Playoffs in der Bundesliga? Eine Scheindebatte
Donata Hopfen hat direkt etwas Staub aufgewirbelt. Die neue DFL-Chefin diskutierte kürzlich offen die Idee, Playoffs in der Bundesliga einzuführen, zur Steigerung von Attraktivität und Einnahmen. Es wäre jedoch höchstens eine kosmetische Korrektur. Ein Kommentar.
Vielleicht zuerst das Positive. Erstens: Gut, dass auch die DFL-Spitze sich Gedanken darüber macht, wie man den Wettbewerb in Deutschland spannender gestalten kann. Seit neun Jahren heißt der Serienmeister FC Bayern – da könnte selbst die größte Optimistin keine Spannung hinein interpretieren. Keine Frage, dass sich hier etwas tun muss, soll das Produkt Bundesliga attraktiv bleiben. Zweitens könnte man Hopfen zugute halten, dass dieser Vorschlag nicht ihr schlechtester war. Im selben Zug zeigte sie sich nämlich offen für einen Supercup in Saudi-Arabien. Einen weiteren Staat mit fragwürdiger Menschrechtssituation beim Sportwashing unterstützen (und sich das Ganze gut bezahlen lassen)? Bleiben wir an dieser Stelle lieber bei den Playoffs.
An der Idee ist ja durchaus etwas dran. Der DFB-Pokal zeigt schließlich, dass die Wahrscheinlichkeit, den FC Bayern im K.O.-Format zu schlagen, signifikant größer ist, als ihn auf der Liga-Langstrecke hinter sich zu lassen. Das hängt sicherlich auch mit dem – aus FCB-Sicht – geringerem Prestige dieses Wettbewerbs zusammen. Doch während die Schale seit 2013 in München vor sich hin staubt, konnte den Pokal im selben Zeitraum vier Mal ein anderer Klub in die Luft stemmen. Immerhin. Gut möglich also, dass Playoffs Teams wie Borussia Dortmund oder RB Leipzig zugute kämen und der FC Bayern sich vielleicht "nur" noch in drei oder vier von fünf Fällen zum Deutschen Meister krönen würde.
Am System würde es kaum etwas ändern
Punktuell, für den Zeitraum einiger Tage, wäre im Titelrennen also endlich mehr Spannung geboten. Viele Fußballfans, auch neutrale, sehnen sich danach. Dabei darf man nicht vergessen, dass mit diesem Modus ein Reset nach 34 Spieltagen einhergeht, der einige Spiele während der regulären Saison entwerten würde. Berechtigt ist auch die Frage nach der Fairness: Glaubt zum Beispiel irgendein BVB-Fan, dass unser Team es nach dem Verlauf der vergangenen Saison, die mit Hängen und Würgen in den Champions-League-Rängen endete, verdient gehabt hätte, vielleicht Deutscher Meister zu werden?
Andererseits muss man sagen, dass der Wettbewerb bereits jetzt insbesondere aufgrund der massiven Ungleichverteilung finanzieller Ressourcen nicht ausgeglichen ist. Sie lässt Klubs wie die genannten aus München, Dortmund und Leipzig, aber auch Wolfsburg oder Leverkusen einfacher Fehler bei der Kaderplanung oder strategischen Ausrichtung wegstecken als das bei Freiburg, Mainz oder Union Berlin der Fall sein dürfte.
So schafft es unser BVB beispielsweise seit Jahren (und mit unterschiedlichsten Trainern) nicht, offensichtliche Probleme in der Defensive in den Griff zu bekommen. Der Kader wirkt häufig unausgewogen und wenn man ehrlich ist, fehlt das zündende übergeordnete Konzept. Die Qualifikation für die Champions League verpasste man trotzdem zuletzt vor sechseinhalb Jahren. Selbstverständlich ist Geld hier nicht der einzige Faktor – aber ein gewichtiger.
Der nächste neue Wettbewerb, vielleicht ein weiteres Abo? Für Fans kaum attraktiv
Könnten Playoffs in dieser Hinsicht für mehr Gerechtigkeit sorgen? Wohl kaum. Sie dürften höchstens an der Oberfläche kratzen. Geht man von K.O.-Spielen mit Halbfinale und Endspiel aus, wären das pro Saison vier Startplätze. Betrachtet man die Endplatzierungen seit der Saison 2012/13, wären die insgesamt 36 Slots stets unter denselben 8 Teams verteilt worden: FC Bayern (9 Mal), Borussia Dortmund (8), Bayer Leverkusen (5), RaBa Leipzig (4), die Blauen, Borussia Mönchengladbach (je 3) sowie die TSG Hoffenheim und der VfL Wolfsburg (je 2). Wenigstens etwas, mag man sagen. Die Startplätze der Bayern und des BVB wären aber mehr oder weniger blockiert. Und betrachten wir lediglich den Zeitraum, seitdem Leipzig die erste Bundesliga bereichert, lässt sich feststellen: In vier der letzten fünf Spielzeiten wären sogar drei der vier Playoff-Plätze stets von FCB, RBL und BVB besetzt worden. Diversität sieht definitiv anders aus. Für eine gleichmäßigere Verteilung beispielsweise der TV-Gelder dürften Playoffs unter Beibehaltung des bisherigen Systems also nicht sorgen.
Und wenn außerdem triste Vereine wie Wolfsburg oder Hoffenheim das genannte Trio ergänzen würden, ließe das die Herzen vieler Anhänger*innen eher nicht höher schlagen. Auch wenn die Bundesliga unterhalb von Platz eins leistungsmäßig zuletzt enger zusammengerückt ist, scheint es mehr als fraglich, wie lange Playoffs tatsächlich Unterhaltung versprechen würden.
Auch das Bündnis Unsere Kurve spricht sich auf Anfrage der dpa gegen Änderungen am Modus aus: “Wir brauchen keine neuen Formate und Wettbewerbe, die durch noch mehr Vermarktung mehr Geld in den Fußball spülen. Wir brauchen endlich Regularien, die die Integrität des Wettbewerbs sicherstellen.” Sie fördern insbesondere eine gleichmäßigere Verteilung der TV-Gelder, ein nationales Financial Fairplay, die Deckelung von Gehältern und die Verhinderung von Mehrfachinvestitionen.
Gratismut von Oliver Kahn
Die wenigsten Fußballfans dürften darüber hinaus Luftsprünge machen bei dem Gedanken an noch mehr Spiele pro Saison. Stadionbesuche sind in der Vergangenheit teurer geworden, Streaming-Dienste sowieso. Und wer weiß, vielleicht käme für den Endspurt im K.O.-Modus ja noch ein weiteres Abo hinzu. Nimmt man dann noch die gestiegenen Verbraucherpreise und eine gefühlt wachsende Entfremdung mit dem Profifußball spätestens seit der Corona-Pandemie hinzu, ist zumindest fraglich, wie viele potenzielle Kund*innen am Ende wirklich für dieses neue Produkt zahlen würden. Viele Traditionalist*innen dürften sich ohnehin erstmal abwenden, weil hier nicht nur irgendein Wettbewerb, sondern ausgerechnet die Bundesliga in ihrem Kern verändert würde.
Für den kicker war die Diskussion um Bundesliga-Playoffs in seiner heutigen Ausgabe trotzdem die Titelseite wert. Das liegt wohl daran, dass sich mit Oliver Kahn ausgerechnet der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern offen für entsprechende Änderungen zeigt. Es dürfte sich jedoch vor allem um eine Portion Gratismut handeln. Solange nur kosmetische Korrekturen vorgenommen werden und sich an den bisherigen Geldflüssen innerhalb des Profifußballs nicht gründlich etwas ändert, wird der FC Bayern immer zu den Profiteuren gehören – wie übrigens auch der BVB. Hans-Joachim Watzke sprach sich in diesem Sinne ausdrücklich “gegen Denkverbote” aus. Seit Kurzem ist er auch Aufsichtsratsvorsitzender der DFL. Es wird sich also lohnen, ein kritisches Auge darauf zu werfen, wie Watzke sich in dieser und anderen Fragen künftig positionieren wird.
Vorerst bleibt es dabei: Solange der Profifußball nicht nachhaltige Modelle für einen ausgeglichenen Wettbewerb diskutiert, wird sich kaum etwas ändern.