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Das Ende der Zorczeit

10.05.2022, 20:11 Uhr von:  Nina T. kha
Das Ende der Zorczeit
44 Jahre Michael Zorc beim BVB
© IMAGO / WEREK und schwatzgelb.de

Wir verabschieden Michael Zorc als Mitarbeiter von Borussia Dortmund nach 44 Jahren, jedoch niemals als Borussen: Ein eher stiller Held - sowohl als Spieler und Mannschaftskapitän als auch als Sportdirektor. Seine Karriere war nicht die eine Welle, sondern ein Ozean.

Wir haben uns ganz bewusst entschieden, zunächst die geballten Fakten über Michael Zorc aufzulisten. Und ehrlich gesagt hat uns selbst überwältigt, was da zusammen kam. Das ist auf seine Art spektakulär!

Zorcipedia:

  • Michael Zorc wird im August 2022 60 Jahre alt.
  • Er arbeitet für Borussia Dortmund von 1978 bis 2022: 44 Jahre.
  • Er war unser Spieler von 1978 bis 1998: 20 Jahre.
  • Er hielt 1986 die emotionale Motivationsrede in der Relegation, schoss den Elfmeter zum Ausgleich und 2 Tore im dritten Spiel.
  • Michael Zorc war Kapitän von 1988 bis 1998: 10 Jahre.
  • Er machte insgesamt 572 Spiele in allen Wettbewerben: 46.925 Spielminuten!
  • Er schoss 159 Tore insgesamt und verwandelte dabei 49 (von 57) Strafstößen.
  • Er bekam lediglich 85 gelbe,1 gelb-rote Karte und 2 rote Karten.
  • Michael Zorc war 1997 Torschütze zum entscheidenden 2:0 im Weltpokal.
  • Er wurde von 1998 bis 2005 Sportmanager unter Manager Meier.
    • Verantwortlicher Sportdirektor seit 2005 bis heute

Dieser Zeitraum ist unfassbar beeindruckend, in einem einzigen Verein und das bei der Halbwertzeit, die Spieler und Verantwortliche heutzutage haben. Allein die Vereinstreue als Spieler ist schon eine unglaubliche Besonderheit, die Erweiterung um die Laufbahn als Verantwortlicher macht es dann einzigartig. Rechnet man dazu für wie viele und welch große Erfolge Michael Zorc mitverantwortlich war, gehen einem die Superlative aus.

Michael Zorc und Rolf Rüssmann warten auf den Einmarsch
Michael Zorc und Rolf Rüssmann 1985
© IMAGO / Kicker/Eissner

Die Zorczeit wird in unserer Vereinsgeschichte als die erfolgreichste Epoche eingehen und wahrscheinlich für immer außergewöhnlich bleiben.

Michael Zorc feierte in seiner Zeit viele Erfolge mit Borussia Dortmund:

  • 7 Vizemeisterschaften (von insgesamt 10)
  • 5 Deutsche Meisterschaften (von insgesamt 8)
  • 4 verlorene Pokalfinale (von insgesamt 5)
  • 4 Pokalsiege (von insgesamt 5)
  • 1 Double
  • 2 UEFA-Cup-Finale
  • 1 Champions League Finale
  • 1 Champions League Sieg
  • 1 Weltpokal
Kapitän Michael Zorc präsentiert die Trophäe, daneben Torwart Teddy de Beer
Kapitän Michael Zorc präsentiert 1989 den DFB Pokal
© IMAGO / Ferdi Hartung

Selbst wenn Michael Zorc der größte Kotzbrocken unter der Sonne wäre, wir wären ihm für den Rest seines Lebens zu Dank verpflichtet, für das, was er für unseren geliebten Ballspielverein geleistet und erreicht hat. Er ist jedoch ein Borusse, wie man ihn sich nicht schöner malen könnte: „Nicht labern, machen!“ Und wenn es nötig war, eine deutliche Ansage. Ein eher stiller Held – sowohl als Spieler und Mannschaftskapitän als auch als Sportdirektor. Das wissen wir hier sehr zu schätzen und es macht ihn am Ende größer als alle anderen. Natürlich ist das Fußballgeschäft über die Jahre immer politischer geworden, aber gerade dadurch sind deutliche Aussagen umso wichtiger, damit man sich als Fan auch abgeholt und ernst genommen fühlt (inhaltsloses PR-Geschwafel erweckt den Eindruck, man solle besoffen gequatscht und etwas verschleiert werden). Seine Verwarnungsstatistik als Spieler verdeutlicht seine ausgesprochene Fairness oder seine Cleverness oder beides. Diese Quote hat Michael Zorc auch im zweiten Teil seiner Karriere gehalten: Nur selten wurde keine Lösung ohne Foul gefunden.

Michael Zorc wird zum Abschied von seinen Mitspielern auf den Schultern getragen
Michael Zorc beim Abschied 1999
© IMAGO / WEREK

Eine sehr subjektive Auflistung der Zugänge der ersten Mannschaft in der Zorczeit mit einigen Highlights:

2005 bis 2006

Ebi Smolarek, Philipp Degen, Nuri Sahin (BVB U17)

2006/2007

Steven Pienaar, Nelson Valdez, Alexander Frei, Tinga

2007/2008

Mladen Petric, Jakub Błaszczykowski, Mats Hummels

2008/2009

Felipe Augusto Santana, Neven Subotic, Patrick Owomoyela, Marcel Schmelzer (BVB U23)

2009/2010

Lucas Barrios, Kevin Großkreutz, Sven Bender

2010/2011

Shinji Kagawa, Robert Lewandowski, Lukasz Piszczek, Antônio da Silva, Mitchell Langerak, Mario Götze (BVB U19)

2011/2012

İlkay Gündoğan

2012/2013

Marco Reus, Oliver Kirch

2013/2014

Henrikh Mkhitaryan, Pierre-Emerick Aubameyang, Sokratis Papastathopoulos, Erik Durm (BVB U23), Marvin Ducksch (BVB U23), Jonas Hofmann (BVB U23)

2014/2015

Ciro Immobile, Matthias Ginter, Adrian Ramos

2015/2016

Gonzalo Castro, Roman Bürki, Julian Weigl, Christian Pulisic (BVB U19), Felix Passlack (BVB U19)

2016/2017

Alexander Isak, Andre Schürrle, Raphaël Guerreiro, Marc Bartra, Ousmane Dembélé, Emre Mor, Mikel Merino

2017/2018

Manuel Obafemi Akanji, Jadon Sancho, Andrii Yarmolenko, Dan-Axel Zagadou, Mahmoud Dahoud, Maximilian Philipp, Ömer Toprak, Jacob Bruun Larsen (BVB U19)

2018/2019

Leonardo Balerdi, Paco Alcácer, Axel Witsel, Achraf Hakimi, Thomas Delaney, Marius Wolf

2019/2020

Emre Can, Erling Haaland, Thorgan Hazard, Julian Brandt, Mateu Morey, Nico Schulz, Giovanni Reyna (BVB U19)

2020/2021

Jude Bellingham, Thomas Meunier, Steffen Tigges (BVB U23), Youssoufa Moukoko (BVB U19)

2021/2022

Donyell Malen, Gregor Kobel, Ansgar Knauff (BVB U23)

Es ist irritierend, wie wenig das Ende des Age of Zorc bisher mediale Beachtung findet. Wobei wir zugeben müssen: Wir haben dieses Ende auch lange verdrängt – allerdings aus emotionalen Gründen, die den professionellen Journalisten wohl fehlen dürften. Zu der großen Dankbarkeit und dem Stolz, dass es in unserem Club eine solche Geschichte gibt, gesellen sich eben auch Wehmut und Bedauern. Viele von uns sind „mit ihm aufgewachsen“, kennen ihren Herzensverein gar nicht ohne ihn. Nichts währt ewig, aber auch das Bewusstsein dafür, bewahrt uns nicht vor dem Gefühl des Verlusts.

Zu sehen ist das aktuell Gesicht von Michael Zorc
Nach 44 Jahren darf man zufrieden sein

Michael Zorc wird ohne Zweifel eine große Lücke hinterlassen. Uns ist klar, dass er als Spieler und als Sportdirektor im Team gearbeitet hat, aber auch die Performance eines Teams hängt von allen Beteiligten ab und vor allem hat er seine Teams stabilisiert und auf äußerst angenehme Weise nach Außen vertreten. Ohne Corona hätte Michael Zorc letzte Saison seine Karriere beendet, er hat sich jedoch wieder in den Dienst der Mannschaft gestellt und um ein Jahr verlängert! Das gibt uns nun immerhin die Chance, diese Ära in einem vollen Stadion gebührend zu begehen. Der Mann ist nicht nur selbst eine Legende, er hat uns mit seinem Wirken Legenden, Publikumslieblinge, Identifikationsfiguren (und Transfererlöse) beschert: Jede und jeder von uns findet da oben mindestens einen, dessen Name es auf das Trikot und/oder ins Fan-Herz geschafft hat. Wir Fans hatten grandiose Saisons, legendäre Stunden, Ganzkörpergänsehaut und uns bleiben wunderbare Erinnerungen… jedes Spektakel der letzten 44 Jahre. Seine Karriere war nicht die eine Welle, sondern ein Ozean.

Wir wünschen uns für Michael Zorc eine würdige Verabschiedung als Mitarbeiter von Borussia Dortmund mit (mindestens) einer Ehrenrunde am letzten Spieltag, Standing Ovations und – wenn schon keine Statue auf dem Vorplatz des Westfalenstadions – ein aktuelles Portrait auf Beton als erste Vereinslegende auch auf Verantwortlichenebene.

Es wird jedoch kein Abschied sein:

Für immer einer von uns.

Für immer Borusse.

Danke, Michael Zorc.

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