Spielbericht Profis

Du zartes Pflänzchen Hoffnung...

07.03.2021, 15:45 Uhr von:  Vanni
Auf einem alten Bild aus dem Jahr 2019 sind mehrere BVB-Spieler zu sehen, die nach Abpfiff mit gesenkten Köpfen über den Platz schleichen.

Da reist die Borussia aus Dortmund am Samstagabend also zum Rekordmeister nach München und man ist geneigt, gar nicht fürchterlich viel zu erwarten. Traditionell sah man in den letzten Jahren dort immer schlecht aus (und das ist noch freundlich ausgedrückt), zu holen gab es nichts außer einem Sack voll Gegentore und in dieser Saison sind uns die Münchener noch weiter enteilt als ohnehin schon. Meine Erwartungen sind beim Anstoß gegen 18.30 Uhr also äußerst gering, alles andere als eine Niederlage würde mich wohl gleichzeitig überraschen als auch zufriedenstellen. Dann aber sät die Borussia innerhalb von zehn Minuten einen kleinen Samen Hoffnung und gibt mir das Gefühl, dass doch etwas gehen könnte… nur um dann in der Folge wild drauf zu stampfen und mich frustriert und schlecht gelaunt am Samstagabend zurückzulassen. Das führt mich letztlich zur Frage, ob eine deutliche Niederlage (wie in den letzten Jahren) mich vielleicht sogar weniger schockiert und frustriert hätte. Ich beantworte sie mir mittlerweile retrospektiv eher damit, dass es gar nicht so anders lief wie sonst auch. Die starke Anfangsphase täuscht nämlich auch recht leicht darüber hinweg, dass das 4:2 (2:2) für den amtierenden und hoffentlich auch neuen Deutschen Meister absolut verdient war.

Aber vielleicht gehen wir noch einmal einen Schritt zurück. Passend zu meinen geringen Erwartungen musste die Borussia auf ihre komplette und starke linke Seite verzichten, da Guerreiro und Sancho es nicht in den Kader für das Auswärtsspiel schafften. Ähnlich erging es Gio Reyna, der aber aktuell in einem Formtief steckt und dessen Ausfall damit nicht ganz so schmerzte wie der kürzlich endlich wieder erstarkte Jadon Sancho und der immer wieder für entscheidende Momente gute Raphael Guerreiro. Edin Terzic musste also umbauen, versuchte es zunächst mit einer Dreierkette aus Zagadou, Hummels und Can, dazu rückten Schulz (als Ersatz für Guerreiro) und Meunier (für Morey) ins Team, ebenso wie Thorgan Hazard, der den Ausfall von Sancho kompensieren sollte.

Jadon Sancho führt den Ball an seinem rechten Fuß durch das Mittelfeld.
Jadon Sancho wurde schmerzlich vermisst.

Und dann legte der BVB eben los wie die Feuerwehr und säte diese kleine Pflanze Hoffnung in mir. Während das 0:1 durch Haaland noch eher ein Zufallsprodukt und entscheidend durch Boateng abgefälscht war, konnte sich vor allem das 0:2 nach 09 Minuten absolut sehen lassen. Dahoud – traditionell gefangen zwischen Genie und Wahnsinn – offenbarte hier mal wieder seine bessere Hälfte mit einem starken Seitenwechsel auf den linken Flügel, der dann über Schulz und Hazard zu Haaland durchkombiniert wurde und im Doppelschlag resultierte. Zu diesem Moment keimte das kleine Pflänzchen auf und streckte seinen Kopf durch die Erddecke. Sollte hier tatsächlich mal etwas möglich sein? Die Bayern schienen komplett überrumpelt und brauchten eine Zeit, um sich zu schütteln und zu sortieren, auch weil die Borussia gnadenlos effektiv war und mit zwei Torschüssen zwei Mal zuschlug. Wir erinnern uns ja durchaus daran, dass es in der Vergangenheit schon mehrere Auftritte gab, in denen man in München gut begann, sich dann aber nicht belohnte, weil zum Beispiel ein Dahoud die Führung liegen ließ. Letztendlich hätte man sich sogar noch mehr belohnen müssen, weil ein weiterer Angriff, dieses Mal über die rechte Seite und über Thomas Meunier, nicht im Tor untergebracht werden konnte. Der Belgier hatte, nachdem er freigespielt wurde, zwei hervorragende Möglichkeiten: entweder den Ball selbst aus guter Position auf das Tor knallen oder dem mitgelaufenen Haaland auf dem zweiten Pfosten so bedienen, dass er nur noch einschieben muss. Meunier entschied sich für die denkbar schlechteste Variante und probierte ein letztlich doch recht dilettantisches Zuspiel, was mittlerweile wohl als Kipppunkt der Partie gesehen werden kann. Es bestehen weiterhin einfach zahlreiche Fragezeichen hinter den Einsätzen von Meunier, der in München keine Argumente dafür liefern konnte, dass er den Vorzug vor Morey bekam, der ihn in den letzten Wochen eigentlich gut vertreten konnte.

Und so kam es, wie es kommen musste. Nach einer kurzen Phase der Orientierungslosigkeit berappelten sich die Bayern und brachten ihre PS auf den Platz, die zweifellos vorhanden sind und gegen die es dann irgendwann zwangsläufig schwer werden muss. Der BVB tat jedoch auch äußerst wenig, um etwas gegen das über sie einbrechende Unheil vorzugehen. Zu passiv, zu zurückgezogen agierte man und so war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis man Gegentreffer schlucken sollte und schon beim Anschlusstreffer in der 26. Minute hatte ich doch arge Bedenken, dass die Borussia die Führung mit in die Halbzeit nehmen würde. Und da sich in Sachen Passivität nicht viel änderte, obwohl Terzic zwischenzeitlich wieder zurück auf die Viererkette umstellte, war es dann kurz vor dem Seitenwechsel auch so weit. Dass Dahouds Foul dann vom ohnehin schwachen Schiedsrichter Marco Fritz zunächst nicht gepfiffen und schließlich vom VAR korrekterweise einkassiert wurde, war dann der zweite Tritt auf das kleine Pflänzchen, das sich in meinem Kopf gerade aufrichtete. So eine Einladung lässt Robert Lewandowski nämlich natürlich nicht liegen.

Erling Haaland bejubelt ein Tor und reißt dabei breit grinsend seinen linken Arm nach oben.
Topstürmer Nummer 1: Erling Haaland

Die zweite Hälfte verlief dann aus Dortmunder Sicht weniger schlecht – das Wörtchen „besser“ möchte ich angesichts von insgesamt vier Torschüssen und einer desaströsen Passquote von 71 % nicht bemühen. Immerhin gelang es, die Bayern vom eigenen Tor weg zu halten bzw. ihnen die ganz großen Gelegenheiten zu verwehren. Kurz nach Wiederanpfiff hatte Hazard sogar eine gute Gelegenheit, um den BVB erneut in Front zu schießen. Das wäre des Spielglücks aber vermutlich auch zu viel des Guten gewesen. Ansonsten zeigten sich wieder einige Schwächen im Dortmunder Kader auf, weil nach vorne hin aus mehreren Gründen nicht mehr viel – auch hier verzichte ich auf die Beschreibung „gar nichts“ lief. Spätestens als nach 60 Minuten Tigges für Haaland gebracht wurde, konnte man doch arg bezweifeln, ob der BVB hier noch ein Tor erzielen dürfte. Haalands Auswechslung begründete Terzic hinterher nicht nur mit dem fiesen – und ungeahndeten – Foul von Boateng gegen Haalands Ferse, sondern auch mit dem bevorstehenden Spiel in Sevilla. Das mag ich ja noch verstehen, auch wenn es traurig ist, den besten Spieler 30 Minuten vor dem Ende beim Stand von 2:2 herunter zu nehmen. Viel größer bleibt aber das Problem der fehlenden Alternative. Steffen Tigges war aufgrund seiner Statur zwar sicherlich die nachvollziehbare Variante gegenüber Youssoufa Moukoko, letztendlich machen aber wohl weder der 16-Jährige noch der ehemalige Viertligastürmer noch einen Unterschied bei einem Spiel in München und auf diesem Niveau aus. Hier rächt es sich, dass der BVB auf der Stürmerposition weiterhin so dünn – um nicht wieder andere Worte zu bemühen – besetzt ist. Als weitere Alternativen wurden dann Brandt (für Hazard, der ebenfalls noch nicht über 90 Minuten spielen konnte), Morey (für Zagadou), Bellingham (für Delaney) und Reinier (für Reus) eingewechselt, konnten allesamt aber nichts mehr offensiv bewegen.

Am Ende wäre es fast genug gewesen für einen Punkt, der Doppelschlag in Minute 88 und 90 riss mein Pflänzchen dann aber aus der Erde und verfütterte es an die Münchener Karnickel. Nun mag man über das Foul gegen Can im Vorfeld des 3:2 sicher diskutieren können – kein Fall für den VAR, Marco Fritz hätte dies aber durchaus sehen können, am Ende täuscht die Diskussion aber auch über vieles hinweg. Darüber nämlich, dass der BVB dieses Mal wieder nur 10 gute Minuten anzubieten hatte und dann vor allem in der ersten Hälfte viel zu wenig unternahm, um sich einen Punkt zu verdienen. Oder darüber, dass man in Hälfte zwei offensiv fast gar nicht mehr stattfand. Und wenn Marco Reus dann nachher bei Sky darüber moppert, dass das Foul gegen Can auf der anderen Seite bei Bayern wohl gepfiffen worden wäre, bei uns aber nicht, täuscht auch so eine Aussage eher darüber hinweg, dass der Kapitän seit Monaten seiner Leistung hinterherläuft. Die Sportschau rechnete nachher 0 Torschüsse, 0 Torschussvorlagen und eine Passquote von 42 Prozent vor. Wir brauchen uns nicht darüber unterhalten, dass das einfach viel zu wenig ist.

Robert Lewandowski bejubelt ein Tor, indem er auf den Knien über den Rasen rutscht und seine Hände vor dem Körper ausbreitet.
Topstürmer Nummer 2: Robert Lewandowski

Ja, meinetwegen war der Auftritt der Borussia in München weniger schlecht als in den Jahren zuvor. Und vielleicht klingt es auch zu sehr nach Abrechnung und zu negativ, aber einer meiner Gedanken nach dem Spiel war: Auch wenn es weniger Scheiße ist, so ist sie immer noch braun und stinkt. Und vielleicht bin ich am Ende frustriert und sauer, weil man mir das Gefühl von Hoffnung gegeben hat, dass in München mal etwas zu holen ist. Oder, weil man, wenn man die Sache ehrlich betrachtet, einfach wieder kein gutes Spiel bei den Bayern gemacht und am Ende zurecht verloren hat.

Wie auch immer. Es gilt, die Partie irgendwie abzuhaken, weil am Dienstag schon wieder Champions League ist und man dann ab Samstag wieder einiges dafür tun muss, dass man solche Abende wie kommenden Dienstag auch noch in der nächsten Spielzeit erleben können wird. Denn das ist am Ende das Wichtige. Ich habe immer noch genug Nährboden für neue Pflanzen. Und manchmal ist Kot ja auch ein gutes Düngemittel…

Statistik

FC Bayern München: Neuer - Süle, Boateng (70. Martinez), Alaba, Davies - Kimmich, Goretzka - Sané (90. Hernandez), Müller (90. Choupo-Moting), Coman (66. Gnabry) - Lewandowski

Borussia Dortmund: Hitz - Can, Hummels, Zagadou (70. Morey) - Meunier, Dahoud, Delaney (70. Bellingham), Schulz - Reus (77. Reinier), Hazard (60. Brandt) - Haaland (60. Tigges)

Tore: 0:1 Haaland (2.), 0:2 Haaland (9.), 1:2 Lewandowski (26.), 2:2 Lewandowski (44./FE), 3:2 Goretzka (88.), 4:2 Lewandowski (90.)

Gelbe Karten: Lewandowski - Meunier

Schwacher Schiedsrichter: Marco Fritz (Korb)

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