Totalausfall in Dortmund: ein Drama in drei Akten
Ein guter Saisonstart, sommerliches Wetter und ein spannender Gegner am Samstagnachmittag sind drei Dinge die jedem BVB-Fan die Vorfreude ins Fanherz gespült haben dürften. Es folgte am Samstag ein Drama in drei Akten, was an klassischer Tragödie nicht zu überbieten war. Unser Spielbericht.
Akt 1: Eine Anreise mit besonderen Bedingungen
Ich machte mich am Samstagmittag um 12:13 Uhr frühzeitig von Münster auf den Weg. Ich reise immer früh an und wenn ich den Zug nutze sowieso. Das 9-Euro-Ticket hat die Züge bekanntlich bis oben hin gefüllt. Der Direktzug nach Dortmund entfiel schon, aber ich dachte mir nichts dabei und fuhr über Hamm. Meine Bahn-App versprach mir, dass das auch funktionieren würde.
Es funktionierte nicht, denn aufgrund eines Unwetters war das Stellwerk in Dortmund mit Wasser vollgelaufen, sodass der Hauptbahnhof von KEINEM Zug mehr angefahren werden konnte. Und das am Spieltach! Es sollte nicht der einzige kurzfristige Totalausfall in Dortmund an diesem Tag bleiben. Dazu später mehr.
Egal, mit guter Laune ging es via Schienenersatzverkehr nach Unna und von da weiter mit Zug und U-Bahn Richtung Dortmund. Man lernt bei solchen Schwierigkeiten wirklich tolle Leute kennen und laut Twitter halfen sich viele Fans bei der Suche nach alternativen Reisemöglichkeiten. Die BVB-Familie unterstützt sich halt. Für die Bremer Anhänger*innen war es dagegen die zweite Anreisetortur beim zweiten Auswärtsspiel.
Mit dem Glück der frühen Anreise stand ich dann noch pünktlich gegen 15:10 Uhr auf der Süd und freute mich auf ein tolles Spiel. Nach den Strapazen aber bitte jetzt keine Niederlage.
Akt 2: Der BVB spielt, wie er eben spielt
Der BVB startete wie es, aufgrund der Verletzungen, wohl zu erwarten war. Bynoe-Gittens hatte sich in die erste Elf gekämpft (und profitierte dabei sicher von Malens Ausfall). Wolf belohnte sich ebenfalls und ersetzte Meunier auf dem rechten Flügel. Brandt ersetzte den verletzten Adeyemi. Vorne stürmte wieder (der in Freiburg bemühte) Modeste.
Rein ins Spiel! Die ersten 20 Minuten hielt der BVB den Ball, wobei Bremen viel presste und den BVB zu vielen langen Bällen und Ballverlusten zwang. Es war echt nicht gut anzusehen und es kam auch zu keinen wirklich gefährlichen Szenen, was vor allem an Julian Brandt lag, der es fertig brachte, absolut jede gute offensive Chance zu vertändeln.
In der 18. Minute ein erster Schock für den BVB: Mo Dahoud verletzte sich und musste raus. Can kam dafür rein. Und damit veränderte sich das Spiel, denn Bremen bekam mehr und mehr Ballbesitz und das Spiel wurde deutlich ausgeglichener. Bremen war nicht dominant, aber übernahm schon zwischenzeitlich die Kontrolle.
Und dann kam ein sogenannter "Ausgerechnet-Moment". Jule Brandt bekommt halbrechts vor dem 16er den Ball, zieht nach innen, fast sich ein Herz und haut den Ball rechts unten ins Eck. 1:0 in der 45.+3 Minute. Eine etwas schmeichelhafte Führung, aber zu einem wichtigen Zeitpunkt gefallen.
Halbzeit.
Kurz vor Wiederanpfiff zeigte die Süd dem BVB und Fußballdeutschland mit diversen Transparenten, wer hier die teuerste Dauerkarte der Liga hat und forderte bezahlbaren Fußball FÜR ALLE!
Die zweite Halbzeit verlief trotz der Führung ähnlich wie die erste.
Bei recht ausgeglichenem Verlauf kam allerdings (fast) ausschließlich
Bremen zu guten Chancen, wobei meist nur in Form von
Standardsituationen. Kobel glänzte wieder einmal und war die gelbe Wand
in rotem Torwart-Trikot. Dafür gab es berechtigte
"Gregor-Kobel-Gesänge".
Scheinbar war es der Tag der
Einzelaktionen, denn Rapha Guerreiro machte in der 80. Minute das, was
Brandt vor ihm machte und zog einfach mal vom 16er ab: drin und 2:0! Die
Stimmung auf der Süd war natürlich gut, was sich jedoch bis dato so
durch das ganze Spiel zog. Zwar irgendwie alles schmeichelhaft, aber so
hat es die letzten Spiele vom BVB ja auch geklappt. Dachte sich wohl
leider ebenso das Team auf Platz.
Akt 3: Der Totalausfall
So versuchte der BVB das Spiel professionell runter zuspielen und kam in der 80. Minute aus der Distanz sogar zu der Möglichkeit auf ein 3:0 durch Hazard, doch der Pfosten hatte etwas dagegen.
Derweil die Bremer? Machten nicht gerade den Eindruck das Spiel komplett drehen zu wollen.
Doch das änderte sich als Bremen durch einen etwas glücklichen Ball das 2:1 in der 89. Minute erzielte. „Ärgerlich, kann passieren. Einfach weitermachen!“ musste es für den BVB heißen.
Und plötzlich zerfiel beim BVB irgendetwas und alle elf Schwarzgelben hatten verlernt, Ordnung zu halten und zu verteidigen. 81.365 trauten ihre Augen nicht als die Bremer in der 90.+3 Minute die BVB-Abwehr zerlegten und das 2:2 erzielten. Scheiße! Nur ein Punkt.
Doch die eigentliche Katastrophe sollte noch kommen: 90.+5 und Bremen marschierte. Sie mussten den Angstschweiß der elf Borussen förmlich gerochen haben und bestraften eklatant blindes nach vorne Laufen unserer Borussia mit dem 2:3 in Form eines klassischen Konters. Der Bremer Block explodierte und auf den übrigen Tribünen schaute man sich fassungslos an. Was war da gerade passiert?
Bis auf die Knochen blamiert krochen die BVB-Spieler nach dem Spiel vor
die Süd und holten sich neben dem höflichen Applaus auch deutlich
hörbare Pfiffe ab.
Die Tragödie hatte ihren Lauf genommen, wie eben in einem richtig
klassischen Drama. Aber immerhin noch abgeschlossen mit "...und wenn Du
das Spiel verlierst, ganz unten stehst, dann steh'n wir hier und sing'
Borussia...Borussia BVB!
Was auch immer geschieht, wir steh'n Dir bei bis in den Tod und sing' für Dich, für Dich, Borussia. Borussia BVB!"
Für mich hieß es „Jetzt bloß nur noch nach Hause!“. Aber wie?!
Natürlich war meine Laune, anders als mittags, jetzt komplett im Arsch
und meine dünnhäutige Wut richtete sich nun gegen die Deutsche Bahn, die
es schlicht nicht schaffte, für ordentlichen Ersatzverkehr zu sorgen
und die Fans auf die umliegenden Bahnhöfe zu verteilen. Ebenfalls ein
Totalausfall. Über U-Bahnen nahm ich den gleichen Weg wie auf der
Hinreise und hatte Glück noch einen Platz zu bekommen. Ansonsten wäre
ich wohl noch immer nicht zuhause.
Ein wirklich gebrauchter Tag für alle Fans, die es mit Borussia hielten.
Die Bremenfans hingehen hatten jetzt schon ihr Saisonhighlight und
konnten mit dem Sonderzug (wohl eher Partyzug) vom Westfalenstadion
Richtung Bremen abdampfen. Wenigstens da hat es mit der Organisation des
ÖPNV geklappt.
Fazit: Nach 90 Minuten lief es perfekt für die Bremer - in allen Bereichen.