Wundertüten unter sich
Der BVB trifft heute auf die TSG Hoffenheim – beide verabschiedeten sich unter der Woche aus dem Pokal, grüßen aber in der Liga von den Champions-League-Plätzen. Wundertüten unter sich.
Im BVB-Lager macht sich mal wieder Katerstimmung breit. Obwohl wir mit sechs Punkten Rückstand gefühlt so nah an den Bayern dran sind wie schon lange nicht mehr, glaubt keiner auch nur eine Sekunde daran, dass wir noch näher herankommen oder gar überholen könnten. Dafür ist die Mannschaft zu unkonstant. Ob Rose, Haaland, Mentalitätsprobleme, eine löchrige Abwehr, schwache Außenverteidiger, Witsel zu langsam – die Liste der Probleme, die von außen ausgemacht wurde, könnte man beliebig verlängern. Jeder hat wahrscheinlich schon genau diese Punkte in unzähligen Whats-App-Gruppen oder in den sozialen Medien gelesen oder diskutiert. Dabei war die Stimmung vor Wochenfrist noch gänzlich anders. Wir hatten gerade den SC Freiburg an die Wand gespielt. Immerhin waren die Breisgauer ebenfalls weit oben in der Tabelle, das sollte Auftrieb geben. Zuvor schon der Mentalitätssieg gegen Frankfurt, wo man stark zurückkam und das Ding noch drehte. Eigentlich wähnte man sich auf einem guten Weg und trotzdem: Hätte man eine Umfrage unter Fans gemacht, nicht wenige hätten auf ein Pokal-Aus getippt. Schlechtes Bauchgefühl und so. Tatsächlich kam es völlig verdient zum Ausscheiden und die Euphorie nach dem Freiburg-Spiel war wieder dahin. Ausgerechnet der Wettbewerb, wo die Bayern schon ausgeschieden sind. Ausgerechnet der Wettbewerb, wo wir die größten Chancen auf einen Titel haben. Zu vertraut ist inzwischen das Bild, dass es mit einem neuen Trainer meist eine Zeit lang gut läuft und dann doch wieder kippt. Unter Bosz zeitweise entfesselt, unter Favre zeitweise unschlagbar, unter Rose endlich wieder mit Elan und Spielfreude – bis sich wieder der alte Schlendrian einschleicht. Bis sich wieder die Mentalitätsfrage stellt, bis sich wieder begeisternde Spiele an absolut fragwürdige Leistungen aneinander reihen.
Auf der anderen Seite steht die TSG Hoffenheim. Dieses Jahr schnuppern sie mal wieder Höhenluft und haben tatsächlich einen soliden, teils sogar gut besetzten, Kader. Aus dem Pokal sind sie trotzdem ebenfalls ausgeschieden. Gegen den SC Freiburg, der am vorherigen Samstag noch von uns „verprügelt“ wurde. Hoffenheim ist schon seit Jahren eine Wundertüte. Vermutlich könnte niemand die Endplatzierungen der Kraichgauer in den letzten 10 Jahren aufzählen. Mal klopfte man am Europapokal an, mal an der Abstiegszone. Ansonsten fristet man das Dasein einer grauen Maus: Nervig, weil von Zeit zu Zeit Sachen angeknabbert werden und man die schöne Liga mit Mäzenatentum und Weinerlichkeit vollköttelt, aber vor allem auch völlig belanglos. Niemand interessiert sich so richtig für diesen „Verein“, außer man verliert gegen sie. Dann war es irgendwie unnötig. Immerhin bleibt uns eine Auswärtsfahrt in die Baden-Württembergische Pampa dank Blocksperre und Corona erspart.
Mein Chemielehrer fragte nach Versuchen immer rhetorisch, um sich selbst zu antworten: „Welche Schlüsse ziehen wir jetzt daraus? Natürlich die richtigen.“ Was machen wir also aus der Situation? Wenn es wieder Spaß machen soll, wenn wir wieder gewinnen wollen, dann muss der Schleier der Lethargie verschwinden. Ein schwieriges Unterfangen in Zeiten einer Pandemie und mit dem Gefühl, dass der BVB seit Jahren, fast einem Jahrzehnt auf der Stelle tritt. Hobby-Psychologen würden vermutlich raten, dass man einfach nur das richtige Mindset braucht. Positives Denken kann vieles bewegen, also: Wir gewinnen das Spiel heute deutlich und legen dann eine Serie hin!