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Futopia - Der Traum von einer besseren Fußballwelt

16.08.2022, 05:37 Uhr von:  DocKay
Blick auf den Gästeblock in Wolfsburg. Schwarzgelbe Banner sprechen auf unterschiedliche Art und Weise die verschiedenen Probleme der Fans im kommerziellen Fußball an.

Fußball wird seit mehr als 2000 Jahren gespielt und war so unterschiedlich, wie die Gesellschaften verschieden sind. Wir befinden uns in diesem System nur auf einer Zeitreise um irgendwann Geschichte zu werden.

Alina Schwermer beschäftigt sich in ihrem kürzlich erschienen Buch „Futopia“ auf 448 Seiten mit Ideen, wie der Fußball besser, schöner und liebenswerter sein könnte. Die Autorin hat Journalistik und Geschichte studiert in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Sie ist freie Sportjournalistin unter anderem für die „taz“, die „Jungle World“ und die Deutsche Welle. Ihr Plädoyer für einen besseren Fußball ist geprägt von einer Utopie, die ein neues Gesellschaftssystem braucht - bis hin zu Ansätzen, die auch lokal/regional umzusetzen sind.

Wer einen besseren Fußball möchte, vergeudet Kraft damit, gegen RB Leipzig zu protestieren. Leipzig ist wirklich nicht das Problem.


Alina Schwermer

Die Gegenwart ist in ihrem Buch allgegenwärtig, wenn sie sich mit dem Frauenfußball beschäftigt. Für sie ist der Unmut im Fußball zu brav und oft ritualisiert – und inhaltlich oberflächlich. Von oben installierte Taskforces sollen eigentlich keine Veränderungen bringen. Transparente, Protestpapiere und Stimmungsboykotte bewirken kaum Fortschritte oder sind Fortschritte, die nicht den Kern der Probleme berühren. Fanproteste bewegen sich immer in den gleichen Schleifen.

Ein gutes Beispiel ist die zurückliegende Pandemie, die die Autorin in drei Phasen des Fußballs einteilt. In der ersten Phase vor der Pandemie herrschte eine Stagnation. Viele, die sich fanpolitisch engagiert haben, waren durch Frustration geprägt und schauten mehr oder weniger wütend auf DFB, FIFA und UEFA und auf deren Funktionäre, denen es im Wesentlichen um ihre Selbstdarstellung ging. Der Unmut gipfelte schließlich in der Vergabe der WM in den Wüstenstaat Quatar. In Phase zwei, während der Pandemie, folgte ein naiver Optimismus, der das Ende des kommerziellen Fußballs sah. Aktuell befinden wir uns in Phase drei, in der Ernüchterung eintritt, weil sich fast nichts geändert hat.

Das Bild zeigt das Cover des Buches in der Gestalt eines Fußballfeldes mit großem gelben Mittelkreises, in dem der Titel des Buches steht.

Gerade ist die Fußball-Europameisterschaft der Frauen in England zu Ende gegangen. Wir haben begeisternden Fußball gesehen, den auch unsere Spielerinnen gezeigt haben. Aber wir bewegen uns auch hier auf einem schmalen Grat. Optimismus ist angezeigt, doch wie wird der Frauenfußball der Zukunft aussehen? Wird es hier zu einer Revolution kommen, die auch die Populärkultur verändern wird? Die Geschichte des Fußballs in den letzten Jahrzehnten lässt ein optimistisches Pflänzlein durchaus wachsen.

„Equal Pay“ wird zu Recht für die Erfolge der Frauen-Nationalmannschaft gefordert. Aber „Equal Pay“ alleine wird die vorhandenen strukturellen Probleme nicht lösen. Die Zuschauer*innenzahlen in der Frauen-Bundesliga pro Spiel bewegen sich in der Regel im vierstelligen Bereich. In der Liga tummeln sich schon jetzt an der Spitze Vereine, deren Namen aus dem Herrenbereich bekannt sind und die demnächst auch hier die Titel unter sich ausmachen werden. Vorbei sind die Zeiten eines TUS Niederkirchen, SC 07 Bad Neuenahr und TSV Siegen, um nur einige zu nennen. Wer weiß überhaupt, wer in der zweiten Liga vertreten ist? Die aktuelle Entwicklung birgt die Gefahr, dass sich die Hierarchien der Männer auf den Frauenfußball übertragen. Mit dieser Meinung steht die Autorin nicht alleine da, wenn sie glaubt, dass auch hier auf Dauer wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund treten werden. Auch der BVB wird sich mit jedem weiteren Aufstieg seiner neu gegründeten Frauenmannschaft dem nicht entziehen wollen. Lassen wir uns nicht von der momentanen Entwicklung täuschen. Auch hier braucht es neue Utopien, um einem konservativen und zunehmend kapitalisierten Sport entgegenzutreten.

Wir müssen also klüger kritisieren, mehr verstehen, Kämpfe besser wählen.


Alina Schwermer

Neben dem Frauenfußball erfahren wir auch etwas über den unterklassigen Fußball beider Geschlechter. Hier zeigt sich das Versagen des DFB auf ganzer Linie. Dieser befasst sich lieber mit seinem neuen Campus als mit seinen Landesverbänden. Wer tiefer in die Materie eintaucht, wird in diesem Buch Lösungen erkennen, an die er bisher noch nicht gedacht hat. Dabei gehen sportliche und gesellschaftliche Probleme Hand in Hand. Diskriminierung im Sport gehört weiterhin zur Tagesordnung. Die Illusion bleibt ein anderer Frauenfußball, der durch Reduktion des expandierenden Männerfußballs Unterstützung erhält.

Dem optimistischen und visionären Fußballfan mit dem Glauben an eine bessere Fußballwelt empfehle ich das Buch „Futopia“ von Alina Schwermer. Es hebt sich von vielen anderen oberflächlichen Betrachtungen ab. Das Buch ist im Hardcover Format im Verlag „Die Werkstatt“ erschienen. Dort erschien auch im Jahr 2018 ein weiteres Buch von Alina Schwermer mit dem Titel „Wir sind der Verein. Wie fangeführte Klubs den Fußball verändern wollen. Neun Geschichten von Deutschland bis Israel“. Beide Bücher können über den Verlag “Die Werkstatt“, beim Buchhandel oder über Amazon.de (*) bezogen werden.

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