Matchwinner im falschen Trikot
In Bellingham verliebt, von Cramer und Co. verarscht – Der BVB startet siegreich in die Champions League.
Früher waren Champions-League-Spieltage mal was Besonderes. Durch den aufgeblähten Spielplan und die immer gleichen finanzstarken Teams, die es bis in die Viertel- und Halbfinals schaffen, verliert aber auch dieser Wettbewerb an Wert. Und so war es auch nur ein Spieltag, der sich in der Vorfreude nicht von einem stinknormalen Bundesliga-Kick unterscheidet.
Zwar startete die Mannschaft von Trainer Marco Rose zunächst etwas schläfrig in die Partie, stellte die Weichen jedoch frühzeitig auf Sieg. Bellingham, immer wieder Bellingham. Schon in der letzten Saison überzeugte der damals 17-Jährige mit starken Leistungen und sicherte sich schnell den Platz als Stammkraft im Mittelfeld. Ein Jahr später und um erste Erfahrungen in Champions League und Europameisterschaft reicher legt der englische Nationalspieler noch eine Schippe drauf. Er traf jeweils in den letzten beiden Bundesliga-Spielen, wobei das Tor gegen Leverkusen vom VAR zurückgenommen wurde (VAR abschaffen!). Und auch gestern drückte der Youngster dem Spiel seinen Stempel auf, war überall zu finden, netzte zum 1:0 ein und bereitete den Treffer von Haaland vor und mutierte so zum verdienten Matchwinner.
Mit dem zunehmenden Schwund an Identifikationsfiguren kann man sich auch die Frage stellen, welchen Spieler man sich heutzutage überhaupt noch auf’s Trikot drucken lassen möchte. Bellingham bewirbt sich in letzter Zeit stark um diesen Platz – nicht nur durch seine sportliche Präsenz, sondern auch durch seine Interaktion mit den Fans auf den Tribünen (auf die er in seiner ersten Saison noch verzichten musste) und seine Jubelposen – egal ob Bierbecher oder der leicht arrogante Finger auf dem Mund, der die Massen zum Schweigen bringen soll. Brutal. Man kann nur hoffen, dass er so lange wie möglich noch in Schwarzgelb auflaufen wird, ehe ihn der Weg zurück in die englische Heimat führt.
Der BVB tut allerdings auch alles dafür, dass man sich die Frage nach der Beflockung gar nicht erst stellen muss. Das viel kritisierte Cuptrikot sollte anders werden. Man behauptete, man hätte „verstanden“, man solle „geduldig“ sein. Und am Ende? Da kommt man sich doch ziemlich verarscht vor. Der Schriftzug wurde wohl von DORTMUND auf BVB 09 geändert und auf die Schnelle hat man noch ein paar transparente Wappen ausgebuddelt, die man schnell auf die produzierten Trikots draufpappen konnte. Man muss jedoch schon eine Lupe zur Hand nehmen, um die über das Trikot verteilten Wappen und das eine Wappen über der linken Brust zu erkennen. Der BVB beweist: Man hat gar nichts verstanden (und sich dem Ausrüster gebeugt). Den Shitstorm habt ihr euch redlich verdient – nicht nur durch das finale Design, sondern auch durch die miserable Kommunikation, die vermutlich genauso souverän im Laschet-Wahlkampfteam hätte stattfinden können. Denkt man in der Dortmunder Geschäftsstelle wirklich, man hätte damit die Kuh vom Eis geholt? Wie weit entfernt kann man von den Fans noch sein? Das sichtbare Wappen auf der Brust ist nicht verhandelbar. 25 Jahre nach dem Champions-League-Titel legt man mehr Wert auf Pumas Millionen anstatt auf die Vereinshistorie.
Und weil der BVB einfach gerade einen Lauf hat, teilt man in Wahlkampfzeiten einen Tweet von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet (da schließt sich der Kommunikationskreis) und bedankt sich noch freundlich über den offiziellen Kanal. Hat Aki Watzke da persönlich den Twitter-Account bedient? Nein, das war kein harmloser „Herzlichen Glückwunsch“-Tweet von Laschet. Die Anspielung „Und wieder zeigt sich: Das Spiel ist erst beim Schlusspfiff gewonnen.“ inklusive Deutschland-Emoji zielt explizit auf die anstehende Bundestagswahl ab. Es ging auch nicht um seine Rolle als NRW-Ministerpräsident, schließlich nannte er im gleichen Tweet auch den FC Bayern. Das Timing muss ich wohl nicht extra betonen.
Wie viel kann man an einem Abend abseits des Sportlichen falsch machen?
BVB: Ja.
Am Ende des Tages startet der BVB sportlich erfolgreich mit einem 2:1-Auswärtssieg bei Beşiktaş in die neue Champions-League-Saison – ohne überflüssiges Gegentor und ungenutzte Großchancen geht’s natürlich nicht. Viel schwerer wiegt jedoch die Ignoranz in Geschäftsführung, Marketing- und Kommunikationsabteilung. Wobei – ist es wirklich Ignoranz, wenn man bewusst agiert?