Wieder hier
Bei meinem persönlichen Comeback behält der BVB erstmals in dieser Bundesliga-Saison die weiße Weste und gewinnt zuhause gegen Köln mit 2:0.
609 Tage. Solange ist mein letzter Besuch im Westfalenstadion her. Am 29. Februar 2020 gewann der BVB 1:0 gegen den SC Freiburg durch ein Tor von Jadon Sancho. Seitdem ist viel Zeit vergangen und doch fühlte es sich heute in meinem Revier – bei meiner Rückkehr auf die Südtribüne – an, als wäre es erst gestern gewesen. War nie wirklich weg. Dabei ist noch nicht alles wie gehabt. Durch die beschränkte Auslastung der Südtribüne konnte ich das Spiel nicht von meinem Stammplatz in Block 13 verfolgen, sondern musste auf Block 82 ausweichen. Und auch wenn ich ein paar bekannte Gesichter wiedersehen durfte, fehlte doch die große Gruppe, mit der man sonst in den Block tingelt. Vielleicht fühlte ich mich deswegen noch etwas fehl am Platz – ich hatte mir das Ganze wesentlich emotionaler vorgestellt nach über 1,5 Jahren Zwangspause. Wobei mir auch im Vorfeld klar war, dass die zunehmende Entfremdung vom Profifußball seine Spuren hinterlassen hat, und die Vorfreude nicht mehr gleichzusetzen ist mit früheren Spielen – leider. Eine gelungene Rückkehr war es dank sportlichem Erfolg dennoch.
Der BVB musste erneut mit einer dünnen Personaldecke ran: Neben 30-Millionen-Neuzugang Donyell Malen saßen auf der Bank vier Amas-Spieler, die sonst in Liga 3 auflaufen, ein Felix Passlack, der im Normalfall eher dritte Wahl auf der Außenverteidigerposition ist, ein Reinier, der beim BVB bislang keine ernstzunehmende Rolle spielt, und ein 16-jähriger Moukoko, von dem man wohl kaum erwarten kann, die Fußstapfen des verletzten Haalands auszufüllen.
Gleichzeitig kam mit dem 1. FC Köln ein Gegner im Aufwind (nach Comeback gegen Leverkusen und Sieg im Pokal gegen Stuttgart) und mit einem treffsicheren Anthony Modeste (Kann man den Namen auch ohne Ohrwurm lesen?) an die Strobelallee. Die Kölner liefen früh an und erschwerten so den Dortmunder Spielaufbau. Gleichzeitig sicherte sich die Elf von Steffen Baumgart 57% Ballbesitz. Eine engagierte Mannschaft, die beim amtierenden Pokalsieger groß aufspielen will, während der BVB seine PS nicht auf die Straße bekommt. Als Dortmund-Fan graut es einem dann schon vor dem, was kommt: das obligatorische Gegentor. Und so fiel es auch zwangsläufig in der 16. Minute. Glück für die Borussia: Uth sprang der Ball zuvor an die Hand, als er an Pongracic vorbeizog und anschließend einnetzte. Schiedsrichter Martin Petersen gab das Tor zurecht nicht.
Die nächste Großchance für die Gäste folgte nur wenige Minuten später. Dudas Schuss auf den Dortmunder Kasten hätte Traumtorpotenzial gehabt, glücklicherweise lief Kobel schnell genug zurück, um den Ball noch aus dem Winkel zu kratzen. Puh. Einmal durchatmen bitte.
In Minute 40 durfte dann jedoch Schwarzgelb jubeln: Auf Jadon Sancho (meinen persönlich letzten Torschützen) folgt Thorgan Hazard. Brandt gewann zunächst sein Kopfballduell, der Ball landete bei Bellingham, der diesen gefühlvoll von der rechten Seite in die Mitte hob, wo die Dortmunder Nummer 10 freistehend einnicken konnte.
In Halbzeit 2 schickte Marco Rose dann in Minute 58 u.a. Steffen Tigges auf den Rasen, der sein persönliches Tordebüt feiern durfte. Nach einer Ecke von Julian Brandt von der linken Seite traf der 1,93m große Stürmer per Kopf zum 2:0-Endstand – nur fünf Minuten nach seiner Einwechslung. Herzlichen Glückwunsch dazu!
Der BVB war in diesem Spiel keineswegs überlegen, sicherte sich am Ende jedoch durch seine Effizienz die drei wichtigen Punkte, um Platz 2 in der Tabelle zu untermauern.
Zwei Dinge haben sich seit meinem letzten Besuch im Westfalenstadion leider nicht geändert.
- Nummer 1: Norbert Dickel fragt immer noch die Stimmung der einzelnen Tribünen ab. Gut, in der heutigen Zeit muss man ja fast schon dankbar sein, keinen „BVB – EINS – GEGNER – NUUULL“-Stadionsprecher zu haben. Immerhin.
- Nummer 2: Menschen denken immer noch, es sei eine lässige Aktion, sein Bier nach einem BVB Treffer in die Luft zu schmeißen, wodurch die vorderen Reihen in den Genuss eines langsam den Nacken runterfließenden Kaltgetränks kommen. Danke für nichts. Absolutes Verständnis, wenn man im spontanen Torjubel sein Bier verschüttet – passiert, aber aktiv und bewusst sein Bier wegschmeißen? Kindergarten (abgesehen davon, dass es dort hoffentlich keinen Alkohol gibt). Anscheinend ist euch das Bier noch zu günstig (Nein, lieber BVB, das ist keine Aufforderung). Wer über mehr als 04 Gehirnzellen verfügt, wirft sein Bier nicht aktiv weg – schon gar nicht eine halbe Minute, nachdem der Ball im Netz zappelte. Wem wollt ihr da noch eine spontane Jubelekstase vorgaukeln? Hört auf mit dem Scheiß.
Was sich geändert hat seit meinem letzten Stadionbesuch: Das Westfalenstadion hat einen neuen Publikumsliebling. Nicht nur einmal war nach einer gelungenen Aktion von Bellingham ein lautes „JUUUUUDE“ zu vernehmen. Man kann sich echt nur wünschen, dass uns der Junge noch lange erhalten bleibt in Schwarzgelb.
Ein positiver Abschluss: Es war schön, nach langer Zeit mal wieder ein lautstarkes „BORUSSIA BVB!“ durch das Stadion hallen zu hören – durch die Desperados auch mit organisiertem Support während des Spiels. Schöner wäre das alles natürlich mit einer vollen Südtribüne und 81.000 im Stadion – und dann bin ich mir sicher, wieder zuhause zu sein – aber 66.000 ist ja auch schon mal ein Anfang.
PS: Viele Grüße an die „alkoholisierten Typen“ (Selbstbeschreibung), die mich netterweise in ihrer Reihe aufnahmen und „versuchten mir Bier anzudrehen“. ;-)