Achtelfinale machen.
Und an die ganzen Nörgler auf Twitter und anderswo möchte ich mal folgendes richten: In der Liga hatte der BVB zuletzt in der Saison 2010/11 mehr Punkte, Newcastle United hat das Fallobst PSG deutlich geschlagen, seit Ewigkeiten nicht mehr im Europapokal zu Hause verloren und ist nach einem schwachen Saisonstart mittlerweile wieder richtig gut drauf. Trainer Eddie Howe sprach von einer Lektion, die die Spitzenmannschaft Borussia Dortmund seinen Jungs erteilt habe. Sicherlich ist besonders im Spielaufbau (noch) nicht alles perfekt, aber Edin Terzic hat Borussia Dortmund zu einer Ergebnismaschine gemacht. Und das kann man dann auch einfach mal anerkennen, ohne alle drei Tage von Spielglück zu reden. Wie sagte Hermann Gerland: "Immer Glück ist Können." Und wenn sich einer gefragt hat: Can they do it on a cold, rainy night in Newcastle? Yes, they can!
Wir jedenfalls hatten nichts zu meckern und mit den drei Punkten im Gepäck zog es uns erneut in eine der prall gefüllten Pubs, in welchem wir den Abend ausklingen ließen.
Mit etwas Abstand lässt sich festhalten: Was für eine großartige Europapokal-Tour!
Das Leben beginnt, wenn die Kurve singt, hüpft und springt!
