Ein ernüchternder Nachmittag in St. Gallen
Grüezi aus St. Gallen vom ersten Testspiel unserer Borussia während des einwöchigen Trainingslagers in Bad Ragaz! Nachdem der BVB in den Begegnungen in Gießen (2:0) und in Duisburg gegen Aufsteiger VfL Bochum (1:3) noch mit einem bunten Mix aus Profis, Jugendspielern und den Amateuren in den zweiten Spielhälften antrat, stand heute gegen den Athletic Club Bilbao gefühlsmäßig der erste „richtige“ Test an der Tagesordnung.
Gleichwohl ist der Kader seit dem Trainingsauftakt Anfang Juli nach wie vor dünn besetzt; schließlich fehlen noch einige EM-Fahrer (Akanji, Bellingham, Can, Delaney, Gueirrero, Hazard Hummels, Meunier, Witsel). Insbesondere in der Verteidigung hatten Marco Rose und sein Trainerteam durch das Fehlen aller Innenverteidiger (Coulibaly und Zagadou stehen noch nicht zur Verfügung) und die ärgerliche Verletzung von Nnamdi Collins im Test gegen Bochum einiges an Improvisationsbedarf.
Auf
der Gegenseite lief mit Athletic Bilbao eine gestandene Mannschaft
aus dem gehobenen Mittelfeld der Primera División auf, welche in den
heimischen Pokalwettbewerben durchaus gelegentlich für
Überraschungen sorgt. Randnotiz: in den vergangenen beiden
Spielzeiten schafften es die Basken sogar bis ins Finale der Copa del
Rey. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde das Finale der Saison
2019/2020 erst im Frühjahr 2021 ausgetragen, sodass Bilbao im
vergangenen April innerhalb von zwei Wochen gleich zwei Endspiele im
Pokal zu absolvieren hatte. Zu allem Überfluss unterlagen sie sowohl
dem FC Barcelona (0:4) als auch Real Sociedad (0:1).
Der BVB ging mit einer Mannschaft in die Partie, die aufgrund der genannten Abwehrsorgen vor allem defensiv ein wenig „aufgefüllt“ werden musste. Mit Lennard Maloney und Antonios Papadopoulos standen gleich zwei U23-Spieler in der Innenverteidigung – Spieler, die die parallel in Zwickau aufspielenden Amateuren bei ihrem Drittligaauftakt schmerzlich vermisst haben dürften. In der Außenverteidigung ging man mit Nico Schulz und Felix Passlack an den Start – für beide sicherlich eine willkommene Gelegenheit, in Abwesenheit von Raphaël Gueirreiro, Thomas Meunier und Mateu Morey ihren Wert für die Mannschaft zu demonstrieren.
Im Zentrum starteten Mo Dahoud und Julian Brandt, offensiv durften Ansgar Knauff und Göktan Gürpüz ran. Letzterer war ursprünglich nicht von Anfang an vorgesehen, jedoch musste Gio Reyna das Aufwärmen aufgrund von Oberschenkelproblemen kurzfristig abbrechen. Hoffentlich nur eine Vorsichtsmaßnahme. Mit Kapitän Marco Reus und Erling Haaland standen (neben Kobel) wohl die einzigen Spieler auf den Platz, die fest als Stammspieler gesetzt sein dürften.
Auch Athletic legte erst einmal – soweit ich das beurteilen kann – mit einer Elf los, die größtenteils aus Ersatzspielern bestand. Interessant zu beobachten: gemäß der Vereinsphilosophie stammen die Spieler entweder aus der eigenen Jugend, oder kommen sogar gebürtig aus dem Baskenland.
Der Beginn der Partie war sodann durchaus intensiv; der BVB rannte hoch an und ging relativ motiviert in die Zweikämpfe. Auffällig: die einzelnen Mannschaftsteile kommunizierten sehr viel miteinander, auch die beiden jungen Aushilfs-Innenverteidiger meldeten sich oftmals lautstark zu Wort. Viele Highlights bot die erste Halbzeit allerdings nicht. Der BVB konnte Haaland als Zielspieler so gut wie nie in Szene setzen. Via Standard wurde man auch nicht gefährlich: Reus drosch eine Ecke und einen Freistoß recht uninspiriert ins Aus. Marco Rose beobachtete das zähe Treiben dennoch relativ entspannt, er forderte seine Mannschaft lediglich auf, bei gegnerischen Abschlägen die angedachten Positionierungen einzunehmen.
Offensiv war die Halbzeit jedoch recht harte Kost. Der BVB kam nicht gut in die Umschaltsituationen rein, bei eigenem Ballbesitz fehlte oftmals die Präzision in den Pässen und der ein oder andere kluge Laufweg war auch eher Mangelware. Highlight der ersten Hälfte: ein kleiner Junge, der den Platz betrat, um sich während einer Ecke von Athletic sein Shirt von Erling Haaland unterschreiben zu lassen. Dieser kam dem Autogrammwunsch auch anstandslos nach, anschließend bekam der Kleine eine vierköpfige Eskorte der hiesigen Security und wurde zu seiner eigenen und unserer Sicherheit vom Platz geleitet.
In der Halbzeit nahm der BVB drei Wechsel vor: für Haaland und Gürpüz war Feierabend, dafür betraten Steffen Tigges und Marius Wolf den Platz (Bilbao hatte bereits während der ersten Halbzeit diverse Wechsel vorgenommen). Außerdem sollte auch Roman Bürki eine Halbzeit bekommen; er kam für Gregor Kobel in die Partie. Es sollte kein angenehmer Nachmittag für die ehemalige Dortmunder Nr. 1 werden: in der 50. Minute faustete der Schweizer nicht den Ball aus dem Strafraum weg, sondern vielmehr den Kopf von Stürmer Asier Villalibre – Elfmeter. Raúl García ließ sich das nicht zwei Mal sagen und schob den Ball lässig in die Mitte zum 1:0 ein. Auch der zweite Gegentreffer fiel nach einem ruhenden Ball: ein Freistoß von halbrechts landete am zweiten Pfosten, wo Verteidiger Dani Vivian unbedrängt einschieben konnte. Ein ärgerlicher Start vor allem für Bürki, der den BVB wohl im Laufe der nächsten Wochen verlassen soll.
Während in den letzten 30 Minuten dunkle Wolken, starker Regen, Blitze und Donnerhall über dem mit 3.527 Zuschauern gefüllten Kybun-Park aufzogen, nahm auch die Partie für den BVB keine erfreulichere Wendung: Marius Wolf wurde in der 60. Minute bei einem Sprint an der Seitenlinie unglücklich am Knöchel getroffen und umgehend ausgewechselt (Jamie Bynoe-Gittens kam für ihn ins Spiel). Auch ihm wünschen wir natürlich gute Genesung!
Der Rest des Spiels ist schnell erzählt: der BVB nahm noch ein paar Wechsel vor: Mo Dahoud verließ in der 79. Minute für Dennis Lütke-Frie den Platz; außerdem musste auch Bynoe-Gittens wieder angeschlagen ausgewechselt werden. Für ihn bekam Noah Mrosek ein paar Restminuten.
Was bleibt sonst zu sagen? Eine klare Niederlage, wenig sportliche Erkenntnisse und einige Verletzungen und Blessuren tragen nicht gerade zu einem gelungenen Testlauf bei. Letztlich gilt aber natürlich die bekannte Devise: Testspiele darf man nicht überbewerten. Man darf jedoch gespannt sein, wie die Form der Mannschaft am Ende des Trainingslagers aussieht. Dann geht es in Altach gegen den FC Bologna.