Rezension "Aus Liebe zum Spiel"
Zugegeben: Der geneigte BVB-Fan mag die Frage aufwerfen, weshalb in einem BVB-Fanzine ausgerechnet über ein Buch berichtet wird, das sich intensiv mit Uli Hoeneß beschäftigt. Hoeneß, Symbolfigur des Rivalen aus München, aber auch Sinnbild für Entwicklungen im deutschen Fußball, die von vielen Fans abgelehnt werden.
Max-Jacob Ost, Podcast-Kollege vom „Rasenfunk“ und Autor von „Aus Liebe zum Spiel“, hat gleich zu Beginn seiner Lesung am 16.01.2023 in Frankfurt auf diese Frage die passende Antwort gegeben: weil nahezu jeder eine Meinung zu Uli Hoeneß hat. Diese Meinung mag zwar irgendwo zwischen „Idol“ und „Hassfigur“ angesiedelt sein, allerdings ist zumindest Hoeneß‘ prägender Einfluss auf den deutschen Fußball unbestritten.
Eine zweite Antwort lässt sich im Buch selbst finden: es handelt sich hierbei nicht bloß um eine „herkömmliche“ Biografie. Vielmehr kombiniert Max die Lebensgeschichte von Uli Hoeneß mit der Geschichte des deutschen Fußballs.
Ob „Schwarzgeld-Touren um die halbe Welt“ (Testspiele) in den 1970er Jahren, die Geburtsstunde des Merchandisings oder die mit der Einführung des Privatfernsehens verbundene Explosion der TV-Gelder: Max zeichnet in „Aus Liebe zum Spiel“ nicht nur mit viel Aufwand die mitunter ziemlich skurrile Geschichte der Bundesliga nach, sondern stellt dabei stets die Rolle von Uli Hoeneß in den letzten fünf Jahrzehnten heraus.
Grundlage des Buchs ist der ebenfalls sehr empfehlenswerte Podcast „11 Leben“. Darin wird neben den genannten Themen auch noch ein zweiter Handlungsstrang verfolgt, nämlich die Geschichte des Podcasts selbst. Max beschreibt Folge für Folge seine Arbeit an dem Podcast und bis zum Ende begleitet man ihn bei dem Versuch, Hoeneß für ein Interview zu gewinnen (und die Frage, ob es dieses überhaupt braucht). Auch die Hörer von „11 Leben“ werden an „Aus Liebe zum Spiel“ Gefallen finden, weil darin insbesondere die gesellschaftliche und politische Bedeutung des Fußballs noch einmal stärker herausgestellt wird, als dies im Podcast möglich war.
Herausgekommen ist ein knapp 400 Seiten langes Buch, das sicher eine völlig andere Dramaturgie als der Podcast aufweist, aber diesem inhaltlich in Nichts nachsteht. Durch die irrsinnig gut recherchierte (Wirtschafts-)Geschichte der Bundesliga kann man sich einige Zusammenhänge und Probleme des modernen Fußballs noch viel deutlicher bewusst machen.
Als am Ende der Lesung aus dem Publikum die Frage aufkam, was der Erfolg von „11 Leben“ eigentlich für den Autor als Sportjournalist persönlich bedeutete, fasste Max seine Antwort wie folgt zusammen: „Früher war ich der Nerd, jetzt bin ich der kritische Nerd.“. Gerade diese kritische Haltung gegenüber dem Fußballgeschäft sollten insbesondere wir Fans stets einnehmen. Daher meine Empfehlung: hört den Podcast, lest das Buch – ihr werdet einen deutlich fundierten Blick auf aktuelle Entwicklungen des Fußballs haben, die zum Teil ganz klar historisch erklärbar sind.
Achja: wer Lust hat, Auszüge des Buchs von dem Autor selbst präsentiert zu bekommen: Max ist im Frühjahr auf Lesetour! Im Anschluss an die Lesung gibt es auch eine Fragerunde, die jedenfalls in Frankfurt in eine eineinhalbstündige Diskussion über so ziemlich alle Grundsatzfragen rund um den modernen Fußball mündete. ;-)
„Aus Liebe zum Spiel“ ist seit dem 12.01.2023 im Buchhandel erhältlich. Eine Leseprobe findet ihr hier.