Pflichtsieg im DFB-Pokal: Hazard bringt die späte Erlösung
Spielberichte im DFB-Pokal lassen sich normalerweise ganz wunderbar so einleiten: „Westfalenstadion. Flutlicht. (hier Traditionsverein mit tausenden Gästefans einfügen): Alles war angerichtet für einen geilen Pokalabend!“. Nun, für das gestrige Spiel der Borussia gegen den FC Ingolstadt ist das aus mehreren Gründen nur bedingt geeignet.
Erinnerungen an Unterhaching werden wach
Schon in den letzten Tagen vor dem Pokalspiel deutete sich an, dass das Westfalenstadion, sagen wir, nicht aus allen Nähten platzen werden würde. Das war so natürlich auch nicht zu erwarten, schließlich war der FC Ingolstadt fantechnisch sowie sportlich so ziemlich das unattraktivste Los im Topf für die zweite Pokalrunde. Seien wir ehrlich: Wenn man die Liste von Vereinen wie RB Leipzig, TSG Hoffenheim, VfL Wolfsburg weiterführt, landet man schnell bei den selbsternannten „Schanzern“ aus dem oberbayerischen Ingolstadt. Ein Glück, dass sich Aufeinandertreffen mit dem Projekt des Audi-Konzerns nach dem kurzen Intermezzo in der Bundesliga (2015-2017) nur noch im Rahmen des Pokals ergeben können – und selbst dort kann man gut und gerne darauf verzichten.
Neben diesen ungünstigen Umständen, die es vor Corona sicherlich auch gegeben hätte, kommen natürlich auch andere Faktoren hinzu. Die derzeitige Vorgehensweise mit 3G-Kontrollen, Zeitslots und Co. trägt sicherlich nicht dazu bei, dass arbeitstätige Menschen großartige Lust verspüren, sich unter der Woche einer mitunter chaotischen Einlasssituation auszusetzen. Dass der BVB weiterhin – trotz deutlicher Kritik nach der Begegnung gegen den FSV Mainz 05 – alle 12.500 Südgänger (die am Dienstagabend den Großteil der Besucherinnen und Besucher ausmachten) ausschließlich durch den Südeingang schleust, ist insoweit auch nicht unbedingt nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz scheint aufgrund der geringen Besucherzahlen alles recht reibungslos geklappt zu haben – die wirkliche Bewährungsprobe des 3G-Systems wird es vermutlich am Wochenende gegen den 1. FC Köln geben.
Die Abwesenheit der aktiven Fanszene zählt seit dem Auswärtsspiel bei Arminia Bielefeld hingegen nur noch eingeschränkt als Begründung für ein trostloses Stadion: mit der Rückkehr der DESPERADOS ist zumindest wieder für ein wenig organisierte Stimmung gesorgt. Das wurde am Dienstagabend nicht nur optisch in Gestalt einer bunteren Südtribüne deutlich, sondern machte sich auch im Support bemerkbar. Nach der Auflösung der JUBOS ist somit jedenfalls eine der beiden verbliebenen Ultrasgruppen wieder aktiv im Stadion, wobei THE UNITY weiterhin auf das „normale“ Stadionerlebnis ohne Kapazitätsbeschränkungen pocht und mit dieser Handhabe aktuell nur die Champions League-Spiele besuchen kann.
Lange Rede, kurzer Sinn: Aufgrund dieser Vielzahl an Gründen wurden Erinnerungen an das berühmt-berüchtigte Pokalspiel gegen Unterhaching in der Saison 2004/2005 wach, als sich auf der alten Südtribüne sowie dem restlichen Stadion nicht einmal 20.000 Zuschauer einfanden. Gegen Ingolstadt sollen es schließlich ca. 25.000 Zuschauer gewesen sein.
Die zweite Garde der Borussia tut sich lange schwer, lässt aber auch nichts anbrennen
Kommen wir zum Sportlichen. Das große Thema rund um den BVB ist aktuell natürlich die lange Verletztenliste. Vielleicht war das rückblickend auch das einzig Gute am unattraktiven Los, denn der deutliche Klassenunterschied zwischen der Borussia und dem Letzten der 2. Bundesliga erlaubte es Marco Rose, zumindest dem ein oder anderen Spieler eine dringend benötigte Pause zu geben. So durften Marco Reus und Manuel Akanji das Treiben lange Zeit von draußen beobachten, der angeschlagene Gregor Kobel hingegen war gar nicht erst im Kader und wurde von Marwin Hitz in gewohnt zuverlässiger Manier vertreten. Somit durfte Marin Pongracic wieder von Beginn an ran und bildete mit Mats Hummels und Emre Can eine Dreierkette, die auf den Flügeln vom zurückgekehrten Thomas Meunier und Marius Wolf ergänzt wurde. Witsel und Bellingham im Zentrum waren dann schon eher Teil der üblichen Stammbesetzung als Steffen Tigges und Reinier, die zusammen mit Julian Brandt für Offensive sorgen sollten.
Genau dieses Ansinnen gelang dem BVB jedoch über lange Phasen des Spiels hinweg nur bedingt. Ingolstadt machte von Beginn an keinen Hehl daraus, dass der Plan vor allem darin lag, tief zu stehen und vielleicht mal einen Konter auszuspielen oder wahlweise ein torloses Unentschieden in die Verlängerung zu retten, was lange Zeit auch gar nicht so schlecht funktionierte. Trotz 80 % Ballbesitz kam der BVB selten durch die Ingolstädter Abwehrketten hindurch und konnte – wie so häufig in derartigen Begegnungen – eher durch Einzelaktionen Gefahr ausstrahlen, etwa durch einen sehenswerten Lattentreffer von Bellingham in der 27. Minute. Kurz darauf klingelte es sogar im gegnerischen Kasten, als der Ball Hummels nach einer Ecke quasi frei vor die Füße fiel und dieser verdutzt einnetzte. Jedoch hatte Emre Can seinen Verteidiger zuvor umgerissen, sodass das Tor aberkannt wurde.
Im Grunde zog sich dieses Schema durch große Teile des Spiels, der Borussia fehlte es häufig an Dynamik und Präzision, um wirklich Lücken zu reißen und diese ausnutzen zu können. Somit sah sich Marco Rose rund 20 Minuten vor Schluss gezwungen, noch ein wenig aufzurüsten und wechselte die Routiniers in Gestalt von Thorgan Hazard und Marco Reus ein. Diese Entscheidung sollte sich als goldrichtig erweisen, denn eingeleitet von Marco Reus konnte Reinier mit einem sehr guten Auge einen schönen Pass auf den freien Julian Brandt auf der rechten Strafraumseite spielen, der mit reichlich Zeit und guter Übersicht direkt wieder in die Mitte zu Hazard spielte, der das erlösende 1:0 erzielte.
Damit war die Messe im Grunde auch gelesen, Ingolstadt schien nach rund 80 Minuten nicht mehr die Kräfte zu haben, um noch ernsthaft Gegenwehr zu leisten und der BVB konnte ein wenig gelassener agieren und folgerichtig wieder durch eine Kombination aus Brandt und Hazard den 2:0 Siegtreffer erzielen. Dieser Treffer hätte allerdings aufgrund einer Abseitsstellung des Doppeltorschützen nicht zählen dürfen, was mangels VAR unbemerkt blieb und im Nachgang dann auch niemanden mehr so richtig interessierte.
Somit zog der Pokalsieger 2021 relativ unspektakulär ins Achtelfinale des DFB-Pokals ein. Kleiner Disclaimer: dafür habe ich mich wieder für den Spielbericht eingetragen, in der Hoffnung, dann wieder meine übliche Einleitung nutzen zu können…