Roman Bürki – Fliegenfänger, verkanntes Genie oder was?
Seit Eike Immel, Teddy de Beer und Stefan Klos ist es nicht leicht, Torhüter in Dortmund zu sein. Roman Bürki ist da keine Ausnahme. Nun erhält er eine Vertragsverlängerung bis voraussichtlich 2023. Aber warum macht der BVB das? Hier ein Blick auf unsere Nummer eins.
Der 1,87m große Bürki begann seine Karriere bei seinem Heimatverein
FC Münsingen, bevor es ihn zu den BSC Young Boys zog. Zwar konnte er
sich bei der U21 auszeichnen, aber bei den Senioren kam er nur auf
zwei Spiele. Auch die Ausleihe zum FC Thun und FC Schaffhausen waren
wenig erbaulich. So wechselte er 2011 zu den Grasshopper nach Zürich,
wo er im Anschluss zum Stammtorhüter entwickelte. Mit diesem Verein
gewann er 2013 den Schweizer Pokal. 2014 wechselte er dann in die
Bundesliga zum SC Freiburg und ersetzte dort den abgewanderten Oliver
Baumann. In seiner ersten Saison absolvierte er alle Spiele
(Kickernote 2,72), konnte aber den Abstieg von Freiburg nicht
verhindern.
2015 dann der Wechsel zum BVB. Trainer Tuchel machte ihn zur Nummer eins für Bundesliga und Pokal. International spielte weiterhin Roman Weidenfeller. War sein erster Pokal-Final-Einsatz noch mit einer Niederlage gegen Bayern überschattet, konnte er ein Jahr später den Pokal hochhalten, als man Frankfurt besiegte. Außerdem gewann er mit dem BVB den DFL-Supercup 2019 gegen die Bayern. Aktuell hat er in 186 Spielen 99 Siege erlebt. Wie wechselhaft er dabei war, sieht man an seiner durchschnittlichen Kickernote: In seinem ersten Jahr brachte er es auf 3,08, dann folgte eine 2,72, 3,08 und 2,64. In der aktuellen Saison liegt er in der Liga auf 3,17. Nur sollte man nicht vergessen, Noten sagen nicht alles aus (Wenn man nichts zu tun hat, dann gibt es halt nur eine 3 als Note).
International qualifizierte er sich für die U21 EM in Dänemark,
musste aber wegen einer Verletzung passen. Seit Mai 2014 gehörte er
der Schweizer A-Nationalmannschaft an. Sein Debüt gab er im
Freundschaftsspiel 2014 gegen Polen (2-2). Sein Pflichtspieldebüt
feierte er dann 2016 gegen San Marino. Er war im Kader der WM 2014 in
Brasilien, EM 2016 in Frankreich und WM 2018 in Russland. Bei diesen
Turnieren wurde er allerdings nicht eingesetzt (Yann Sommer war die
klare Nummer ein in der Schweiz). Im Anschluss nach der WM erklärte
er seinen vorläufigen Rücktritt aus der Nationalmannschaft, weil er
sich auf seinen Verein konzentrieren wollte.
Soweit
die technischen Daten, aber wer ist nun dieser 29-jährige Roman
Bürki?
Seien wir ehrlich, seitdem Stefan Klos 1998 den BVB verlassen hat, hatten es alle Torhüter in Dortmund schwer. Sein direkter Nachfolger Jens Lehmann hatte neben seiner Vergangenheit auch eine rabenschwarze erste Halbserie, wo er Böcke ohne Ende fabrizierte. Trotzdem gewann man
mit
ihm die Meisterschaft 2002. Auch sein Nachfolger Weidenfeller, der
bereits seit 2002 als Ersatztorhüter da war, hatte seine Probleme.
Zwischenzeitig wurde er durch den Ersatztorhüter Warmuz ersetzt.
Aber am Ende blieben die zwei Meisterschaften und seine Berufung in
die Nationalmannschaft (bzw. dadurch als Weltmeister) in Erinnerung.
Bürki haftet der Makel des Fliegenfängers an, der ungerne seinen Strafraum verlässt. Bei den abgewehrten Bällen pro Saison war er in Freiburg noch mit 77,1% auf Platz drei in der Liga. In Dortmund stürzte er dann ab auf 67,9%. Es folgten in den Jahren danach 71%, 68,5% und 68,2%. In der aktuellen Saison liegt er nur bei 59,7%. Nur Timo Horn vom 1. FC Köln hat eine schlechtere Quote. Wie kommt das?
Gerade das Torwartspiel hat sich gegenüber seiner Anfangszeit
geändert. War er noch in Freiburg ein reiner Torwart, musste er sich
in Dortmund ändern. Dort bekam er weniger aufs Tor, aber er war
sozusagen der erste Aufbauspieler. Das heißt, er musste die Bälle
verteilen. Gerade in den ersten beiden Jahren in Dortmund sah man ihm
die Probleme dort an. In der Zwischenzeit und auch dank der
Regeländerung (Ball kann beim Abschlag auch innerhalb des Strafraums
zugespielt werden) hatte sich das bei ihm verbessert. In der
aktuellen Saison hat er eine Passquote von 74,2%. Interessant ist
auch, jeder seiner vier Trainer in Dortmund (bei unterschiedlichen
Spielweisen) setzte auf Bürki und gegen die jeweiligen Alternativen.
Sicherlich,
es kommt immer wieder mal zu Ballverlusten und zu Gegentoren (Man
erinnert sich da doch gerne an das Bayernspiel), aber dies passiert
anderen Torhütern auch. Gerade in der Anfangszeit in Dortmund waren
diese Fehler noch krasser. Aber da ist er in guter Gesellschaft. Wie
war das erste Halbjahr von Jens Lehmann in Dortmund? Oder auch das
von Manuel Neuer, der in seiner ersten Saison zahlreiche Tore
verursacht hat. Aber warum bleiben seine „Böcke“ in Dortmund in
Erinnerung?
Einfach weil man als Dortmund-Fan jedes Spiel und jede Minute sieht. Die Schwierigkeiten, die andere Torhüter hatten, werden bei anderen Vereinen nur bei Zusammenfassungen oder bei Gegentoren deutlich. Alleine am 30. Spieltag gab es reichlich Torwartfehlern (Gulácsi, Horn, Hradecky, Horn, Trapp), aber die vergisst man dann auch schnell. Anders bei denen von Bürki. Nehmen wir hier als Beispiel noch einmal das Bayernspiel. Den Heber von Kimmich hätte er einfacher abwehren können, wenn er anders zum Ball hingegangen wäre (Bei Sky90 nach dem Spiel sagten sowohl Weidenfeller als auch Kahn, dass das kein reiner Torwartfehler war, sondern eher eine falsche Entscheidung [Weidenfeller], wie er zum Ball geht). Vergessen sind da aber auch die „Böcke“ von Neuer (zweimal hatte er bei seinen Ausflügen gegen Dortmunder Stürmer das Nachsehen, aber die Chancen wurden durch Abwehrspieler behoben), weil diese eben nicht zu einem Tor führten.
Die Stärken von Bürki sind sicherlich nicht das Abfangen von
Flanken und Ecken, sondern eher das Eins-gegen-Eins. War in der
Anfangszeit die Passquote und Passqualität von Bürki nicht
überragend, hat sich das in den vergangenen Jahren verbessert. Auch
bei den langen Pässen hat er sich gesteigert. Das muss nicht
unbedingt an Bürki liegen, sondern einfach daran, dass man nun mit
Haaland einen Spieler hat, den man besser erreichen kann. Mit
Spielern wie z.B. Koller und Lewandowski klappt das besser als mit
einem Reus, Kagawa oder Götze. Es bleiben auch seine Abstöße ins
Seiten-Aus an der Mittellinie in Erinnerung. Diese Schwäche ist aber
eher eine Rückversicherung als ein Fehler. Er versucht halt immer
die Bälle an den eigenen Mann zu bringen (in der Regel auf die
Außen, vorrangig wohl eher nach rechts als nach links). Nur wenn er
die nicht erreicht, folgt daraus nicht unbedingt ein direkter
Ballbesitz für den Gegner, der dann sofort einen Angriff starten
kann, sondern ein Ball im Seiten-Aus.
Aber gibt es keinen besseren? Doch, natürlich gibt es die! Aber diese würden reichlich Geld binden. Ist es das wert, nur um vielleicht ein oder zwei Tore pro Saison weniger zu kassieren? Meistens kann man Tore halt durch anderes Abwehrverhalten verhindern. Siehe die aktuelle Saison, wo man noch in der Hinrunde die Schießbude der Nation war (etwas übertrieben, da gibt es andere Kandidaten). Durch die Umstellung auf eine Dreierkette hat man in der Rückrunde in 13 Spielen nur 11 Gegentreffer kassiert (nur Bayern hat mit acht Treffern weniger kassiert) und Bürki belegt bei der Wertung „Weiße Weste“ (Spiele ohne Gegentreffer) mit 11 Spielen auf Platz zwei hinter Neuer (mit 13, aber auch drei Spielen mehr).
Welche Alternativen gibt es denn? In der Liga dürfte neben
Branchenprimus Neuer wohl nur Sommer bzw. Gulácsi eine Steigerung auf
der Torhüterposition sein. Diese Spieler aus ihren Verträgen
herauskaufen (beide Verträge laufen noch bis 2023) würde dann auch
reichlich Geld kosten. Bei den restlichen in der Liga wäre man
ungefähr bei dem Niveau von Bürki oder müsste sich, wie z.B. bei
Alexander Schwolow, ein ganz anderes Torwartspiel angewöhnen. Aber
auch diese Keeper wären bestimmt nicht billig. International gibt es
bestimmt Torhütertalente, nur leider haben diese sich noch nicht in
der Bundesliga behauptet. Da geht man doch in Dortmund lieber auf
Nummer sicher (auch wegen der Coronakrise) und bleibt trotz aller
Fehler bei Bürki.
Nun baut man weiter auf Roman Bürki, der in Dortmund mittlerweile zum Führungsspieler gereift ist und vor allem auch mal unbequeme Wahrheiten ausplaudert. Man erinnere sich nur an seine Aussagen während der Coronakrise. Jetzt stellt sich allerdings die Frage, bleibt Marwin Hitz weiterhin als Nummer zwei in Dortmund (Vertrag bis 2021)? Denn nur dann würde der BVB auf den Torwartsektor tätig werden. Denn die klare Nummer drei wird das Torwarttalent des BVB, Luca Unbehaun, werden. Und wie sieht es in ein paar Jahren aus? Das wird man dann sehen.