"Zuerst nehme ich es mit Humor und wenn es passt, gibt es dann eine entsprechende Antwort zurück"
Im nächsten Teil unserer Serie zum Thema "Inklusion" beim BVB sprechen wir heute mit dem Fanratsmitglied Conny Dietz unter anderem darüber wie es als Frau im Stadion ist.
Erzähl mal ein bisschen über dich, wer bist Du?
Erstmal hallo! Mein Name ist Conny (Cornelia) Dietz. Gebürtig komme ich aus Süddeutschland, lebe mittlerweile 32 Jahre in unserer großartigen Stadt Dortmund. Durch den Para-Sport bin ich Anfang der 80er Jahre zu den Trainingslagern unserer Goalball-Nationalmannschaft ins Ruhrgebiet gekommen. Die Offenheit und Herzlichkeit der Menschen hier haben mich sofort begeistert. Hier wollte ich leben und habe mich beruflich versetzen lassen. Das ging damals noch problemlos. Seit 1997 besitze ich meine Dauerkarte für unseren wunderbaren Fußballtempel. Im selben Jahr bin ich beim Ballspielverein Borussia Dortmund 1909 e.V. eingetreten. Auch auswärts fahre ich, wenn möglich, gerne zu den Spielen. Egal ob Bundesliga, Pokal oder Champions League, die Reisen sind immer ein besonderes Erlebnis für mich.
Wie bist du zum BVB gekommen?
Seit meiner Kindheit bin ich Fußballfan, und schon immer BVB-Sympathisantin. Als ich im Herbst 1989 aus Süddeutschland nach Dortmund gezogen bin, war es endgültig um mich als BVB-Fan geschehen. Der schwarz-gelbe Virus hat mich ziemlich schnell angesteckt;-) Das erste einschneidende Erlebnis war die Feier am Borsigplatz nach dem Pokalsieg 1989. Da wohnte ich noc h in Stuttgart und war zufällig zu einer Geburtstagsfeier in Dortmund nähe Borsigplatz eingeladen.
Wie haben Deine Eltern und Freund*innen auf Deine Begeisterung für den Fußball und den BVB reagiert?
Als Kind pöhlte ich mit den Jungs aus meinem Heimatdorf. Meine Eltern und meine Brüder hatten mit Sport und Fußball nichts am Hut und konnten deshalb meine Begeisterung gar nicht so recht nachvollziehen. Im Freundeskreis gab es einige Fußballfans von verschiedenen Vereinen.
Welches war Dein erstes Spiel?
Mein erstes Spiel im Westfalenstadion war 1990 BVB - VfB Stuttgart.
Das war für mich ein besonderes Spiel, da ich vor meinem Umzug nach Dortmund in Stuttgart lebte. Meine ersten Stadionbesuche waren beim VfB im Neckarstadion. Als gebürtige Schwäbin und jetzt Wahlwestfälin liegen mir beide Vereine am Herzen.
Fährst Du auch auswärts? Falls ja: Was war Deine weiteste Fahrt?
Ich fahre auch auswärts. Meine weiteste Fahrt kann ich momentan gar nicht sagen. Meine beeindruckendste Fahrt war nach Liverpool 2016 zum Spiel in der Europa Leage. Das gemeinsame Singen von „You'll never walk alone“ erzeugt noch heute Gänsehaut in mir.
Mit wem fährst Du zu den Spielen?
Ganz unterschiedlich, sehr oft mit der Fanabteilung, dann mal mit ein paar Leuten vom Fanclub, oder auch mit Best Travel vom BVB.
Wie ist es für Dich als weiblicher Fan im Stadion? Fühlst Du Dich wohl?
Ja ich fühle mich als weiblicher Fan sicher und wohl in unserem wunderbaren Fußballtempel ;-)
Es ist immer wieder etwas Besonderes für mich ins Stadion zu gehen, Leute zu treffen. Das hat für mich was von Familie.
Musstest Du Dir sehr viele Sprüche anhören?
Ich musste mir bis jetzt zum Glück wenig (doofe) Sprüche anhören.
Wie gehst Du damit um?
Erst mal nehme ich es nicht persönlich, sondern mit viel Humor. Und wenn es passt, gibt es dann eine entsprechende Antwort zurück.
Wie hat sich das in den letzten Jahren entwickelt?
Ich freue mich, dass immer mehr Mädchen und Frauen ins Stadion kommen. Bei meinen anfänglichen Stadionbesuchen vor ca. 40 Jahren war das nicht so zu beobachten. Dass sich das so gut entwickelt hat, liegt aber auch an Dortmund und dem Ruhrgebiet. Da hat der Fußball nochmal einen anderen Stellenwert.
Für mich ist ein Stadionbesuch mehr als nur das Fußballspiel gucken. Ich genieße es einfach, meine BVB-Familie zu treffen, im Sommer ein Bier, im Winter einen Anheizer zu trinken, und neben dem Fußball über Gott und die Welt zu philosophieren.
Glaubst Du, dass Frauen im Stadion mittlerweile von allen akzeptiert und natürlich respektiert werden?
Größtenteils kann ich das mit ja beantworten. Manchmal kommen so Bemerkungen wie ach ja, Frauen haben doch vom Fußball keine Ahnung. Wenn ich mich an einem solchen Gespräch beteilige, spüre ich anfangs eher Zurückhaltung. Diese legt sich dann aber relativ schnell, und endet meistens in eine konstruktive Diskussion.
Gab es, egal ob im Westfalenstadion oder auswärts, ein Erlebnis, welches Dir besonders unangenehm war?
Beim Pokal-Auswärtsspiel in Magdeburg stand ich mit meiner Freundin im Fanblock. Auf einmal wurden so ca. 2 Meter neben uns Bengalos gezündet. Das war mir nicht geheuer, zumal die Dinger ja sehr heiß werden. So nah hatte ich das noch nie erlebt. Glücklicherweise ist alles gut gegangen.
Wer hat Dir in diesem Moment geholfen?
Neben uns stand eine Mutter mit ihrem Sohn. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und alles genau beobachtet.
Kennst Du Frauen, die im Stadion schon mal unangenehmen Situationen ausgesetzt waren?
Persönlich kenne ich niemanden.
Sollte es für solche Fälle Ansprechpartner in oder rund um das Stadion geben?
Ja auf jeden Fall. Tatsächlich ist mit dem Panama-Projekt bei Heimspielen des BVB im Stadion etwas geschaffen worden, was allen Besucher*innen ermöglicht, in schwierigen Situationen, wie Diskriminierung, Rassismus und Sexismus u.a. psychologische Hilfe zu bekommen.
Es gibt auch immer wieder Berichte, dass Mädchen und Frauen „versehentlich“ an den Po oder die Brüste gefasst wird. Wie sollten Fans darauf reagieren, wenn Sie so etwas sehen?
Diese Frage finde ich schwierig zu beantworten. Erstmal ist solch ein Verhalten inakzeptabel. Ab wann ist es für andere Fans sichtbar? Wenn ich so auf meine langjährigen Stadionbesuche zurückbliche, ist mir so etwas bestimmt schon mal passiert. Ich habe das allerdings ignoriert, weil ich durch etwaige Reaktionen meinerseits keine Aufmerksamkeit und Angriffsfläche bieten wollte.
Und der BVB? Ist er genug sensibilisiert für das Thema?
Mit dem Panama-Projekt auf jeden Fall. Wichtig dabei ist, dass sich Betroffene an vertrauliche Stellen wenden können. Damit das thematisiert wird und Abhilfe geschaffen werden kann.
Hat der BVB die Bedürfnisse von Frauen im Stadion und seinem Umfeld ausreichend berücksichtigt?
Grundsätzlich würde ich auch hier ja sagen. Wo noch Verbesserungsbedarf besteht, ist bei den Einlasskontrollen. Hier sind oft zu wenig Ordner*innen im Einsatz. Das Problem ist allerdings dem BVB bekannt. An einer Verbesserung der Situation wird gearbeitet. Wir hoffen, dass es sich nach dem Corona-Lockdown ändern wird. Interessentinnen für den Ordnungsdienst können sich gerne beim BVB melden.
Was wünscht Du Dir in Zukunft vom BVB für Frauen?
Ich wünsche mir, dass der BVB nicht nur die Belange von Frauen unterstützt, sondern weiterhin Toleranz, Vielfalt und eine weltoffene Fangemeinschaft fördert. Des Weiteren wünsche ich mir eine gesunde Mischung zwischen fanpolitischen Themen und Marketingstrategien der GmbH & Co KGaA. Besonders freut es mich, dass es seit Juli 2021 eine Frauenfußballabteilung bei Borussia Dortmund gibt.
Vielen Dank für das Gespräch.