Milchmädchenrechnungen aus dem Süden: Wie sich eine Zeitung lächerlich macht
Immer wieder passiert es, dass man sich als Hobbyschreiberling fragt, was in den Köpfen von Journalisten vorgeht. Neuestes Beispiel ist ein Artikel von Focus Online, der mit der reißerischen Überschrift „Zorcs Transfer-Schwäche kostet Borussia Dortmund schon über 200 Millionen“ daher kommt. Eigentlich ist der Text diese Worte nicht wert, aber man darf so ein Geschreibsel auch nicht so einfach stehen lassen. Zumindest kann ich das nicht.
Die Einleitung vom Focus-Artikel (klicken auf eigener Gefahr) fängt schon einmal interessant an: „Der BVB verpasst wohl zum achten Mal in Folge den Bundesliga-Titel. Dies liegt einerseits an der Stärke des FC Bayern, andererseits aber auch an zahlreichen misslungen Transfers der Dortmunder Verantwortlichen.“ Es ist schon etwas lustig, dass man dort im Süden glaubt, dass man nur wegen der „hunderten“ von „fehlgeschlagenen Transfers“ nicht Meister wird. Neben allen möglichen Gründen (wenn man unser Forum fragt: z.B. falscher Trainer, falsche Spieler, falsche Torhüter, falsche Entscheidungen) ist doch der Hauptgrund: In München gibt es halt mehr Geld, damit kann man auch andere Klientel holen (soll jetzt keine Neiddebatte sein, es ist halt so). Zum Vergleich: Den aktuell teuersten Transfer des BVB mit 30,5 Mio. € (Hummels / die Werte hier stammen von TM), hat der FC Bayern bereits in der Saison 2009/2010 (Gomez mit genau 30 Mio. €) erreicht. Auch hätte man mit diesem Transfer schon Probleme, in die Top-10-Transfers von Bayern München zu kommen. Deren teuerster Spieler Hernandez bringt es auf die stolze Ablöse von 80 Mio. €.
Nach ein bisschen Lob für die Verpflichtung von Toptalenten kommt
dann eine sehr interessante Einschätzung: „Während die
Youngsters oft einschlagen, liegen Zorc und der BVB bei der
Verpflichtung von gestandenen Akteuren sehr häufig daneben.“
Sicherlich, nicht jeder Transfer schlägt ein, aber die Aussage ist
meiner Meinung nach unpassend.
Von den Zugängen der Saison 2019/20 (immerhin 10 Spieler) zählen
sechs Spieler zum Stammpersonal. Zwei weitere (Unbehaun und Raschl)
sind als Lehrlinge im Kader und die Spieler Schulz bzw. Morey hatten
gesundheitliche Probleme. Auch in der Saison davor (09 Spieler)
waren sechs Spieler eigentlich Stammkräfte. Mit Hitz und Oelschlägel
waren auch zwei Spieler dabei, die sowieso als Ersatzspieler geholt
wurden. Einzig Balerdi kann man als Fehler ansehen. Lag also der BVB
wirklich häufig daneben? Ganz nebenbei, auch nicht jede
Verpflichtung von Talenten funktioniert. Hier kann man mal Gomez,
Mor, Isak und Merino erwähnen.
Die nächsten Sätze schlagen dann den Boden aus: „Ein Blick auf die vergangen vier Jahre verdeutlicht dies: André Schürrle, Mario Götze, Andrey Yarmolenko, Maximilian Philipp, Ömer Toprak, Abdou Diallo, Thomas Delaney, Nico Schulz und Paco Alcacer kosteten zusammen über 200 Millionen €. (...) All diese Akteure eint ebenfalls, dass sie zu keiner Zeit in Dortmund konstant gute Leistungen brachten oder dauerhaft Stammspieler waren.“ Ähm, zum einen ist die Kausalität falsch. Philipp, Diallo, Delaney und Alcacer waren Stammspieler. Dass sich die Wege wieder getrennt haben, hatte unterschiedliche Gründe. Philipp wollte mehr Spielpraxis haben und sah seine Felle in Dortmund davon schwimmen. Diallo wollte wohl wegen Hummels nach Paris. Und Alcacer spielte, wenn er fit war. Blöderweise war er das häufiger nicht. Trotzdem brachte er es in der vergangenen Saison auf 32 Spiele. Selbst in dieser Saison war er in 15 Spielen der Hinrunde auf dem Platz. Er durfte gehen, da er sich in Dortmund nicht wohlgefühlt hat und da man mit Haaland einen Ersatz geholt hat. Gerade bei Spielern wie Götze und Schulz sollte man auch nicht vergessen, dass diese sich mit gesundheitlichen Problemen herumärgern mussten. Bei anderen Spieler wie Yarmolenko und Toprak musste man halt feststellen, dass es nicht passte. Trotzdem waren sie häufiger im Einsatz beim BVB. Ein wirklicher Fehleinkauf war meiner Meinung nach wohl nur Schürrle, der in Dortmund nie ankam. Lustigerweise (wie auch bei Toprak) war das ein Spieler, den wohl der damalige Trainer wollte. Das war anscheinend ein Zugeständnis für den Trainer, da der wiederum Götze vorgesetzt bekam (ein Prestigeprojekt des Geschäftsführer Aki Watzke). Ob man da Zorc einen Vorwurf machen darf?
Aber kommen wir zum zweiten Satz, wo von den Ausgaben für diese
Spieler in Höhe von 200 Mio. € die Rede ist. Sicherlich, diese
Spieler waren nicht billig. Aber das ist halt das Problem, wenn die
abgebenden Vereine wissen, dass man genug Geld hat. Sobald man den
BVB sieht, kommen da schon gleich ein paar Milliönchen dazu. Da
möchte ich gerne mal an Toprak erinnern. Bekanntlich wollte der BVB
ihn schon ein Jahr früher haben, denn seine Ablöseoption galt erst
für die Saison 17/18. Da aber Bayer Leverkusen mehr als das Doppelte
im Jahr 2016 forderte, verzichte man auf ihn ein Jahr lang und holte
damals lieber einen gewissen Marc Bartra für nur 8 Mio. €.
Natürlich hört sich 200 Mio. € nach ganz viel Geld an (was es ja
auch ist), aber der Artikel vergisst zu erwähnen, dass auch diese
Spieler beim Verleihen oder Verkauf Geld eingebracht haben. Mal auf
die Einnahmenseite geguckt: Schürrle (1 Mio. €), Yarmolenko (20),
Philipp (20), Toprak (2,5 plus Option), Diallo (32) und Alcacer (23)
brachten bislang 98,5 Mio. € Einnahmen durch Transfers (Stand
jetzt). Bis auf Schürrle und Toprak brachten diese Fehleinkäufe
ungefähr das ein, was sie auch gekostet haben.
Kommen wir mal wieder zum Vergleich mit den Münchenern. Selbst da soll es Investitionen gegeben haben, die entweder finanziell oder auch sportlich nicht so ganz funktioniert haben. Hier ein paar Beispiele aus den vergangenen drei Spielzeiten (gut, bei der aktuellen sind noch fünf Spieltage zu absolvieren): Lucas Hernández, Michaël Cuisance, Philippe Coutinho, Fiete Arp, Álvaro Odriozola, Corentin Tolisso, Sandro Wagner, James Rodríguez und Sebastian Rudy. Ob das alles wirklich Transferfehler sind, das muss jeder für sich entscheiden (für mich sind sie das). Sicherlich, da waren ein paar Leihgeschäfte und ablösefreie Spieler dabei, trotzdem kommt man auf rund 171 Mio. €. Dieser stattlichen Summe stehen dann auch Einnahmen (ich komme laut jetzigem Stand auf 21 Mio. €) gegenüber. Trotzdem stellt sich die Frage, welcher Verein hat da mehr Geld in den Sand gesetzt?
Wenn man sich die aktuelle Saison anguckt, wird der BVB diesmal
ein Transferminus von rund knapp 23 Mio. € einfahren. Dies ist aber
beim BVB die Ausnahme. In der Regel gibt der BVB nur das Geld aus,
was auch eingenommen wurde. Dazu passt eine Statistik von
Transfermarkt.de: Demnach hat kein Verein aus der Bundesliga seit
2016/17 so viel Geld durch Transfers eingenommen wie der BVB. Zwar
habe man fast 500 Mio. € ausgegeben, aber die Einnahmen beliefen
sich auf 611,65. In München verbuchte man in der gleichen Zeit ein
Minus von 117,45 Mio. €. Damit wurde man nur knapp von Leipzig
(137,19 Mio. €) geschlagen.
Was
bleibt, wenn man sich den Focus-Artikel durchliest? Eigentlich das
Gefühl, dass man Lebenszeit vergeudet hat. Aber warum so ein
Artikel? Hier kann man nur Vermutungen anstellen. Vielleicht ist in
München zu wenig los und man nimmt den zweitgrößten Fußballverein
aufs Korn. Oder man möchte von Fragen in München ablenken. Immerhin
war der ehemalige Herausgeber des Focus, Helmut Markwort, auch
zeitweise Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern. Oder man hatte einfach
noch Platz auf der Seite und versuchte, das damit zu füllen. Fakt
bleibt aber, hier wird mit Aussagen gespielt, die entweder falsch
sind oder thematisch zu weit am Thema vorbeigehen.
Sicherlich,
nicht alles glänzt in Dortmund, aber die Transferbilanz der
vergangenen Jahre zeigt aber, gerade bei den Verpflichtungen hat der
BVB ganz viel richtiggemacht. Dabei ist es egal, ob man gestandene
Spieler oder Talente holt.
So sehe ich das halt.