In Liverpool bedankten sich einige Fans bei mir, dafür dass Sie den Klopp von uns bekommen haben.
Inklusion im Fußball wird immer noch zu wenig zur Kenntnis genommen. Wie erleben Fans im Rollstuhl das Westfalenstadion? Wir haben mit ihnen gesprochen.
Laut statistischem Bundesamt lebten im Jahr 2019 circa 7,9 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland, das sind gut 7,9 % der gesamten Bevölkerung. Gut eine Million dieser schwerbehinderten Menschen sind auf einen Rollstuhl angewiesen. Viele von diesen sind natürlich auch Fußballfans und haben, hoffentlich, den BVB in ihr Herz geschlossen. Einer davon ist Moritz. Mit ihm haben wir über sein Leben als rollstuhlfahrender BVB-Fan gesprochen und wie es ihm damit ergeht.
schwatzgelb.de: Erzähle mal ein wenig über Dich und was Dich anders als andere Fans macht?
Moritz: Ich
heiße Moritz und bin 31 Jahre alt. Seit meinem 10. Lebensjahr sitze
ich auf Grund einer Muskelerkrankung
im Elektro-Rollstuhl und bin auf einen Assistent angewiesen. Dadurch
wird ein Besuch im Stadion bei Heimspielen in Dortmund oder bei
Auswärtsspielen in anderen Stadien etwas aufwändiger. Da ich im
Stadion auf persönliche Assistenz angewiesen bin, muss ich immer eine
Begleitperson mitnehmen, die mich natürlich auch mit dem Auto dort
hinfährt. Meistens übernimmt meine Mutter den Job, aber auch mein
Vater, meine Schwester und Freunde begleiten mich gelegentlich.
schwatzgelb.de: Wie
bist Du zum BVB gekommen?
Moritz: In meinem persönlichem Umfeld gibt es einige BVB-Fans und als kleiner Knirps habe ich dann entschieden, auch BVB-Fan zu sein, obwohl ich mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich für Fußball interessiert habe. Meine Leidenschaft für Fußball habe ich dann 2006 bei der WM entdeckt. Nach der WM habe ich mir dann immer die Spiele vom BVB im Fernseher angesehen.
schwatzgelb.de: Seit wann gehst Du ins Stadion und was war Dein erstes Spiel?
Moritz: Ab
2010 ist es mir dann gelungen ab und an eine Rollikarte für das
Stadion zu ergattern. Mein erstes Spiel war gegen Stuttgart.
72 Rollikarten bei 80 000 Zuschauern sind schon wenig.
schwatzgelb.de: Gehst Du zusammen mit den Freunden zum BVB? Sind das auch alles Rollifahrer?
Moritz: Wie oben schon geschrieben brauche ich immer eine Begleitperson. Aber wir treffen uns vor dem Spiel regelmäßig mit Freunden, mal sind es Rollifahrer oder Fußgänger. Wenn es keine Rollifahrer sind treffen wir uns vor dem Stadion und quatschen und trinken ein Bierchen und dann geht jeder zu seinem Platz und wir treffen uns auch nach dem Spiel noch (je nach Wetterverhältnis).
schwatzgelb.de: Wie schwer war es für Dich an eine Rollikarte zu kommen?
Moritz: Mittlerweile
habe ich seit 7 Jahren eine Dauerkarte. Aber vorher war es sehr
schwierig. Bei Anrufen bin ich immer abgewimmelt worden. Bis ich dann
2010 angefangen habe bei jedem Spiel eine Mail zu schreiben, um an
Karten zu kommen. Da habe ich ab und an mal eine Heimkarte bekommen
und einige Auswärtskarten.
schwatzgelb.de: Bietet
der BVB genügend Karten für Rollifahrer an?
Moritz: Natürlich
nicht, 72 Rollikarten bei 80 000 Zuschauern sind schon wenig.
Auswärtsfahrten sind schwierig zu organisieren
schwatzgelb.de: Fährst Du auch auswärts und was war Deine weiteste Fahrt?
Moritz: Ich
fahre viel auswärts. Fast alles was mit dem Auto funktioniert und
was an einem Tag hin und zurück zu schaffen ist. Wobei wir auch nach
London ohne Übernachtung hin und zurück gefahren sind.
Übernachten
ist sehr schwierig für mich , da ich auf ein Pflegebett angewiesen
bin. Liverpool - Salzburg - München - Berlin, da habe ich dann
übernachtet, aber es ist sehr aufwändig das zu organisieren. Malaga
war bisher meine weiteste Fahrt bzw. Flug.
schwatzgelb.de: Wie
hast Du diese Fahrt organisiert? Bist Du z.B. mit einem Fanclub
gefahren?
Moritz: Ich
bin mit der Fanabteilung geflogen. Es war ein Marathon an
Organisation im Vorfeld und dann gab es vor Ort trotz aller
Vorbereitung doch noch erhebliche Probleme den Elektro-Rollstuhl zu
verladen. Für den Transport vom Flughafen habe ich dann eine
Taxiunternehmen organisiert, welches mich samt Rollstuhl befördern
konnte.
In Liverpool haben sich einige Fans bei mir bedankt, dass sie den Klopp von uns bekommen haben.
schwatzgelb.de: Was
war das verrückteste Erlebnis mit dem BVB?
Moritz: Das
Rückspiel gegen Malaga, es war einfach ein Auf und Ab der Gefühle.
Ich konnte im ersten Moment gar nicht fassen, dass wir noch weiter
gekommen sind.
schwatzgelb.de: Und
abseits des Platzes?
Moritz: In Liverpool kamen einige Liverpool Fans zu mir und haben sich bedankt, dass sie den Klopp von uns bekommen haben.
schwatzgelb.de: Und gab es, im Zusammenhang mit Deiner Behinderung, ein besonders
schlimmes Erlebnis und wer hat Dir in dieser Situation geholfen?
Moritz: Eigentlich
hatte ich im Zusammenhang mit Fußball kein schlimmes Erlebnis. Ich
fühle mich eigentlich immer gut betreut bei Heim-, wie bei
Auswärtsspielen. Nur in Leipzig wollten die Ordner mich einmal nicht
ins Stadion lassen, weil angeblich meine Karte nicht gültig war, die
von meiner Begleitperson allerdings schon. Das konnte dann mit dem
Behindertenbeauftragten von Leipzig geregelt werden.
schwatzgelb.de: Wie
ist es für Dich mit Deiner Behinderung im Stadion? Fühlst Du Dich
gut aufgehoben?
Moritz: In
Dortmund fühle ich mich sehr gut aufgehoben und auch in den
Auswärtsstadion fühle ich mich sehr wohl. Es wird einem auf dem Weg
zum Platz fast immer und überall Hilfe angeboten. Meistens wird man
angesprochen, ob man Hilfe benötigt.
schwatzgelb.de: Fühlst
Du dich von den anderen Fans respektvoll behandelt?
Moritz: Andere
Fans (auch vom Gegner) sind immer respektvoll und machen mir auch oft
Platz, wenn ich im Rollstuhl irgendwo durch muss oder will.
Als Rollifahrer und Fan im Stadion
schwatzgelb.de: Und fühlst Du Dich auch als Teil der BVB-Fans oder ist das Gefühl
eher „Da auf der Süd sind die
Fans" und hier sind wir Rollifahrer. Wir sind zwar auch Fans, aber so richtig gehören wir nicht
dazu?
Moritz: Da
ich auf der Ostseite sitze ist es manchmal schon ein bisschen doof.
Die Spieler gehen nach dem Spiel zur Süd und dann Richtung West
durch das Stadion und bevor sie dann bei uns wären biegen sie
in den Spielertunnel ab. Manchmal kommen dann doch noch einzelne
Spieler zur Ost und klatschen dann
mit den Rollifahrern ab.
schwatzgelb.de: Wenn
Du hoffentlich bald wieder ins Stadion gehst: Bekommst Du alles mit
oder fühlst Du Dich von einigen Dingen ausgeschlossen, weil an
die besonderen Bedürfnisse von Rollifahrern nicht gedacht wurde??
Moritz: Ich bin rundum zufrieden mit meinem Platz in Dortmund. Ich bekomme alles mit und wir werden vor dem Spiel und nach der Halbzeit vom Catering mit Getränken versorgt. Wir haben jetzt Steckdosen an den Plätzen und können da auch mal eine Heizdecke anschließen.
In
den meistens Auswärtsstadien sind die Plätze für Rollstuhlfahrer
auch gut. Für die Auswärtsfans auf den Rollstuhlplätzen in
Dortmund gilt das Gleiche wie für die Heimfans. Die
Behindertenbeauftragten vom BVB sind immer im Austausch mit uns.
Auswärts wäre es schon schön, nahe bei den eigenen Fans zu sitzen, so dass man nicht durch Zäune und Absperrungen getrennt wird und noch nicht einmal vor dem Spiel oder in der Halbzeit zusammen stehen kann.
schwatzgelb.de: Würdest Du, anstatt nur mit Rollifahrern zusammen, gerne bei den
Fans z.B. vor der Südtribüne sitzen wollen oder sogar auf der Süd?
Od er bei Auswärtsspielen vor oder in dem Gästeblock?
Moritz: In Dortmund bin ich sehr zufrieden mit meinem Platz, da möchte ich nicht woanders sitzen.
So
nah am Spielfeldrand ist es super. Auswärts wäre es schon schön
nahe bei den eigenen Fans zu sitzen, so dass man nicht durch Zäune
und Absperrungen getrennt wird und noch nicht einmal vor dem Spiel
oder in der Halbzeit zusammen stehen kann.
schwatzgelb.de: Was
wünscht Du Dir in Zukunft vom BVB für Euch Rollifahrer?
Moritz: Ich wünsche mir einen geheizten Raum wie bei Manchester United, wo sich Rollifahrer vor dem Spiel und in der Halbzeit treffen können. Am besten mit eigenem Catering, damit unsere Begleitpersonen sich nicht immer so lange an den Kiosken anstellen müssen. 2-3 Behindertentoiletten mehr im Stadion, wären auch nicht schlecht.
schwatzgelb.de: Vielen Dank für das Gespräch!